Brandenburg Berlin Was über die Anschlagspläne auf die israelische Botschaft in Berlin bekannt ist
Ein Libyer mit IS-Kontakten soll einen Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin geplant haben. Er sitzt in Untersuchungshaft. Der Fall verdeutlicht, wie konkret die Terrorgefahr in Deutschland ist. Was bislang bekannt ist.
Am Samstagabend greift die Bundesanwaltschaft durch: Die oberste deutsche Anklagebehörde lässt in Bernau (Barnim) einen Mann festnehmen und verhindert damit mutmaßlich einen islamistischen Anschlag.
Was wird dem Festgenommenen vorgeworfen?
Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft ist der Festgenommene dringend verdächtig, Anhänger der Terrororganisation "Islamischer Staat" zu sein. Spätestens seit Oktober 2024 soll er einen "öffentlichkeitswirksamen" Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin geplant haben. Dabei sollten laut den Ermittlern Schusswaffen zum Einsatz kommen. Zur Planung der Tat soll er bereits mit einem Mitglied des IS in Kontakt gestanden haben, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft.
Der Mann wurde inzwischen einem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt. Er habe Haftbefehl gegen den Libyer erlassen, sagte eine Sprecherin des Generalbundesanwalts der Nachrichtenagentur dpa. Er kommt in Untersuchungshaft.
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Wer ist der Tatverdächtige?
Der Festgenommene ist laut der Bundesanwaltschaft 28 Jahre alt und stammt aus Libyen. Wie die ARD aus Sicherheitskreisen erfuhr, soll er Ende 2022 nach Deutschland gekommen sein. Im Verteilverfahren wurde er anschließend der Brandenburger Ausländerbehörde zugeteilt. Im Januar 2023 wurde ein Antrag auf Asyl gestellt, der im September 2023 "vollumfänglich abgelehnt" wurde, wie Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) dem rbb am Montag sagte.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa soll der Mann gegen die Entscheidung nicht geklagt haben. Zuerst hatte die Bild-Zeitung über den Hintergrund des Libyers berichtet. Die libysche Identität des Mannes sei eindeutig gewesen, sagte Stübgen, er habe Ausweispapiere gehabt.
Wieso war der mutmaßliche Gefährder trotz abgelehntem Asylantrag noch in Deutschland?
Für Libyen gilt bundesweit kein genereller Abschiebestopp. Wenn ein Asylbewerber nicht freiwillig dorthin ausreist, gilt eine Abschiebung allerdings als schwierig, weil es in dem nordafrikanischen Land nur teilweise funktionierende staatliche Strukturen gibt.
Der Brandenburger Innenminister Stübgen sagt: "Wir können gegenwertig nicht nach Libyen abschieben." Es gebe keine internationalen Flugverbindungen, Libyen sei ein Bürgerkriegsland. "Wir können weder begleitete Abschiebungen machen, noch unbegleitete, noch Abschiebeflüge organisieren", so Stübgen. Die einzige Möglichkeit wäre die freiwillige Rückreise des Mannes gewesen. In Brandenburg gebe es eine entsprechende Beratung in der Zentralen Ausländerbehörde (ZABH), dafür wäre der Mann "ein Kandidat gewesen", so Stübgen. Die ZABH sei allerdings trotz des bereits vor rund einem Jahr abgelehnten Asylantrags erst Ende Juli 2024 vom Landkreis über den Fall informiert worden.
Wie kamen Behörden auf den Tatverdächtigen?
Die Bundesanwaltschaft teilte mit, dass der 28-Jährige sich in einem Chat mit einem IS-Mitglied über die Anschlagspläne ausgetauscht hat. Wie der ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg berichtet, sollen die Hinweise auf den Chat-Verlauf und den Tatverdächtigen von einem ausländischen Nachrichtendienst stammen.
Die Informationen sollen die deutschen Sicherheitsbehörden am Tag vor der Festnahme bekommen haben. Wie konkret und wie weit fortgeschritten die Pläne waren, wird wohl erst nach der Auswertung der bei den Durchsuchungen aufgefundenen Gegenstände feststehen.
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Wieso sind deutsche Behörden so häufig auf Tipps aus dem Ausland angewiesen?
In der Tat kommt es häufig vor, dass deutsche Sicherheitsbehörden aufgrund von Tipps ausländischer Nachrichtendienste aufmerksam auf potenzielle Gefährder werden. Der 28-jährige Mann soll nicht auf dem Schirm der deutschen Sicherheitsdienste gewesen sein. Das sei aber nichts ungewöhnliches, sagt ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg. Es sei keine Ausnahme, sondern die Regel, dass Hinweise aus dem Ausland kommen, das gelte aber nicht nur für die deutschen Geheimdienste. "Es ist so, dass es in Deutschland immer öffentlich wird und in anderen Ländern nicht. Dadurch entsteht der Eindruck, wir hätten ein spezifisches Problem", sagt Götschenberg.
Brandenburgs Innenminister Stübgen sagte, es sei schon der dritte Fall, in dem die Brandenburger Behörden einen Anschlag nur aufgrund von Tipps ausländischer Geheimdienste hätten verhindern können. Dies sei zwar normal und wichtig, es zeige aber auch, "dass die gesetzlichen Möglichkeiten unserer Nachrichtendienste nicht ansatzweise ausreichen, um der wachsenden Terrorgefahr in diesem Land zu begegnen", so Stübgen. Er fordert insbesondere bei der Gesichtserkennung und der Vorratsdatenspeicherung mehr Befugnisse für die deutschen Sicherheitsbehörden.
Welche Orte spielen bei dem Anschlagsplan noch eine Rolle?
Neben der Unterkunft des Tatverdächtigen in Bernau haben Sicherheitsbehörden auch eine Wohnung in Sankt Augustin bei Bonn durchsucht. Nach Informationen des ARD-Terrorismusexperten Götschenberg handelt es sich dabei um die Wohnung von A.s Onkel. Der Verdächtige hatte offenbar vor, sich nach erfolgter Tat nach Sankt Augustin abzusetzen und von da aus das Land zu verlassen - womöglich mithilfe eines Schleusers. Der Onkel gelte aber nicht als Verdächtiger, sondern als Zeuge.
Wie hoch ist die Terrorgefahr in Deutschland?
Die Bundesregierung warnt vor einer "sehr ernsten" Terrorgefahr in Deutschland. Man werde weiterhin "alles daran setzen, dass die gefährlichen Pläne der Israel-Hasser und Antisemiten nicht aufgehen", sagte Justizminister Marco Buschmann der Nachrichtenagentur dpa. Innenministerin Nancy Faeser betonte die Bedeutung des bereits massiven Schutzes israelischer und jüdischer Einrichtungen. "Wir handeln mit höchster Wachsamkeit und Aufmerksamkeit angesichts der hohen Bedrohungslage durch islamistische, antisemitische und israelfeindliche Gewalt."
Derzeit werden in Berlin laut Polizei 160 jüdische und israelische Objekte rund um die Uhr bewacht. Für die Sicherheit der israelische Botschaft gelte demnach generell ein "maximal hohes Level". Durch die bekannt gewordenen Anschlagspläne habe sich dieses Level nicht erhöht, erklärte Polizeisprecherin Beate Ostertag. Die Berliner Polizei bewerte die Situation aber ständig neu und stehe dazu mit nationalen und internationalen Behörden im Austausch.
Seit dem Terrorangriff islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023 ist in Deutschland eine starke Zunahme antisemitischer Vorfälle registriert worden. Anfang September war es bereits nahe dem israelischen Generalkonsulat in München zu einem Schusswechsel zwischen einem 18-jährigen Österreicher und der Polizei gekommen. Auch in diesem Fall gehen Ermittler von einem versuchten Terroranschlag des getöteten Schützen aus.
Sendung: rbb24, 21.10.2024, 13:00 Uhr
Dieser Text erschien zuerst auf Tagesschau.de.