Brandenburg Prignitz: Nähmaschinenwerk in Wittenberge als "Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst" ausgezeichnet
In dem über 100 Jahre alten imposanten Wittenberger Werksgebäude wurden erst Singer-, später Veritas-Nähmaschinen hergestellt. Nun wird der industriearchitektonische Bau besonders gewürdigt.
Das historische Nähmaschinenwerk in Wittenberge (Prignitz) ist jetzt ein "Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland". Mit der Auszeichnung würdigen die Bundes- und die Brandenburgische Ingenieurkammer das Gebäudeareal im heutigen Veritas-Park.
Besonders das Hauptgebäude von 1907 war mit seinem einzigartigen Eisenbeton-Skelettbau prägend und ein Symbol für die Industrialisierung. Das 200 Meter lange Fabrikgebäude wurde innerhalb von nur fünf Monaten errichtet und hat eine außergewöhnliche Tragfähigkeit von 1,6 Tonnen je Quadratmeter. Geplant worden war es seinerzeit von der renommierten Wayss & Freytag AG unter Leitung des Bauingenieurs Paul Thiele.
Maßgebend für die Würdigung als Wahrzeichen waren den Kammern zufolge sowohl der frühe, große und sehr leistungsfähige Bau sowie andererseits das weit entwickelte Konzept der Fabrik.
"Das ist eine große Wertschätzung der Stadtentwicklung und Bausubstanz", sagte Wittenberges Bürgermeister Oliver Hermann dem rbb. Die denkmalgeschützten Gebäude der Industriearchitektur verwiesen die auf die Industrietradition der Stadt Wittenberge mit den Singer-Werken und Veritas als größtem Arbeitgeber zu DDR-Zeiten, so Hermann. Es sei eine kleine Welt in sich gewesen, an die tausende Wittenberger Erinnerungen hätten und auf die sie stolz seien. Zudem sei der Uhrenturm eines der Wahrzeichen der Stadt und auch eine touristische Attraktion, sagte Hermann.
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"Stadt der Nähmaschinen": Erst Singer, dann Veritas
Wittenberge an der Elbe war als "Stadt der Nähmaschinen" einst Sitz der amerikanischen Singer Manufacturing Company, die vor über 100 Jahren entscheidend war für den Aufschwung der Region. Das amerikanische Unternehmen hatte für sein zweites Nähmaschinenwerk in Europa einen verkehrsgünstigen Standort mit viel Platz gesucht und ihn gefunden im Osten von Wittenberge mit zugehörigem Eisenbahnknoten zwischen Berlin, Hamburg und Magdeburg sowie eigenem Hafen allein für Singer direkt an der Elbe.
1904 hatte die Herstellung von Nähmaschinen in Wittenberge begonnen. Bis zu 3.200 Beschäftigte arbeiteten zu Hochzeiten in dem Werk. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Singer-Werk demontiert, dann aber für die Produktion von Veritas-Nähmaschinen wieder aufgebaut. Zu DDR-Zeiten wurde daraus das VEB Nähmaschinenwerk Wittenberge, das bis zur Abwicklung, Anfang der 1990er Jahre, Millionen Veritas-Nähmaschinen produzierte.
Noch heute steht das riesige Gebäude als stilles Mahnmal am Rande der Stadt. Der private Eigentümer des Geländes habe nach seiner Kenntnis Pläne, das Areal als Ort für Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zu entwickelt, sagte Wittenberges Bürgermeister Oliver Hermann dem rbb. Die Dimension sei allerdings eine besondere Herausforderung.
Ehrentafel Nähmaschinenwerk Wittenberge
"Das Gebäude wurde besonders vorgehoben, weil es gigantische Eckdaten hat. Es ist 200 Meter lang, 30 Meter breit, hat fünf Etagen und somit eine Nutzfläche von etwa 25.000 Quadratmetern", sagte Christian von Hagen vom Eigenbetrieb Kultur, Sport und Tourismus der Stadt Wittenberge, der den Veritas-Park touristisch betreut. Alle Etagen seien so konzipiert gewesen, dass riesige Maschinen aufgestellt werden konnten. Ein Tragwerk aus Eisenbeton mit Wänden, die nur als Fassaden und Raumteiler dienten, sei damals modern und neu gewesen, so von Hagen.
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Zwei frühere Preisträger stehen auch in Brandenburg
Seit 2007 zeichnet die Bundesingenieurkammer Werke der Ingenieurbaukunst in ganz Deutschland als historische Wahrzeichen aus. Dreißig sind es bislang. Dazu gehören das als erstes ausgezeichnete alte Schiffshebewerk in Niederfinow von 1934 sowie das Pumpwerk für die Wasserspiele des Parks Sanssouci mit seiner Dampfmaschine von 1895 in Potsdam.
Technische und historische Hintergründe über das Nähmaschinenwerk Wittenberge sind in einer neuen 60-seitigen Publikation zusammengefasst, die wie alle anderen bislang ausgezeichneten "Historischen Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland" in einer Schriftenreihe porträtiert werden.
Sendung: Antenne Brandenburg, 17.10.2024, 13:30 Uhr