Symbolbild: Ein Junge telefoniert am 24.03.2020 mit seinem Freund über Video Anruf. (Quelle: dpa-Zentralbild/Annette Riedl)

Brandenburg Interview | Krebsrisiko bei Handynutzung: "Unsere Arbeit zeigt, dass die Grenzwerte funktionieren und schützen"

Stand: 06.09.2024 17:49 Uhr

Der Cottbuser Wissenschaftler Dan Baaken hat an einer Studie mitgearbeitet, die zu dem Ergebnis kommt, dass Handystrahlung das Krebsrisiko nicht erhöht. Im Interview spricht er über die Methodik, über Handymasten und Strahlenschutzhüllen.

rbb|24: Herr Baaken, am Bundesamt für Strahlenschutz forschen Sie zu der Frage, ob Mobilfunkstrahlung, also elektromagentische Felder, Auswirkungen auf menschliche Zellen haben. Ihre aktuelle Metastudie kommt zu dem Ergebnis, dass Handystrahlung das Risiko an Krebs zu erkranken nicht erhöht. Inwieweit gibt Ihre Studie denn Entwarnung? Kann man sagen, von Mobilfunkstrahlung geht keine Gefahr aus?
 
Dan Baaken: Aus wissenschaftlicher Sicht ist so eine Aussage natürlich nur sehr schwierig bis gar nicht zu machen, also eine uneingeschränkte Entwarnung. Was man aber ganz klar sagen kann, ist, dass wir aus aktueller Sicht, basierend auf all den verfügbaren Beobachtungsstudien zu dem Thema, davon ausgehen können, dass wir keinen Zusammenhang sehen zwischen der Nutzung von Mobilfunk und Hirntumoren und das können wir mit einer sehr hohen Sicherheit sagen.

Wie sind Sie genau bei der Studie vorgegangen?
 
Wir haben vier Jahre in einem Team aus elf internationalen Wissenschaftlern zusammengearbeitet. Wir haben insgesamt über 5.000 Einzelstudien gesichtet. Wir haben eine Metastudie durchgeführt, das heißt, wir schauen auf die gesamte wissenschaftliche Grundlagenbasis, die auf der Welt zu der Forschungsfrage Mobilfunk und Hirntumore existiert und wir werten alle Einzelstudien aus.
 
Wir sind am Ende zu 63 Studien gekommen, die für unsere Forschungsfrage relevant sind, die wir dann in unsere Auswertung einbezogen haben. Basierend auf diesen 63 Studien haben wir zusätzlich sogenannte gepoolte Analysen berechnet. Wir haben die einzelnen Studien zusammengenommen und sie in einem großen Datensatz ausgewertet, um einfach solidere Erkenntnisse am Ende zu haben. Darauf basieren unsere Ergebnisse.

Gelten Ihre Erkenntnisse daraus nur für Handys oder beispielsweise auch für Tablets, W-Lan-Router, kabellose Festnetztelefone?
 
Unsere Ergebnisse lassen sich auch auf Tablets übertragen. Diese nutzen auch hochfrequente Felder, wie beispielsweise im Mobilfunk - wenn sie beispielsweise das W-Lan nutzen. Manche Tablets sind ja auch mit Mobilfunk ausgestattet, wenn dort eine SIM-Karte eingelegt ist. In speziellen Analysen haben wir uns auch das Thema Schnurlostelefone angeschaut und dafür auch eine extra Auswertung gemacht. Auch hier konnten wir kein erhöhtes Risiko für Hirntumore ausmachen.

Wie steht es um die Mobilfunkmasten?
 
Auch das war eine unserer Fragestellungen. Da möchte ich zunächst sagen, dass es in der Bevölkerung immer wieder Frust, Ärger, aber auch Sorgen gibt, wenn beispielsweise Masten in der Nähe des Wohnortes oder des eigenen Hauses gebaut werden. Das muss man zunächst mal unkommentiert ernst nehmen. Wenn es aber zu der Frage kommt, ob mögliche gesundheitliche Auswirkungen im Zusammenhang mit den Masten zu erwarten sind, können wir insbesondere basierend auf unseren aktuellen Erkenntnissen beruhigen. Auch hier, bei speziellen Auswertungen über Mobilfunkmasten oder Rundfunksendemasten, haben wir auch kein erhöhtes Risiko für Hirntumore gesehen.
 
Viele Menschen haben Strahlenschutzhüllen für ihr Handy. Können die nun weggeworfen werden?
 
Ich sage mal salopp, die hätte man auch vorher nicht gebraucht. Aus unserer Sicht sind keine weiteren Schutzmaßnahmen nötig, um sich bei der Nutzung von Smartphones oder Tablets vor den hochfrequenten elektromagnetischen Feldern zu schützen. Wir haben in Deutschland ganz klare Grenzwerte, die eingehalten werden müssen. Unsere Arbeit zeigt noch einmal, dass diese Grenzwerte funktionieren und schützen.
 
Wer sich nichtsdestotrotz schützen möchte oder sich nicht so vielen Feldern aussetzen will, kann das durchaus tun. Derjenige kann zum Beispiel beim Telefonieren ein Headset nutzen, kann nachts in den Flugzeugmodus gehen oder kann Geräte kaufen mit einem niedrigen SAR-Wert. Das ist die spezifische Absorptionsrate und das gibt Auskunft über die Absorption von Feldern im Körper. Je niedriger dieser Wert ist, umso besser. Grundsätzlich gilt aber: Wir haben in Deutschland gesetzlich festgeschriebene Höchstwerte und die Hersteller müssen garantieren, dass die Geräte diese Werte unterschreiten.

Aus unserer Sicht sind keine weiteren Schutzmaßnahmen nötig, um sich bei der Nutzung von Smartphones oder Tablets vor den hochfrequenten elektromagnetischen Feldern zu schützen.

Auf den Mobilfunkstandard 5G ist Ihre Studie nicht eingegangen. Können Sie dennoch Rückschlüsse auch darauf ziehen?
 
5G wird in Deutschland seit etwa 2020 als neue Mobilfunkgeneration eingeführt. Unsere Metastudie hatte aber eine Art Ladenschluss, ein Datum, bis zu dem wir die aktuellen Studien einschließen können. Das war Dezember 2022. Aktuellere Studien sind nicht mehr eingeschlossen. Nach meinem Kenntnisstand sind zu diesem Zeitpunkt aber auch noch keine epidemiologischen Studien, also Beobachtungsstudien am Menschen, zum Thema 5G veröffentlicht, weil diese Mobilfunkgeneration einfach noch viel zu neu ist, um dazu Studien in der Bevölkerung zu haben.
 
Grundsätzlich haben wir in unserer Arbeit aber bereits Studien mit Kontakt zu Radarquellen eingeschlossen. Die nutzen teils höhere Frequenzbereiche, die perspektivisch auch für die 5G-Anwendung vorgesehen sind. Viele technische Aspekte von 5G sind mit bisherigen Mobilfunkstandards vergleichbar, sodass sich unsere Ergebnisse durchaus auf 5G übertragen lassen.

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Wie forschen Sie nun weiter?
 
Das Thema ist ein bisschen mein Steckenpferd. Wir forschen aktuell in einem weiteren Vorhaben für die WHO an einer Studie, die ganz ähnlich gelagert ist zu der Studie, die wir jetzt aktuell veröffentlicht haben. Wir haben uns in der aktuellen Studie primär mit Hirntumoren beschäftigt, weil das aus verschiedenen Gründen erstmal die naheliegendste Forschungsfrage ist. Das Mobiltelefon wird meist kopfnah verwendet. Aber grundsätzlich gibt es auch noch andere Krebserkrankungen wie die Lymphome, Leukämie oder Schilddrüse, die auch relevant sein könnten. Das untersuchen wir aktuell in einem weiteren Forschungsvorhaben. Wir hoffen, dass wir die Ergebnisse in den nächsten Monaten veröffentlichen können.
 
Das Bundesamt für Strahlenschutz bleibt an dem Thema dran, mit unserer aktuellen Studie hört das Thema für uns nicht auf. Auch, wenn wir mit den Ergebnissen, die wir haben, sehr sicher sind, dass wir hier keinen Zusammenhang sehen. Wenn es zukünftig noch weitere Mobilfunkgenerationen, noch weitere Entwicklungen geben wird, bleiben wir natürlich aktiv. Wir überwachen außerdem durchgängig zu diesem Thema die aktuelle Forschungslage.
 
Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Theresa Wunderlich. Es handelt sich um eine gekürzte und redigierte Fassung.
 
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.09.2024, 16:40 Uhr