Neue Koalition für Brandenburg SPD und BSW wollen Verhandlungen bis Weihnachten beenden
Nach fünf Sondierungstreffen haben SPD und BSW die nächste Ebene beschritten: Bei der ersten Koalitionsverhandlung für Brandenburg verständigten sich beide Parteien auf einen ambitionierten Zeitplan.
- SPD und BSW starten Koalitionsverhandlungen
- Noch vor Weihnachten soll der Vertrag stehen
- Schwierige Finanzlage des Landes bestimmt erste Runde
- Knackpunkte gibt es in der Bildungs-, Gesundheits- und Innenpolitik
Rund sechs Wochen nach der Landtagswahl in Brandenburg haben SPD und BSW am Montag mit Koalitionsverhandlungen begonnen. Die Hauptgruppen beider Parteien berieten zum Auftakt in der Potsdamer SPD-Zentrale.
Nach dem ersten Treffen auf dieser Ebene teilten beide Seiten mit, man wolle die Koalitionsverhandlungen möglichst noch vor den Weihnachtsfeiertagen abschließen. "Wir haben das Ziel, sozusagen vor Weihnachten einen Ministerpräsidenten zu wählen", sagte SPD-Generalsekretär David Kolesnyk der Deutschen Presse-Agentur (DPA).
Der BSW-Landesvorsitzende Robert Crumbach nannte den Zeitplan sehr ambitioniert, hält ihn aber für möglich. "Wir werden uns trotzdem bemühen, das hinzubekommen", sagte er der DPA. Bis Mitte Januar muss laut Brandenburger Verfassung der Ministerpräsident gewählt sein.
Am Montag beginnen erstmals Koalitionsverhandlungen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht – nur sechs Wochen nach der Wahl in Brandenburg. Die Verhandler haben einen straffen Zeitplan und geben sich diskret. Was bislang bekannt ist – und was nicht. Von Hanno Christmehr
Crumbach: "Müssen keine Rotstiftpolitik machen"
SPD und BSW starteten ihre Koalitionsgespräche rund sechs Wochen nach der Landtagswahl unter anderem mit der Beratung über die schwieriger werdende Finanzlage. Die erwarteten Steuermindereinnahmen sollen zu einer Überprüfung mancher Ausgaben führen. "Da muss das ein oder andere kritisch hinterfragt werden", sagte SPD-Landtagsfraktionschef Daniel Keller. "Aber es ist keine klassische Kürzungsdebatte."
Das BSW dringt wie SPD-Finanzministerin Katrin Lange darauf, Prioritäten zu setzen. "Wir werden keine Rotstift-Politik machen müssen, aber werden schon zu einer Politik der klaren Prioritätensetzung kommen müssen", sagte Crumbach. Zuletzt hatte die bisherige Finanzministerin Katrin Lange (SPD) mitgeteilt, dass das Land mit 403,7 Millionen Euro weniger Steuereinnahmen als erwartet rechnen muss. Die beiden Parteien streben zudem an, Bürokratie abzubauen. Konkrete Schritte sollen folgen.
In Brandenburg haben SPD und BSW ein Papier als Grundlage für Koalitionsgespräche vorgelegt. Kurz darauf zogen CDU, BSW und SPD in Thüringen nach. Hinsichtlich der Ukraine-Politik unterscheiden sich die Papiere - je nach Perspektive - fundamental. Von Michael Schonmehr
Neben der Hauptgruppe tagen auch Arbeitsgruppen zu Bildung/Kultur, Innen/Justiz, Wirtschaft/Gesundheit und Verkehr/Umwelt. Mögliche Hürden für die Verhandlungen könnten die Bildungs-, die Gesundheits- und die Innenpolitik sein.
Beide Parteien hatten sich bereits verständigt, dass sie sich auf Bundes- und EU-Ebene dafür einsetzen wollen, "eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts" mit dem Ziel von Waffenstillstand und dauerhaftem Frieden voranzutreiben.
"Offene und vertrauensvolle Gespräche"
Beide Seiten betonten die vertrauensvolle und konstruktive Atmosphäre. "Wir begegnen uns hier auf Augenhöhe", sagte Ex-SPD-Mann Crumbach. "Die Gespräche sind genauso offen und genauso vertrauensvoll wie vorher." Das sieht der SPD-Fraktionschef ähnlich. "Vertraulichkeit schafft auch Vertrauen", sagte Keller.
Eine Koalition von SPD und BSW wäre ein Novum. In Brandenburg regiert die SPD seit 1990, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wurde erst in diesem Jahr gegründet. Nur beide Parteien zusammen haben eine realistische Mehrheit im Landtag, weil keine Partei mit der AfD koalieren will. SPD und BSW haben gemeinsam 46 der 88 Landtagsmandate, die Opposition aus AfD und CDU verfügt über 42 Sitze.
Auch in Thüringen starten im Verlaufe des Tages Koalitionsverhandlungen, dort wollen CDU, BSW und SPD zusammenarbeiten.
CDU spricht von "Matroschka"-Koalition
Die Brandenburger CDU warf derweil ihrem bisherigen Koalitionspartner SPD reinen Machtwillen vor. "Es geht nur um ihre eigene Macht, sie hat grundlegende Überzeugungen preisgegeben, wie die Unterstützung der Ukraine oder die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland", sagte der Landesvorsitzende Jan Redmann der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" (Montag/Print). "Die Brandenburger SPD macht einen Kotau vor Sahra Wagenknecht, der nicht notwendig war." Zudem isoliere sich die Brandenburger SPD innerhalb der Bundes-SPD.
Redmann sprach von einer "Matroschka"-Koalition. Matroschkas sind russische Puppen, die ineinander gesteckt werden können. "Die äußere Puppen-Hülle ist Dietmar Woidke. Wenn man weiter öffnet, steckt darunter Sahra Wagenknecht", sagte er über den Ministerpräsidenten und SPD-Landeschef. Mit Blick auf Russlands Präsident ergänzte er: "Und bei der nächsten Schicht kommt vielleicht ein kleiner Putin zum Vorschein".
Sendung: rbb24 Inforadio, 04.11.2024, 12:00 Uhr