Olaf Scholz

Mülheim an der Ruhr Kanzler Scholz will Gasturbine besichtigen

Stand: 03.08.2022 09:15 Uhr

Die gewartete Gasturbine für die Pipeline Nord Stream 1 ist seit Wochen ein Politikum. Nun will Kanzler Scholz die in Mülheim zwischengelagerte Turbine persönlich begutachten. Kanadas Premier nahm er wegen der Lieferung in Schutz.

Im Gasstreit mit Russland will Bundeskanzler Olaf Scholz in Mülheim an der Ruhr die in Kanada für die Pipeline Nord Stream 1 gewartete Turbine anschauen. Dies teilte der Energietechnik-Konzern Siemens Energy mit. Die Turbine stehe für den Weitertransport nach Russland bereit, hieß es.

Im Interview mit der kanadischen Zeitung "The Globe and Mail" verteidigte Scholz die Lieferung der Turbine, die wegen der Umgehung von Sanktionen umstritten ist. "Mit der Lieferung der Turbine haben wir Putins Bluff auffliegen lassen", sagte er. "Er kann diesen Vorwand nicht mehr verwenden und keine technischen Gründe mehr für ausbleibende Gaslieferungen ins Feld führen."

Jan Koch, WDR, zur Gasturbinen-Besichtigung des Bundeskanzlers in Mülheim an der Ruhr

Morgenmagazin

Seit Juni hat Russland die Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 zurückgefahren. Der Energiekonzern Gazprom begründete dies mit einer wegen der Sanktionen fehlenden Turbine von Siemens Energy. Vergangene Woche hatte das Unternehmen unter Verweis auf weitere Reparaturarbeiten die Gaslieferungen noch einmal gedrosselt, so dass inzwischen nur noch 20 Prozent der maximal möglichen Menge durch die Röhren fließen. In Europa gilt die Begründung als Vorwand.

Scholz nimmt Trudeau in Schutz

Den wegen der Turbinenlieferungen unter Druck geratenen kanadischen Premierminister Justin Trudeau nahm Scholz in Schutz. "Für mich entbehrt die Kritik an Justin Trudeau und seiner Regierung jeglicher Grundlage", sagte er. "Bei der Entscheidung, die Turbine zu liefern, handelt es sich wohl kaum um eine Gefälligkeit gegenüber Gazprom, sondern vielmehr um ein starkes Zeichen der Unterstützung für Deutschland und Europa."

Die Wartung und Verschiffung der Turbine hatte in den vergangenen Wochen in Kanada für Wirbel und Druck auf Trudeau gesorgt. Ottawa umging mit der Auslieferung seine eigenen Sanktionen gegen Moskau und verärgerte damit auch die ukrainische Führung. Der einflussreiche Weltkongress der Ukrainer, der Ukrainer in aller Welt vertritt, kündigte Mitte Juli sogar eine Klage gegen die Regierung wegen der Rückgabe der Turbine an.

Schröder macht Siemens verantwortlich

Altkanzler Gerhard Schröder macht Siemens für das Fehlen der Turbine verantwortlich. "Die Turbinen, die man braucht, um das Gas überhaupt in die Pipeline zu bringen, kommen von Siemens und müssen regelmäßig gewartet werden", sagte er dem Magazin "Stern" und den Sendern RTL/ntv. "Aber Siemens hat die gerade viel debattierte Turbine aus der Wartung in Kanada nach Mülheim an der Ruhr gebracht. Warum sie dort ist und nicht in Russland, verstehe ich nicht."

Dass gegenwärtig nur ein Fünftel der normalen Gasmenge durch die Pipeline fließen - pro Tag 30 Millionen Kubikmeter - sei technisch bedingt, sagte Schröder weiter. "Es wären schon 60 Millionen, also doppelt so viel, wenn nur Turbine Nummer zwei verfügbar wäre. Das liegt in der Verantwortung von Siemens, wenn ich das richtig sehe." Schröder sprach sich zudem für eine Inbetriebnahme der neuen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ausgesprochen. Das wäre "die einfachste Lösung", sagte er.

Die Drosselung der russischen Gaslieferungen sei seiner Meinung nach nicht politisch motiviert. "Es gibt keine politische Ansage des Kreml, den Gasfluss zu drosseln. Es handelt sich hier vorwiegend um ein technisches und bürokratisches Problem, übrigens eins auf beiden Seiten. Und eine Seite schiebt der anderen den Schwarzen Peter zu." Schröder steht seit langem wegen seiner Nähe zu Putin und zur russischen Öl- und Gaswirtschaft in der Kritik.

"Sie lügen einem ins Gesicht"

Die Turbine ist nach Angaben des russischen Energiekonzerns Gazprom wichtig, um den nötigen Druck zum Durchpumpen des Gases aufzubauen. Gazprom hatte seinem Vertragspartner Siemens Energy wiederholt vorgeworfen, nicht die nötigen Dokumente und Informationen zur Reparatur der Maschine übermittelt zu haben. Siemens hat wiederholt die russische Darstellung zurückgewiesen. Der Industriekonzern selbst gibt an, die Turbine jederzeit nach Russland liefern zu können.

Nach Kremlangaben hofft Russland angesichts der gedrosselten Gaslieferungen durch die Pipeline auf eine rasche Rückkehr der reparierten Gasturbine. Die Turbine solle dann in die Gasverdichterstation Portowaja eingebaut werden, danach könnten die Arbeiten für die Wiederinbetriebnahme laufen, hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow gesagt.

Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist die Turbine seit dem 18. Juli in Deutschland. Alle Papiere lägen vor, er habe sie selber in der Hand gehabt, sagte der Grünen-Politiker. Russland aber weigere sich, die Turbine ins eigene Land zu holen. "Sie lügen einem ins Gesicht", sagte Habeck. Er sprach in diesem Zusammenhang von einer "Farce".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 03. August 2022 um 09:00 Uhr.