Gesetz gegen "Gehsteigbelästigung" Schutz vor radikalen Abtreibungsgegnern
Immer wieder protestieren radikale Abtreibungsgegner in der Nähe von Beratungsstellen. Künftig sollen Frauen davor besser geschützt werden. Das Kabinett hat ein Gesetz gegen die sogenannte Gehsteigbelästigung gebilligt.
Wer in Deutschland einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen will, muss sich zuvor beraten lassen. Dafür gibt es Beratungsstellen, zum Beispiel von Pro Familia oder der Evangelischen Kirche. Doch diese Stellen werden von Gegnerinnen und Gegnern eines Schwangerschaftsabbruchs in einigen deutschen Städten regelrecht belagert.
So zumindest empfinden es diejenigen, die dort hingehen, und auch die, die dort arbeiten. Denn die Demonstranten rufen laut, halten große Kreuze und Fotos von Embryos hoch. Vielfach wird in diesem Zusammenhang von "Gehsteigbelästigung" gesprochen.
Bisher gab es Gerichtsurteile, die befanden, dass die betroffenen Frauen, das aushalten müssten, weil - so die Argumentation der Gerichte - das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit höher zu bewerten sei als das Recht der Frauen, unbelästigt zur Beratungsstelle zu gelangen. Die Frauen müssten das, einfach ausgedrückt, eben aushalten.
Paus: "Wir stärken die Rechte von Schwangeren"
Das Kabinett hat nun eine Entscheidung getroffen, die schwangere Frauen vor diesen Belästigungen schützen soll. Ein Gesetzentwurf von Familienministerin Lisa Paus wurde beschlossen. Die Grünen-Politikerin hofft, dass das Gesetz noch im Sommer durch den Bundestag geht. Danach sollen diese Demos innerhalb eines gewissen Radius in Zukunft untersagt sein.
Schwangere dürften dann in Hör- und Sichtweite nicht mehr gegen ihren Willen angesprochen werden. Geschieht dies doch, wäre es eine Ordnungswidrigkeit und könnte mit maximal 5.000 Euro bestraft werden.
"Wir stärken die Rechte von Schwangeren und gehen einen wichtigen Schritt für die Selbstbestimmung der Frau", sagt Paus. "Hier hat Meinungsfreiheit ihre Grenzen, auch im Sinne des Schutzes des werdenden Lebens, der durch die ergebnisoffene Schwangerschaftskonfliktberatung gewährleistet wird."
"Verstörende und unangenehme Präsenz"
Pro Familia setzt sich schon seit Jahren für die Einrichtung von Schutzzonen vor Beratungsstellen ein. "Der geschützte und unbehelligte Beratungsrahmen ist für Menschen, die die psychosoziale Beratung aufsuchen, zentral", erklärt die Bundesvorsitzende Monika Börding.
Eine Beraterin beschreibt die Wirkung der Demos so: "Ungewollt Schwangere und andere Hilfesuchende auf dem Weg zu einer Beratung nehmen die Präsenz als verstörend und unangenehm wahr. Sie können sich nicht der Beeinflussung und der Konfrontation mit Abtreibungsgegnerinnen und -gegnern entziehen."
Bis jetzt fehlt aber ein bundesweites Gesetz. Einige Gruppen der Abtreibung-Gegnerinnen und -Gegner demonstrieren über Wochen täglich vor den Beratungsstellen, was eine neutrale Atmosphäre kaum möglich macht. Doch eine neutrale Beratungssituation steht den Frauen gesetzlich zu.
Versorgungssituation hat sich verschlechtert
Aber die Proteste richten sich nicht nur gegen die schwangeren Frauen und ihre Partner. Vielfach werden auch Praxen belagert, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Viele Mediziner wollen sich und ihre Mitarbeitenden nicht dem Zorn direkt vor der Eingangstür zu ihrer Praxis aussetzen.
Das Problem sieht auch Ministerin Paus: "Natürlich ist das nichts, was ein Mensch haben möchte, dass er auch selber und seine Beschäftigten durch einen Spießrutenlauf gehen muss."
Auch das gilt als einer der Gründe, warum in den vergangenen Jahren immer weniger Ärztinnen und Ärzte überhaupt Schwangerschaftsabbrüche durchführen. In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Versorgung mit entsprechenden Praxen in Deutschland verschlechtert. In einigen Regionen so drastisch, dass die betroffenen Frauen weite Wege - teilweise in andere Bundesländer - in Kauf nehmen müssen, um zu einer entsprechenden Praxis zu kommen.
Um sich vorab zu informieren, gibt es seit einigen Jahren eine Liste der Bundesärztekammer mit den Praxen, die in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Von den etwa 19.000 praktizierenden Frauenärztinnen und -ärzten sind auf dieser Liste aktuell 380 eingetragen.