Katalonien-Konflikt Liefert Deutschland Puigdemont aus?
Die Justiz in Schleswig-Holstein entscheidet über eine Auslieferung des katalanischen Ex-Regionalpräsidenten nach Spanien. Puigdemont war gestern bei der Einreise aus Dänemark festgenommen worden.
Nach seiner Festnahme wird der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont in Schleswig Holstein heute einem Amtsrichter vorgeführt. Dieser soll jedoch zunächst nur die Identität des Politikers feststellen.
In der Frage, ob Puigdemont in Auslieferungshaft kommt und spanischen Behörden übergeben werden soll, muss das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht entscheiden. Dieses prüft anhand von Spanien vorzulegender Unterlagen.
Die spanische Generalstaatsanwaltschaft erklärte, sie stehe in Kontakt mit ihren deutschen Amtskollegen, um eine Auslieferung Puigdemonts zu erwirken. In Spanien droht dem Katalanen wegen Vorwürfen der Rebellion und anderer Vergehen jahrzehntelange Haft.
Fünf Monate nach Flucht festgenommen
Fünf Monate nach seiner Flucht aus Spanien war Puigdemont gestern von der deutschen Polizei festgenommen worden. Der Unabhängigkeitsbefürworter wurde am Sonntagmorgen auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls nahe der A7 auf dem Weg von Dänemark nach Deutschland in Gewahrsam genommen.
Was genau in dem neuen europäischen Haftbefehl steht, war am Sonntag noch nicht bekannt. Der größte spanische Radiosender Cadena Ser berichtete, maßgeblich für Deutschland als Festnahmeort sei unter anderem Paragraf 82 des Strafgesetzbuches zum "Hochverrat gegen ein Land", der dem Vorwurf der Rebellion in Spanien ähnlich sei. Rebellion ist in Deutschland kein Straftatbestand.
In Finnland Parlamentsabgeordnete getroffen
Ein europäischer Haftbefehl ist eine Eilsache. Wird ein Gesuchter festgenommen, soll eine Entscheidung über die Vollstreckung innerhalb von zehn bis 60 Tagen erfolgen - je nachdem, ob der Betroffene seiner Auslieferung zustimmt oder nicht. Der europäische Haftbefehl - abgekürzt EuHb - gilt in allen EU-Ländern, auch in Belgien, wo Puigdemont zuletzt im Exil lebte.
Puigdemont war nach Finnland gereist, um finnische Parlamentsabgeordnete zu treffen und eine Rede an der Universität Helsinki zu halten. Der 55-Jährige habe sich auf dem Rückweg nach Belgien befunden, sagte Puigdemonts Sprecher Joan Maria Pique.
Finnland hatte sich auf spanischen Antrag bereiterklärt, Puigdemont zu verhaften, doch offenbar hatte er das Land zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen.
Der Europäische Haftbefehl existiert seit 2004. Er hat die langwierigen Auslieferungsverfahren ersetzt, die bis dahin zwischen den EU-Ländern angewandt wurden.
Mit einem Europäischen Haftbefehl ersucht die Justizbehörde eines EU-Landes um die Festnahme eines Verdächtigen in einem anderen Mitgliedstaat und die Überstellung des Verdächtigen. Das Verfahren beruht auf dem Grundsatz, dass die EU-Länder gegenseitig Entscheidungen ihrer Justiz anerkennen. Gesuchte müssen in der Regel spätestens 60 Tage nach der Festnahme an das Land ausgeliefert werden, das den Haftbefehl ausgestellt hat.
Abgelehnt werden kann die Auslieferung grundsätzlich nur, wenn der Betroffene bereits wegen derselben Straftat verurteilt wurde, das Mindestalter für die Strafmündigkeit noch nicht erreicht hat oder die Straftat im Festnahmeland unter eine Amnestie fällt. Im Jahr 2015 wurden in der EU mehr als 16.100 Europäische Haftbefehle ausgestellt. Rund 5300 davon wurden vollstreckt.
Reaktionen auf die Festnahme
Nach Ansicht des CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok sollte sich Puigdemont in Spanien vor Gericht verantworten. "Puigdemont hat eindeutig gegen spanisches Recht und gegen die Verfassung verstoßen", sagte Brok der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Ihm ist zu raten, die Sache friedlich zu beenden."
In Spanien fielen die Reaktionen auf die Festnahme unterschiedlich aus. Albert Rivera, der Vorsitzende der prospanischen Partei Ciudadanos, äußerte sich positiv. Die Justiz habe ihre Arbeit getan gegen jemanden, der versucht habe, eine europäische Demokratie zu zerstören und dabei Gesetze zu ignorieren, schrieb er auf Twitter.
Puigdemonts Anhänger brachten dagegen ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass Deutschland dem spanischen Auslieferungsantrag nicht nachkomme. Auf den Straßen von Barcelona wurde für und gegen Puigdemont demonstriert. Zehntausende Menschen kamen in der Millionenstadt und anderswo zusammen, um ihrem Unmut über die Festnahme am Sonntag Luft zu machen. Einige davon gerieten mit der Polizei aneinander.
Weitere Strafverfahren eingeleitet
Spaniens Oberstes Gericht hatte am Freitag Strafverfahren gegen 13 katalanische Politiker eingeleitet - unter ihnen auch der abgesetzte Regionalpräsident Puigdemont. Den hochrangigen Politikern soll der Prozess wegen Rebellion, Veruntreuung und Ungehorsam gemacht werden. Im Falle einer Verurteilung droht den Angeklagten bis zu 30 Jahre Haft.
Gegen Puigdemont und vier Mitglieder seiner abgesetzten Regierung seien Europäische Haftbefehle ausgestellt worden, hatte das Gericht mitgeteilt. Ein weiterer Haftbefehl richtet sich gegen Marta Rovira von der Separatistenpartei ERC, die die Abspaltungsbemühungen unterstützt haben soll. Sie soll sich in die Schweiz abgesetzt haben.
Gegen Puigdemont war schon einmal Haftbefehl ausgestellt worden, nachdem er sich nach Belgien abgesetzt hatte. Später zogen die spanischen Behörden diesen aber wieder zurück.
Durch die Verhaftung des katalanischen Präsidentschaftskandidaten Jordi Turull wurde eine Regierungsbildung in Katalonien vorerst verhindert.<br/>
Gericht stoppt Regierungsbildung in Katalonien
Die spanische Justiz blockiert derzeit mit der Verhängung mehrerer Haftbefehle gegen katalanische Separatistenführer die Regierungsbildung in Katalonien. Das Regionalparlament in Barcelona unterbrach am Samstag die Wahl von Jordi Turull zum neuen katalanischen Präsidenten, weil Turull am Vortag festgenommen worden war.
Die katalanische Regionalregierung hatte im vergangenen Herbst das Gebiet in Nordosten des Landes nach einer illegalen Volksabstimmung für unabhängig erklärt. Daraufhin setzte die Zentralregierung Puigdemont ab und löste das Parlament auf. Bei Neuwahlen gewannen separatistische Parteien gemeinsam zwar erneut eine Mehrheit, schafften es bisher aber nicht, einen neuen Regionalpräsidenten zu wählen.