Pro und Contra Sinnvoll oder grundgesetzwidrig?
Philipp Wundersee findet die heiß diskutierte Idee einer Dienstpflicht sinnvoll - er ist dafür. Juliane Fliegenschmidt sagt hingegen, so etwas brächte niemandem etwas - sie ist dagegen.
Pro: Es stärkt den Zusammenhalt in der Gesellschaft
Eine Dienstpflicht für junge Menschen wäre sinnvoll, da sie helfen würde, den eigenen Horizont zu erweitern. Wenn sich junge Menschen für einen begrenzten Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen, gewinnt dadurch nicht nur das Land, sondern auch jeder Mensch selbst. Er wird in der Zeit seine Persönlichkeit weiterentwickeln. Gerade die "Generation Selfie" wird so angeleitet, den Blick weg vom Handy auf die Gesellschaft zu richten.
Viele junge Menschen stehen nach der Schulzeit vor grundsätzlichen Entscheidungen. Ein Dienst wird helfen, sich am Ende besser zu orientieren. Das Problem ist doch, dass viele Berufseinsteiger häufig noch wenig Lebenserfahrung haben. Warum also nicht in der Pflege, im Kulturverein, bei der Feuerwehr oder dem Kindergarten aushelfen? Der Dienst wird ein Verständnis dafür schaffen, wie es anderen Menschen geht, die andere Voraussetzungen haben als man selbst. Das Grandiose an dieser Idee: Am Ende stärkt es den Zusammenhalt in einer Gesellschaft, die auseinanderdriftet.
Eine prägende Erfahrung
Es ist kein Opfer, das die Jugendlichen bringen müssen. Es ist eine prägende Erfahrung, von der sie noch lange zehren werden. Ich habe fast ein Jahr damit verbracht, hilfebedürftigen Menschen zu unterstützen. Dabei habe ich viel von ihnen lernen können und auch eine Menge über mich erfahren. Also: Ran an solche Projekte und raus aus der gewohnten Umgebung!
Eine gut organisierte Dienstpflicht kann aus dem Dilemma führen, dass wir zu wenig Personal in der Pflege und der Kinderbetreuung haben. Kurzfristig hat man wieder mehr Personal in Altenheimen und Kindergärten. Langfristig wird bei den jungen Menschen ein Bewusstsein für die Aufgaben in der Pflege geschaffen. Diese Chance sollten wir uns weder für die Gesellschaft noch für die vielen jungen Menschen verbauen.
Contra: Zwang und soziales Engagement passen nicht zusammen
Darf der Staat Engagement erzwingen? Nein. Das passt nicht zu unserer freiheitlichen Gesellschaft. Schon die seit 2011 abgeschaffte Wehrpflicht war ein großer Eingriff in das Leben Hunderttausender junge Männer einer Generation. Aber das war im Sinne der Landesverteidigung mit dem Grundgesetz zu machen. Ein verpflichtender Einsatz aller fürs Soziale wäre aber mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar. Dafür müsste der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit das Grundgesetz ändern.
Und wem in unserer Gesellschaft brächte das denn tatsächlich etwas? Den gezwungenen jungen Menschen? Wohl nur den wenigsten. Solidarität und Gemeinsinn kann man nicht erzwingen. Die meisten würden frustriert und im besten Falle lustlos das Jahr abreißen. Und das wiederum würde dann auch den Einrichtungen und vor allem den - sagen wir mal - Pflegebedürftigen kaum etwas nutzen.
In der Pflege braucht es Fachpersonal
Gegen den Pflegenotstand bringt das sowieso nichts. Hier braucht es vor allem mehr ausgebildete Pflegerinnen und Pfleger - also Fachpersonal. Dafür müsste die Politik den Beruf attraktiver machen. Und um jungen Menschen den Weg in eine entsprechende Ausbildung schmackhafter zu machen, könnte vielleicht eine Aufwertung des Bundesfreiwilligendienstes helfen, aber bestimmt kein Zwang. Und so kritisieren auch fast alle großen Sozialverbände - von der Caritas bis zur AWO - die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht.
Und die Bundeswehr? Würde sie von einer Wiedereinführung der Wehrpflicht profitieren? Nein. Sie wurde seit 2011 mit großem Aufwand zu einer professionellen, modernen Armee von Berufssoldaten umgebaut. Und das sollte sie auch bleiben - und nicht mit den hohen Kosten für die Wiedereinführung der Wehrpflicht belastet werden.