Opfer-Angehörige sagen im NSU-Prozess aus "Die Familie war zweimal Opfer"
Im NSU-Prozess haben Tochter und Ehefrau des ermordeten Dortmunder Kioskbesitzers Kubasik ausgesagt. Sie schilderten die Zeit der Verdächtigungen während der Ermittlungen. Eine Zeugin sah vor dem Mord zwei Männer in der Nähe des Kiosks.
Die Erleichterung war Gamze Kubasik nach ihrer Zeugenaussage deutlich anzumerken. Nur wenige Meter von den Angeklagten zu sitzen und darüber zu berichten, wie der Mord an ihrem Vater ihr Leben und das ihrer Familie veränderte, war schwer für die 28-Jährige. Souverän erzählte sie zunächst vom Tagesablauf ihres Vaters Mehmet Kubasik. Wie er meist am Vormittag den Dienst im Kiosk der Familie in der Dortmunder Nordstadt übernahm. Dort traf er dann im April 2006 auch auf seine Mörder, die den dreifachen Familienvater mit mehreren Schüssen töteten.
Die Ermittler konzentrierten sich danach auf das Umfeld des Opfers - die Folge waren Gerüchte in der Nachbarschaft und in der Schule. Die Familie habe darunter so sehr gelitten, dass sie sich teils kaum noch vor die Tür traute, schilderte Gamze Kubasik im Gerichtssaal und auch nach ihrer Aussage. Es habe jahrelang ein falsches Bild von ihrem Vater gegeben und es sei ihr sehr wichtig gewesen, nochmal als Tochter zu sagen, "dass mein Vater ein sehr guter Mensch und ein sehr guter Familienvater war".
"Das war völliger Quatsch"
Die falschen Verdächtigungen der Ermittler hatten für die trauernden Angehörigen über Jahre massive Folgen, erzählt der Anwalt Sebastian Scharmer, der die Familie im Prozess als Nebenkläger vertritt: "Die Familie Kubasik ist zweimal Opfer geworden: Erst wurde ihnen der Vater und Ehemann genommen, und dann wurden sie von der anderen Seite, von den Ermittlungsbehörden über sechs Jahre lang verfolgt: Als Mafia-Angehörige, als Drogenhändler", erzählt Scharmer. "Dann wurden Eheprobleme konstruiert, es wurde eine Geliebte konstruiert, Gamze Kubasik wurde nach einem vermeintlich geheimen Freund gefragt - all das war völliger Quatsch."
Gamze Kubasiks Mutter Elif wurde nach der Tat jahrelang von Angstzuständen geplagt. Ihren Ehemann beschrieb sie nun als Zeugin im NSU-Prozess als einen, den alle mochten. "Durch seinen Tod sind alle unsere Träume zerbrochen", sagte die 49-Jährige, hörbar um Fassung bemüht. Sie hatte der Polizei bereits kurz nach der Tat gesagt, die Mörder könnten Neonazis sein. Die Ermittler hätten diesen Hinweis aber nicht ernst genommen, klagte Elif Kubasik.
Zeugin sah zwei Männer nahe des Tatortes
Nach ihr erklärte eine Zeugin, sie habe kurz vor dem Mord zwei Männer nahe des Tatortes gesehen. Heute gehen die Ermittler davon aus, dass der NSU die Bluttat beging, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos Mehmet Kubasik ermordeten. Warum die Polizei einen rechtsextremen Hintergrund damals ausschloss, will Opferanwalt Scharmer die zuständigen Beamten am Mittwoch fragen, wenn sie als Zeugen kommen. "Und wir werden nachfragen, warum diesen Spuren damals nicht nachgegangen worden ist", sagt er.
Außerdem gebe es noch mehrere andere Spurenansätze in Dortmund, "die relativ klar Hinweise auf ein rechtes Tatmotiv gegeben haben, die komplett ignoriert wurden. Stattdessen wurde im Trüben gefischt", so Scharmer. Er und seine Mandantin Gamze Kubasik halten es für möglich, dass der NSU beim Mord an Mehmet Kubasik aus der sehr aktiven Dortmunder Neonazi-Szene heraus unterstützt wurde.