Brandenburg 69 Rinder bei Transport in die Türkei gestorben: Landrat weist Vorwürfe von Özdemir zurück
Nach dem Tiertransport aus Brandenburg in die Türkei, in dessen Folge fast 70 Rinder starben, wehrt sich Landrat Jaschinski gegen Vorwürfe aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Eine Tierschutzorganisation hat Anzeige erstattet.
Nachdem fast 70 Rinder an den Folgen eines Tiertransportes von Brandenburg in die Türkei verstorben sind, hat der Landrat von Elbe-Elster, Christian Jaschinski (CDU), die Vorwürfe von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özedemir (Bündnis90/Grüne) zurückgewiesen.
"Wenn Minister Özdemir meint, die Schuld an dem qualvollen Ende eines Transportes mit 69 Rindern in die Türkei allein dem Veterinäramt des Landkreises zuschieben zu können, übersieht er geflissentlich, dass das Veterinäramt an die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden ist. Auf Grundlage der vom Veterinäramt sorgfältig geprüften Unterlagen, konnte dieses die Transportabfertigung aufgrund der Rechtslage überhaupt nicht ablehnen. Zum Zeitpunkt der Abfertigung musste das Veterinäramt davon ausgehen, dass die Türkei die Rinder trotz der auch in Brandenburg vorhandenen Blauzungenkrankheit übernehmen würde", lässt sich Jaschinski in einer Mitteilung am Freitag zitieren.
Am Donnerstag war bekannt geworden, dass ein zwei Lkw mit trächtigen Rindern aus Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt wochenlang an der bulgarisch-türkischen Grenze festgehalten wurden. Weil in Brandenburg Fälle der Blauzungenkrankheit aufgetreten waren, war die Einreise verweigert worden. Die Tiere verendeten zum Teil in den Lkw, die überlebenden mussten wegen ihres desolaten Zustandes notgeschlachtet werden. Aufgedeckt wurde der Vorfall offenbar von der Tierschutzorganisation "Animals' Angels".
Am Freitag hatte zudem die Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" Anzeige gegen das Veterinäramt erstattet, wie die Organisation auf ihrer Internetseite [www.vier-pfoten.de] mitteilte. Aus Sicht von vier Pfoten war der Transport rechtswidrig genehmigt worden.
An der bulgarisch-türkischen Grenze ist ein Tiertransport aus dem Elbe-Elster-Kreis wochenlang festgehalten worden, offenbar wegen Missverständnissen zwischen Behörden. Nun sind die 69 Rinder teils verendet. Das zuständige Veterinäramt verteidigt sich.mehr
Zwei Lkw durften einreisen, zwei wurden aufgehalten
Das Bundeslandwirtschaftsministerium und Landwirtschaftsminister Özdemir selbst hatten dem Veterinäramt daraufhin schwere Vorwürfe gemacht und erklärt, dass sich das Amt lediglich auf Zusicherungen des Importeurs verlassen hatte. "Die nicht durch das Veterinäramt überprüfte Aussage hat in diesem Fall zu einer Entscheidung mit enormen Tierleid geführt", heißt es in einer Stellungnahme des Bundesministeriums.
Landrat Jaschinski widersprach am Freitag und erklärte, dass der Landkreis davon ausgehen musste, dass die Transporte einreisen dürfen. "Dass diese Annahme durchaus berechtigt war, zeigt sich auch daran, dass von insgesamt vier abgefertigten LKW-Transporten nur zwei an der türkischen Grenze abgewiesen wurden und die anderen zwei zu ihrem Bestimmungsort in der Türkei gelangt sind", heißt es in der Mitteilung des Landrates.
Das Geschehen müsse nun "selbstverständlich" aufgearbeitet werden. Am Donnerstag seien alle beteiligten Behörden "angefangen vom Bundesministerium über Landesbehörden mehrerer Bundesländer und auch anderer involvierter Veterinärämter" zu einer Videokonferenz zusammengekommen. Die einhellige Meinung sei hier gewesen, dass das Veterinäramt Elbe-Elster nicht anders habe reagieren können.
Mit Exkrementen beschmutzte Kuh im Tiertransport an der türkischen Grenze
Landrat macht wiederum Bundesministerium Vorwürfe
In der Mitteilung werden zudem auch internationale Schwierigkeiten bei der Lösung des Problems genannt. "So sind alle Bemühungen gescheitert, mit den verantwortlichen Stellen in der Türkei zu einem Übereinkommen für eine tierschutzgerechte Behandlung der Tiere, zur Not auch einer schmerzfreien Einschläferung, zu gelangen", heißt es darin.
"Genauso unverständlich ist es aber auch, dass es von Bulgarien mit Zustimmung der EU nicht zugelassen wurde, dass die Tiere, nachdem die Einfuhr in die Türkei abgelehnt worden war, wieder zurück nach Deutschland gebracht werden durften", heißt es vom Landkreis weiter.
Die "diplomatischen Hebel der Bundesebene" seien nicht ausreichend gewesen, um eine Lösung herbeizuführen. Das Bundesministerium sei nicht auf eine zwischenstaatliche Kommunikation und Zusammenarbeit vorbereitet gewesen. "Ebendiese Erkenntnis halte ich für besorgniserregend, besonders unter der Prämisse, dass die enorme Verantwortung hier an den kreislichen Veterinärämtern abgestreift wird", so Jaschinski weiter.
Der Landrat erneuerte am Freitag eine Forderung, die bereits am Tag zuvor vom Veterinäramt gestellt worden war: Solche Tiertransporte in Länder außerhalb der EU sollten nicht mehr genehmigt werden.
"Es kann nicht sein, dass die Tierärztinnen und Tierärzte der kreislichen Veterinärämter gezwungen sind, gegen ihre eigenen ethischen Werte Tierexporte in Länder, in denen davon ausgegangen werden muss, dass die Haltungs- und Schlachtbedingungen nicht unseren Tierschutzstandards entsprechen, abzufertigen. Tierexporte in Drittstaaten außerhalb der EU sollten umgehend untersagt werden", so Jaschinski.
Animals' Angels: 13 Kälber in den Lkw geboren
Auch Dirk Gebhard, Dezernent für Ordnung und Landwirtschaft im Elbe-Elster-Kreis bestärkte gegenüber dem rbb am Freitag die Ansicht der Kreisverwaltung, richtig gehandelt zu haben. Der Transport sei guten Gewissens abgefertigt worden. Dem Landkreis sei eine Versicherung zugeleitet worden, dass die Türkei dem Export zustimme. Die Verwaltung sei sehr erschrocken gewesen, als nur zwei der vier Lkw in die Türkei einreisen durften. Das sei nicht nachvollziehbar, so Gebhard.
Ebenso unverständlich sei es, dass Bulgarien mit Zustimmung der EU eine Rückreise der Transporter verhindert habe, so Gebhard. Auch er erklärte, der Landkreis habe nach geltenden Gesetzen gehandelt. Ähnliche Probleme habe es aber auch bereits mit Transporten aus Österreich in die Türkei gegeben - der Landkreis habe davon aber nie erfahren.
Patrick Meyer-Glitza von Animals' Angels - die Organisation hatte den Fall öffentlich gemacht - sagte dem rbb am Freitag, dass es für die Tierschützer sehr schwierig war, an die Rinder heranzukommen. Die Kühe hätten den Großteil der rund vier Wochen in den Lkw verbracht, hätten bis zu den Knöcheln in Kot gestanden. In dieser Umgebung waren insgesamt 13 Kälber geboren worden, während die ersten Tiere schon verendeten. Die Lkw seien schließlich zu einem Schlachthof gebracht worden. Auch Animals' Angels hat keine Informationen darüber, warum zwei Lkw einreisen durften, die beiden anderen aber nicht.
Sendung: Antenne Brandenburg, 18.10.2024, 14:30 Uhr