Brandenburg Berlin Interview: Trauerbegleitung bei jungen Erwachsenen
Wenn junge Menschen eine nahe Person verlieren, sind sie mit dieser Erfahrung in ihrem Freundeskreis oft allein. Die Trauerbegleiterin Lana Reb sagt im Interview, dass es zu wenig Angebote für junge Trauernde gibt und erklärt, wann Online-Chats helfen können.
rbb|24: Frau Reb, uns haben mehrere junge Menschen berichtet, dass es für sie schwierig war, in ihrem Trauerprozess die richtige Anlaufstelle zu finden. Sie erzählten, dass sie plötzlich in Trauergruppen mit viel älteren Menschen zusammensaßen und das Gefühl hatten: Die befinden sich in einer ganz anderen Lebenssituation als ich.
Lana Reb: Das schildern uns tatsächlich die meisten. Unsere Erfahrung ist aber, dass es gerade den Wert von einer Trauerbegleitung ausmacht, mit anderen Menschen zusammenzutreffen, die sich in der gleichen Lebenssituation befinden wie man selbst.
Welche Unterschiede gibt es zwischen trauernden jungen Erwachsenen und älteren Erwachsenen?
Junge Menschen, die zum Beispiel ihren Lebenspartner verloren haben, sind meistens mitten im Berufsleben. Manche von ihnen sind von einem Tag auf den anderen für kleine Kinder allein verantwortlich oder sie waren vielleicht gerade in der Familienplanung. Dann ist so ein Lebenstraum, den man sich mit dem Partner oder mit der Partnerin vorgestellt hat, von einem Tag auf den anderen nicht mehr möglich.
Junge Trauernde stoßen außerdem in ihrem sozialen Umfeld oft auf Unsicherheit und Unverständnis, und ich würde eben sagen, noch etwas mehr als ältere Trauernde. Denn wenn im höheren Lebensalter jemand verstirbt, rechnen die Menschen eher damit, dass irgendwann der Tod kommt. In der Mitte des Lebens beschäftigt man sich in der Regel nicht gern mit diesem Thema. Es löst beim Gegenüber eigene Ängste und Unsicherheiten aus. Das führt dazu, dass sich junge Trauernde oft unverstanden fühlen.
Was ich aber betonen möchte: Es ist immer eine existenzielle und schlimme Erfahrung, einen geliebten Menschen zu verlieren, unabhängig davon, in welchem Lebensalter man sich befindet.
Wie unterscheidet sich die Trauerarbeit mit jungen Menschen von der mit älteren? Reicht es zum Beispiel, dass Gleichaltrige mit in der Trauergruppe sind?
Trauerbegleitung sollte meines Erachtens immer so ausgerichtet sein, dass es den individuellen Bedürfnissen und der Lebenssituation gerecht wird. Eine möglichst vielseitige Unterstützung ist erfahrungsgemäß gut.
Die Themen, die in Trauergruppen für junge Menschen auftauchen, unterscheiden sich von denen, die vielleicht ältere Menschen beschäftigen. Zum Beispiel wie unterschiedlich innerhalb der Familie getrauert wird und wie es gelingen kann, gut im Austausch zu bleiben. Oder die vielen bürokratischen Hürden, die oftmals noch zusätzlich belasten. Ich würde es als junger Mensch von einer Organisation, bei der ich Hilfe suche, erwarten, dass da jemand ist, der sich zu diesen Themen viel Wissen angeeignet hat bzw. aus eigener Erfahrung sprechen kann.
Wieso gibt es weniger Angebote für junge Trauernde?
Trauerarbeit war früher ein klassisch kirchliches Thema. Doch gerade junge Menschen fühlen sich der Kirche nicht mehr so verbunden. Also fällt dieser Ort sozusagen weg.
Außerdem geht es bei Trauerbegleitung auch ums Geld. Es ist sehr schwierig, öffentliche Gelder für Trauerbegleitung zu bekommen. Es gibt keine feste gesetzliche Regelung, die die staatliche Förderung von Trauerbegleitung ermöglichen würde.
Das Thema Tod und Sterben war und ist weiterhin tabuisiert. Die Situation von jungen Trauernden wurde lange unterschätzt. Erst in den vergangenen Jahren wurde begonnen, dem Thema Trauer gesellschaftliche Relevanz zuzuordnen. Heute leben viele Menschen in Großstädten ohne familiäre Unterstützung und sind mehr auf externe Unterstützung angewiesen, als es früher der Fall war.
In Ballungsräumen und Großstädten hat sich glücklicherweise in den letzten Jahren ein bisschen was getan. Hier gibt es mittlerweile Anlaufstellen und auch größere Organisationen, die Trauerbegleitung explizit für junge Menschen anbieten. Aber in eher ländlichen Gebieten sieht es tatsächlich noch ziemlich schlecht aus. Es gibt eben nicht überall ein Angebot vor Ort.
Viele Menschen fühlen sich nach dem Tod eines nahen Menschen überfordert. Häufig fehlen im Alltag Zeit und Raum, um sich der eigenen Trauer zu stellen. Das gilt besonders für junge Menschen - mit ihnen arbeitet Trauerbegleiterin Anna Ziegenhagen.mehr
Inwiefern können denn Online-Angebote dieses Fehlen von Angeboten im ländlichen Raum abfedern?
Wir machen sehr gute Erfahrungen damit. Wir haben schon seit 2004 eine Online-Beratungsstelle für Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahre. Es hat für viele einen besonderen Wert, dass sie sich dort anonym hinwenden können. Insbesondere Jugendliche und jüngere Erwachsene kämpfen zunächst oft mit einem Schamgefühl. Da kann eine anonym zugängliche Online-Beratungsstelle ein sehr niedrigschwelliger Zugangsweg sein.
Außerdem haben wir viele Online-Trauergruppen, die auch sehr gut angenommen werden. Sie finden zu einem festen Termin für jeweils 2 Stunden per ZOOM statt und werden von zwei Leitungen moderiert. Teilnehmen können 10 Personen. Die Gruppe ist der Ort, an dem alle Themen angesprochen werden können, für die es im Alltag oder im sozialen Umfeld vielleicht keinen Raum gibt. Der Schwerpunk liegt auf dem Austausch untereinander. So entstehen Verbindungen und das Gefühl der Zugehörigkeit –– und das alles in einem ganz vertraulichen und geschützten Rahmen.
Angehörige oder Freunde sind oft aus Unsicherheit oder Überforderung heraus geneigt, Ratschläge zu geben. So etwas wie: 'Du musst loslassen', ist uns vielleicht gängig. Hilfreicher ist es aber, nachzufragen, anstatt Ratschläge zu geben.
Viele wissen nicht, wie sie sich bei Freundinnen oder Freunden verhalten sollen, die vor kurzem einen Verlust erlebt haben und aktuell trauern. Was kann man als Freund oder Freundin tun, um zu unterstützen?
Grundsätzlich gilt: Trauer ist individuell. Was Trauernde als hilfreich erleben oder was sie brauchen, variiert. Aber ein paar Tipps gibt's dennoch.
Angehörige oder Freunde sind oft aus Unsicherheit oder Überforderung heraus geneigt, Ratschläge zu geben. So etwas wie: "Du musst loslassen", ist uns vielleicht gängig. Hilfreicher ist es aber, nachzufragen, anstatt Ratschläge zu geben. Wir raten auch immer dazu, eigene Unsicherheiten anzusprechen. In etwa so: "Ich bin unsicher, was ich sagen soll, ich möchte dich trotzdem ansprechen. Echtes Interesse ist also etwas ganz Wichtiges.
Es ist wichtig, gerade in der ersten Zeit ganz konkrete Angebote zu machen. Man kann zum Beispiel Essen vorbeibringen oder der trauernden Person sagen: "Ich mache jetzt einen Spaziergang, magst du mitkommen?" Wichtig ist es dabei aber, mit ganz viel Verständnis zu reagieren, wenn das Angebot abgelehnt wird. Es geht darum, für die andere Person da zu sein.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Yasser Speck für rbb|24
Sendung: rbb24 Abendschau, 25.10.2024, 19:30 Uhr.