Reaktionen auf NRW-Wahl Das Werben um die Grünen hat begonnen
Nach der Landtagswahl in NRW werben CDU und SPD um die Grünen. Denn auch die zweitplatzierte SPD möchte weiterhin Regierungsverantwortung übernehmen. Die Grünen halten sich weiterhin bedeckt.
Einen Tag nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen sortieren sich die Parteien im Land und auf Bundesebene. Während die Grünen leise und die CDU laut jubelt, dominieren Enttäuschung und Schock die Stimmung bei SPD und FDP.
CDU erwartet schwarz-grüne Koalition
Nach dem überraschend deutlichen Wahlsieg der CDU unterstrich Wahlgewinner Hendrik Wüst seinen Anspruch auf eine Regierungsbildung. "Das Wählervotum ist eindeutig. Wir haben das Vertrauen der Menschen, auch in Zukunft eine Regierung zu bilden und anzuführen", sagte der Ministerpräsident in Berlin. Er werde nun auf alle demokratischen Parteien zugehen, "um darüber zu sprechen, wie wir die großen Fragen unserer Zeit angehen, wie wir ein Zukunftsbündnis schmieden können, das vertrauensvoll und verlässlich die großen Fragen angeht".
Auf die Frage, ob er bereits mit den Grünen, die als wahrscheinlicher Regierungspartner gelten, telefoniert habe, sagte Wüst: "Wir sind alle im gleichen Flieger gewesen." Traditionell reisen Landespolitiker am Montagmorgen nach Landtagswahlen zu den Sitzungen der Spitzengremien ihrer Bundesparteien nach Berlin.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja erwartet eine schwarz-grüne Koalition. Die CDU und die Grünen seien als klare Gewinner hervorgegangen, sagte Czaja im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Und in diese Richtung wird jetzt auch die Koalitionsbildung laufen." Wichtig sei nun, Wirtschaft und Fortschritt mit dem Thema Klima und Ökologie zu versöhnen. "Das ist die Aufgabe dieser Regierung, in so schwierigen Zeiten. In so einem Industrieland wie Nordrhein-Westfalen kann das unter der Führung von Hendrik Wüst gut gelingen."
Bei der Landtagswahl lag die CDU von Ministerpräsident Hendrik Wüst mit 35,7 Prozent der Stimmen klar vorn. Die SPD landete mit deutlichen Verlusten und 26,7 Prozent auf dem zweiten Platz.
Kutschaty will sich Option auf Ampelkoalition offenhalten
Der SPD-Spitzenkandidat bei der NRW-Landtagswahl, Thomas Kutschaty, will dennoch weiterhin Regierungsverantwortung übernehmen. "Wir jedenfalls stehen auch bereit für Gespräche", sagte Kutschaty dem WDR. Zwischen den Grünen und der SPD gebe es "viele große Schnittmengen", und zwar mehr als mit der CDU.
Selbstverständlich liege aber der erste Aufschlag bei der Union, zu Sondierungsgesprächen einzuladen, sagte Kutschaty bei ntv. Es sei aber "nicht ausgemacht", dass sich CDU und Grüne auf eine Koalition einigen könnten. Die Grünen sind die zweiten Wahlsieger vom Sonntag. Sie kamen auf 18,2 Prozent. Aber: Beide Parteien hätten bei wichtigen Themen zuletzt "weit, weit auseinander" gelegen.
In dem Fall stehe die SPD bereit. Mit Blick auf eine mögliche Ampelkoalition in Düsseldorf räumte Kutschaty allerdings ein, dass Dreierbündnisse schwerer zu schmieden seien als Zweierbündnisse. Da mache er sich "nichts vor".
Kühnert: Unter unseren Erwartungen geblieben
Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert will die Hoffnung auf eine SPD-geführte Regierung in NRW noch nicht aufgeben. "Ich muss feststellen, dass Herr Wüst ausschließlich mit Parteien eine Mehrheit bilden kann, die ihn fünf Jahre leidenschaftlich aus der Opposition heraus kritisiert haben, für zu wenig Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien, für zu wenig Engagement beim bezahlbaren Wohnen, für zu hohe Kita-Gebühren und vieles andere mehr, sagte der SPD-Generalsekretär.
Kühnert bemühte sich, die Ursachen für schwache Abschneiden der Sozialdemokraten nicht automatisch auf der Bundesebene zu suchen: "Ich würde mich nicht auf die These einlassen, dass dieses Landtagswahlergebnis jetzt eine Bestätigung oder Widerlegung der Politik der Bundesregierung wäre", sagte Kühnert dem BR.
Er räumte aber ein, dass es im Wahlkampf sehr viel um die globale Lage und wenig um Landespolitik gegangen sei. "Wir sind unter unseren, auch eigenen Erwartungen geblieben", sagte Kühnert. Vor allem bei jungen Menschen habe die SPD nicht so stark abgeschnitten, wie er sich das gewünscht hätte.
Die Grünen halten sich bedeckt
Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katharina Dröge, ließ noch keine Vorliebe für eine bestimmte Koalition erkennen. Die Grünen würden nun "mit allen demokratischen Parteien sprechen", sagte Dröge im Deutschlandfunk. Entscheidend seien Themen wie Klimaschutz und Verkehrswende.
An die Adresse des CDU-Ministerpräsidenten fügte sie hinzu: "Hendrik Wüst muss sich auf jeden Fall verabschieden von einer Politik, die auf das Ausbremsen der Energiewende setzt." Dröge sagte zu den Spekulationen über die künftige Koalition in Düsseldorf: "Wir regieren ja auf Landesebene in sehr unterschiedlichen Konstellationen. Und am Ende kommt es wirklich darauf an, was man in Verhandlungen rausholt."
FDP: "Ampel steht nicht zur Debatte"
Derweil ist die Enttäuschung bei der FDP groß. Die bisherige Regierungspartei erreichte laut vorläufigem Endergebnis nur noch 5,9 Prozent der Stimmen und verlor somit 6,7 Prozentpunkte.
Obwohl eine Ampel-Koalition rechnerisch möglich ist, geht der FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp fest von einer Koalition aus CDU und Grünen aus. Auf die Frage nach den Chancen einer Koalition aus SPD, Grünen und FDP sagte Stamp im WDR: "Die Frage stellt sich nicht, es wird jetzt Schwarz-Grün."
Die CDU werde "für den Ministerpräsidentenposten im Zweifelsfall sämtliche Inhalte preisgeben", sagte der Liberale. Es brächte zwar nie etwas, eine Zusammenarbeit grundsätzlich auszuschließen. Eine Ampel stehe aber nicht zur Debatte, "weil es sowieso Schwarz-Grün geben wird". Auf die Frage, ob er an Rücktritt gedacht habe, sagte der Landesvorsitzende, daran habe er "im Moment nicht dran gedacht".
"Das war ein sehr trauriger Tag gestern und auch heute der Tag fühlt sich nicht besser an", sagte FDP-Generalsekretär Djir-Sarai im Morgenmagazin. Der FDP sei es nicht gelungen, die Handschrift der Partei in der Arbeit der schwarz-gelben Regierungskoalition sichtbar zu machen. Deshalb sei es nicht gelungen, "die gute Regierungsarbeit in NRW in Wählerstimmen umzuwandeln", sagte Djir-Sara.
Auf die Arbeit der Ampel-Koalition in Berlin sieht der Generalsekretär aber keine Auswirkungen. "Auch Bundespolitik spielte eine Rolle, aber letztendlich ist das eine Landtagswahl gewesen." Die FDP auf Bundesebene sei "sehr stabil" und die Arbeit der Koalition "funktioniert", so Djir-Sarai.
AfD: "Haben Federn gelassen"
Am rechten Rand musste die AfD erneut Verluste hinnehmen, sie schaffte es mit 5,4 Prozent aber noch knapp in den Landtag. AfD-Spitzenkandidat Markus Wagner sieht auch die niedrige Wahlbeteiligung als Grund für das schlechte Abschneiden. "Natürlich hätten wir uns ein besseres Ergebnis gewünscht", sagte Wagner in Berlin. "Wir haben in Saldo nicht viele Stimmen an die anderen Parteien verloren, aber die niedrige Wahlbeteiligung hat uns natürlich auch geschadet." Man habe "Federn gelassen". Er sei aber froh darüber, den Landtag wieder erreicht zu haben.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla lobte die "Geschlossenheit der Partei". Diese habe sich im Wahlkampf ausgezeichnet "und hat gezeigt, dass wir wieder in den Landtag einziehen konnten". Gleichwohl sei die Partei mit dem Ergebnis "alles andere als zufrieden". Vor allem, weil die AfD viele Wähler der Landtagswahl von 2017 wieder an die Nichtwähler verloren habe. Es sei nun an der Partei, die Gründe aufzuarbeiten.