Neue Corona-Variante Wie die Politik auf Omikron reagieren will
Immer mehr Menschen infizieren sich mit Corona. Die Omikron-Variante verschärft die Lage. Wie reagiert die Politik? Muss das Infektionsschutzgesetz erneut geändert werden? Was wollen Bund und Länder? Ein Überblick.
Wie reagiert die Bundespolitik auf die Corona-Zahlen und die neue Variante Omikron?
Die Infektionszahlen steigen weiter rapide, jetzt kommt auch noch die neue Omikron-Variante hinzu: Der Handlungsdruck der Politik wird immer größer. Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder wollen nun schon morgen mit der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel und dem wohl künftigen Kanzler Olaf Scholz über die Corona-Krise beraten. Bei der für 13 Uhr angesetzten telefonischen Abstimmung soll auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Bundesnotbremse besprochen werden. Karlsruhe will am Morgen erstmals zu Ausgangs- sowie Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen unter der Bundesnotbremse in der Hauptsache entscheiden.
Bisher war eine Bund-Länder-Runde für den 9. Dezember geplant. Ein Termin, der von vielen Seiten als zu spät kritisiert wurde. Die Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock sagte in der ARD-Sendung Anne Will: "Wir können nicht bis zum 9. warten." Sollten die Länder nicht die notwendigen Maßnahmen umsetzen, müsse auf Bundesebene gehandelt werden.
Auch der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte in der Sendung ein schnelleres Treffen der Spitzen von Bund und Ländern gefordert. Es müsse zudem umgehend zu Kontakteinschränkungen kommen. Für weitere Kontaktbeschränkungen sprachen sich außerdem die designierte neue Bundesfamilienministerin Anne Spiegel von den Grünen, sowie FDP-Chef Christian Lindner aus. Lindner, der in der kommenden Regierung Bundesfinanzminister werden soll, betonte, dass noch diese Woche einen Krisenstab geben werde mit einem deutschen General an der Spitze.
Nach den Worten des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach will die Ampel-Koalition die Corona-Maßnahmen kurzfristig verschärfen. Es werde "noch in dieser Woche" entsprechende Vorschläge geben, kündigte Lauterbach im Fernsehsender Phoenix an. Angesichts hoher Infektionszahlen ist nach Lauterbachs Einschätzung eine Schließung von Bars, Clubs und Diskotheken unumgänglich.
Wie reagieren die Länder?
Auch viele Länderchefs dringen auf mehr Kontaktbeschränkungen und mehr Anstrengung bei der Impfkampagne. Einige Ländern planen weitere Maßnahmen. So bereitet Nordrhein-Westfalen weitere Verschärfungen vor. Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Regierungskreisen erfuhr, wird das Landeskabinett morgen über weitere kontaktreduzierende Maßnahmen beraten. Dabei soll insbesondere um Großveranstaltungen und weitere Orte mit besonderem Infektionsrisiko gehen.
Auch die Kabinette von Bayern und Sachsen wollen dann gemeinsam über die aktuelle Corona-Lage beraten. Nach der Auffassung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ist die besten Strategie gegen die neuartige Omikron-Variante "boostern, boostern, boostern". Er forderte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF eine Gesetzesänderung, um Apotheker, Pflegekräfte sowie alle Ärzte an der Impfkampagne beteiligen zu können. Dadurch werde das Boostern "einen neuen Schub bekommen". Zugleich sprach er sich für Kontaktbeschränkungen auf nationaler Ebene aus.
Auch die saarländische Landesregierung plant Verschärfungen der Corona-Maßnahmen. Das kündigte Ministerpräsident Tobias Hans in seiner Regierungserklärung an. Massive Beschränkungen soll es für Ungeimpfte geben. Die aktuelle Lage sei eine "extreme Herausforderung", ergänzte Hans mit Blick auf Omikron.
Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha erwartet weitere Verschärfungen in seinem Bundesland. Kontakte müssten um 70 bis 90 Prozent zurückgefahren werden, um Krankenhäuser nicht weiter zu überlasten, sagte er im Deutschlandfunk. Unter anderem könnten Großveranstaltungen abgesagt werden. Lucha fordert zudem die erst vor kurzem ausgelaufene "epidemische Lage nationaler Tragweite" noch in den kommenden Tagen zurück, um in der Corona-Lage über schärfere Maßnahmen entscheiden zu können.
Wer kann was beschließen?
Die Ampel-Parteien hatten die epidemische Lage von nationaler Tragweite am 25. November auslaufen lassen und dafür das Infektionsschutzgesetz mit ihrer neuen Mehrheit im Bundestag reformiert. Die Länder können künftig keine Lockdowns, flächendeckende Schulschließungen und Ausgangssperren mehr verhängen. Übergangsregeln laufen bis zum 15. Dezember.
Politiker der SPD, Grünen und vor allem FDP verweisen vor diesem Hintergrund auf die Verantwortung der Länder. Diese könnten sehr viel mehr Maßnahmen wie 2G, 2G-plus oder 3G umsetzen und auch Kontaktbeschränkungen verhängen. FDP-Chef Lindner lehnt deshalb härtere Maßnahmen ab, denn die Bundesländer hätten "noch nicht alle bestehenden Möglichkeiten genutzt", die es zur Eindämmung des Virus gebe.
Bund und Länder könnten bei einem Treffen drastische Kontaktbeschränkungen beschließen. Ob die Länder sich auf strikte Maßnahmen einigen können, ist aber unklar. "Ein Lockdown durch Absprachen unter den Ländern ist unter diesen Rahmenbedingungen kein realistisches Szenario", sagte etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff dem "Spiegel".
Die Ampel-Parteien könnten auch erneut das Infektionsschutzgesetz ändern, wie unter anderem von den Gesundheitsministern der Länder gefordert. Das wollen die Ampel-Parteien eigentlich verhindern, zumindest der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen wirbt aber für eine Korrektur. "Die aktuelle Notlage ist sehr besorgniserregend. Es war und ist völlig klar, dass die beschlossenen Änderungen im Infektionsschutzgesetz allenfalls ein erster Schritt sein können", sagte er der "Rheinischen Post". Ohne Details zu nennen, twitterte auch der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz am Samstag: "Wir werden alles tun, was nötig ist. Es gibt nichts, was nicht in Betracht gezogen werden kann."
Was fordern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die Physikerin Viola Priesemann vom Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation fordern eine rechtliche Grundlage für eine Art Not-Schutzschalter und andere weitreichende Maßnahmen. "Gerade in Hinblick auf die neue Omikron-Variante ist eine solche Vorsorge dringend erforderlich", heißt es in der Stellungnahme. Die juristischen Voraussetzungen dafür müssten schnellstmöglich geschaffen werden. "Das Regelwerk sollte für alle Bundesländer gleichartig sein, um klare Kommunikation und Planbarkeit zu ermöglichen."
Neben dem Notfall-Maßnahmenbündel solle die Kontaktnachverfolgung bei Menschen mit Omikron-Infektion "aktuell absolute Priorität" haben. Hierfür sollten ausreichend Personal und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Nötig sei auch eine systematische genomische Erfassung.
Nach Auffassung vieler Wissenschaftlerinnen erhöht Omikron die Wichtigkeit von Impfungen und Kontaktbeschränkungen. Um die weitere Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante und der möglicherweise noch ansteckenderen Omikron-Variante einzudämmen, fordern die Gesellschaft für Virologie (GfV) und die Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI) umfassende Kontaktbeschränkungen und die Erhöhung der Impfquote, gegebenenfalls durch Einführung einer Impfpflicht, sowie konsequente Auffrischungsimpfungen.
Welche Maßnahmen wurden schon eingeleitet?
Der Flugverkehr und Reisen sind die wesentlichen Verbreitungswege für Viren. Wie zahlreiche andere Länder hat auch die Bundesregierung mit Reisebeschränkungen reagiert. Die Einreise aus acht Ländern im südlichen Afrika ist drastisch eingeschränkt. Südafrika, Namibia, Simbabwe, Botsuana, Mosambik, Eswatini, Malawi und Lesotho sind seit Sonntag als Virusvariantengebiete eingestuft.
Fluggesellschaften dürfen im Wesentlichen nur noch deutsche Staatsbürger oder in Deutschland lebende Personen von dort nach Deutschland befördern. Für Einreisende gilt eine zweiwöchige Quarantänepflicht, die nicht durch negative Tests verkürzt werden kann - auch für Geimpfte und Genesene.