Reaktionen auf NRW-Wahl Scholz hofft weiter auf die Ampel
Die SPD hat bei der NRW-Wahl historisch schlecht abgeschnitten - die Hoffnung auf eine Ampel in Düsseldorf gibt Kanzler Scholz dennoch nicht auf. Die CDU sieht sich im Aufwind - und bekräftigte noch einmal den Anspruch auf die Regierungsbildung.
Das Ergebnis der Landtagswahl ist für die SPD einigermaßen desaströs - nur historisch schlechte 26,7 Prozent schafften die Sozialdemokraten in ihrer einstigen "Herzkammer". Bundeskanzler Olaf Scholz hofft allerdings trotzdem auf eine SPD-geführte Regierung in Düsseldorf. "Die Parteien, die in Berlin, hier in Deutschland die Bundesregierung stellen, haben eine Mehrheit im Landtag. Vielleicht ergibt sich daraus ja auch was", sagte Scholz in der Sendung "RTL Direkt".
Zwar räumte er ein, dass das SPD-Ergebnis weit hinter der CDU bedauerlich sei: "Wir hätten uns alle gemeinsam ein besseres Ergebnis in Nordrhein-Westfalen gewünscht" - aber es sei ja in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder vorgekommen, dass nicht die stärkste Kraft den Regierungschef stellt. "Insofern wäre es jetzt verwunderlich, wenn man sagen würde, das kann gar nicht der Fall sein", so Scholz.
Für Gespräche über eine mögliche Ampel in Düsseldorf steht auch NRW-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty zur Verfügung: "Das Erstvorschlagsrecht liegt beim Wahlgewinner". Gleichwohl stehe die SPD für Gespräche über eine Ampel bereit. Eine große Koalition von CDU und SPD stehe für ihn allerdings nicht auf Platz eins seines "Wunschzettels".
Die Rolle der Bundespolitik
In den vergangenen Wochen war die Kritik an der Ampel und vor allem an Kanzler Scholz immer lauter geworden. Vor allem Unstimmigkeit innerhalb der Ampel über den Ukraine-Kurs - schwere Waffen Ja oder Nein?, Scholz-Besuch im Kiew? - kosteten die SPD Zustimmung. Davon, dass seine Rolle und die Politik der SPD für das desaströse Abschneiden in Nordrhein-Westfalen verantwortlich sein könnte, wollte Scholz aber nichts wissen: Er habe im Wahlkampf "ganz tief gespürt", dass der Kurs der Bundesregierung "von einer großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unterstützt wird". Das gelte insbesondere im Hinblick auf die Frage des Ukraine-Krieges.
Ähnlich hatte sich nur Stunden zuvor SPD-Chef Lars Klingbeil geäußert: Statt den Kurs zu ändern, müsse die SPD ihre Politik künftig besser kommunizieren. Die Ampel-Koalition habe viele gute Maßnahmen auf den Weg gebracht. Nun gehe es darum, "dass wir das, was wir Gutes tun, auch stärker kommunizieren. Das ist für mich die Lehre."
Merz sieht CDU auf Erfolgsspur
Die CDU sieht sich dagegen nach ihrem NRW-Triumph, dem am Sonntag zuvor schon ein großen Erfolg in Schleswig-Holstein vorangegangen war, auch bundesweit wieder in der Erfolgsspur. "Seit dem gestrigen Tag ist die CDU wieder zurück auf Platz eins unter den deutschen Parteien", sagte Parteichef Friedrich Merz. Er wies darauf hin, dass rund jeder fünfte Wähler bundesweit im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW lebe. Wer dort Wahlen gewinnen könne, könne das auch in ganz Deutschland.
Merz erklärte, es handele sich vor allem um einen Wahlsieg von Ministerpräsident Wüst und der nordrhein-westfälischen CDU. Natürlich habe aber auch die Bundespolitik eine Rolle gespielt - "bei der SPD ausgesprochen negativ". Diese habe flächendeckend auf Plakaten mit Scholz geworben, der auch viele Wahlkampftermine absolviert habe. Herausgekommen sei das schlechteste SPD-Ergebnis in Nordrhein-Westfalen nach dem Zweiten Weltkrieg, sagte Merz. "Das Wahlergebnis ist eine ganz klare Antwort auch an die Bundesregierung und insbesondere an den Bundeskanzler."
Wüst will Regierung "auf Augenhöhe"
Auch Ministerpräsident Hendrik Wüst gab sich heute entsprechend selbstbewusst: "Das Wählervotum ist eindeutig. Wir haben das Vertrauen der Menschen, auch in Zukunft eine Regierung zu bilden und anzuführen", sagte Wüst vor den Beratungen der CDU-Spitzengremien.
Wüst kündigte die Bildung einer neuen Regierung "auf Augenhöhe" an. Zentrale Frage sei die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Die "Augenhöhe" hatte gestern die Grünen - die ebenfalls massiv Stimmen gewinnen konnten - gefordert. Wüst aber wollte sich noch nicht festlegen, mit wem er künftig regieren möchte. Er werde "auf alle demokratischen Parteien, die im Landtag vertreten sind", zugehen. Erste Gespräche würden "in den kommenden Tagen" geführt.
Die CDU hatte laut vorläufigem Ergebnis die Wahl mit 35,7 Prozent der Stimmen gewonnen. Die SPD stürzte auf ein Rekordtief von 26,7 Prozent ab. Die Grünen wiederum verbuchten ein Rekordhoch von 18,2 Prozent. Die FDP sackte auf 5,9 Prozent ab, die AfD verlor ebenfalls und kam auf 5,4 Prozent.
Die Grünen haben die Qual der Wahl
Klar ist, die ganz großen Wahlgewinner sind die Grünen. An ihnen wird in den kommenden Tagen und Wochen wohl kein Weg vorbeiführen: Wer in Nordrhein-Westfalen regieren will, wird mit der Grünen-Landeschefin Mona Neubaur verhandeln müssen. Im Vergleich zur Landtagswahl 2017 konnte die Partei ihr Wahlergebnis fast verdreifachten.
"Wir sind so stark, dass eine Regierungsbildung um uns herum, beziehungsweise ohne die Grünen nicht möglich sein wird", sagte Neubaur in Berlin. Die Partei stehe für Gespräche mit der CDU, "aber auch mit den anderen demokratischen Parteien, SPD und FDP bereit." Es gebe keine Automatismen für eine bestimmte Koalition, und es werde auch nichts ausgeschlossen. Am Abend werde der Landesvorstand über die nächsten Schritte beraten.
Auch die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katharina Dröge, ließ noch keine Vorliebe für eine bestimmte Koalition erkennen. "Am Ende kommt es wirklich darauf an, was man in Verhandlungen rausholt". Entscheidend seien Themen wie Klimaschutz und Verkehrswende.
An die Adresse des CDU-Ministerpräsidenten sagte Dröge: "Hendrik Wüst muss sich auf jeden Fall verabschieden von einer Politik, die auf das Ausbremsen der Energiewende setzt." Dröge sagte zu den Spekulationen über die künftige Koalition in Düsseldorf: "Wir regieren ja auf Landesebene in sehr unterschiedlichen Konstellationen. Und am Ende kommt es wirklich darauf an, was man in Verhandlungen rausholt."
FDP: "Ein ausgesprochen bitterer Abend"
Die großen Verlierer der Wahl sind die bisher mitregierenden Liberalen. FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp sprach von einem "ausgesprochen bitteren Abend" und sagte voraus: "Wir werden jetzt in Nordrhein-Westfalen eine schwarz-grüne Koalition bekommen. Es ist klar erkennbar, dass die CDU bereit sein wird, auch für die Wahl des Ministerpräsidenten viele Inhalte zu opfern." Es gebe einen "klaren Regierungsauftrag für CDU und Grüne".
FDP-Chef Christian Lindner sagte: "Die Ampel ist gut für das Land, denn es gibt auch keine handlungsfähige stabile Alternative." Die FDP müsse zwar ihre Probleme aufarbeiten. Im Zentrum stehe aber das Regierungshandeln. "Wir haben gegenwärtig keine Zeit und keinen Raum, uns vertieft mit uns selbst zu beschäftigen, solange es Krise und Krieg gibt", sagte Lindner. "Im Zentrum steht jetzt das Land und nicht kleine oder größere Geländegewinne für die FDP." Die Ampel sei zwar nie der "politische Wunschtraum" der FDP gewesen. Die Liberalen seien aber "vertragstreu".
FDP-Chef Lindner sieht für die Verluste auch auch bundespolitische Gründe. Zu dem "dramatischen Einbruch" bei den über 60-jährigen Wählern habe die große Unzufriedenheit mit der Energiepreispauschale beigetragen, sagte Lindner in Berlin.
AfD: "Haben Federn gelassen"
Am rechten Rand musste die AfD erneut Verluste hinnehmen, sie schaffte es mit 5,4 Prozent aber noch knapp in den Landtag. AfD-Spitzenkandidat Markus Wagner sieht auch die niedrige Wahlbeteiligung als Grund für das schlechte Abschneiden. "Natürlich hätten wir uns ein besseres Ergebnis gewünscht", sagte Wagner in Berlin. "Wir haben in Saldo nicht viele Stimmen an die anderen Parteien verloren, aber die niedrige Wahlbeteiligung hat uns natürlich auch geschadet." Man habe "Federn gelassen". Er sei aber froh darüber, den Landtag wieder erreicht zu haben.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla lobte die "Geschlossenheit der Partei". Diese habe sich im Wahlkampf ausgezeichnet "und hat gezeigt, dass wir wieder in den Landtag einziehen konnten". Gleichwohl sei die Partei mit dem Ergebnis "alles andere als zufrieden". Vor allem, weil die AfD viele Wähler der Landtagswahl von 2017 wieder an die Nichtwähler verloren habe. Es sei nun an der Partei, die Gründe aufzuarbeiten.