Hessen Start der ESA-Rakete Vega C geglückt: Wächter-Satellit Sentinel-1C im All
In einem Wiederholungsversuch ist eine Rakete der ESA mit einem Wächter-Satelliten zur Erdbeobachtung erfolgreich abgehoben. 24 Stunden zuvor hatte der Start wegen mechanischer Probleme abgebrochen werden müssen.
Nach einem fehlgeschlagenen ersten Versuch am Vortag ist die europäische Vega-C-Trägerrakete am Donnerstagabend in einem zweiten Anlauf ins Weltall gestartet.
Die Rakete hob um etwa 22.20 Uhr deutscher Zeit vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana ab. Eigentlich sollte dies bereits zur selben Uhrzeit am Mittwochabend passieren.
Probleme beim ersten Versuch am Mittwoch
Doch weil sich ein Montageturm zum Start nicht wegschieben ließ, war der Raketenstart kurzfristig geplatzt. Die verantwortliche Ariana Group hatte am Mittwoch auf Schwierigkeiten mit der Mechanik verwiesen.
Die Vega-C-Rakete steht am europäischen Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana auf der Startrampe.
Für die europäische Raumfahrtbehörde ESA in Darmstadt ist der Start enorm wichtig, um kleinere Satelliten eigenständig ins All zu bringen und Europas Zugang zum All somit zu stärken.
Laut ESA-Chef Josef Aschbacher deckt die Vega C genau den Bereich ab, den die Esa für sehr viele Missionen brauche. "Das ist wirklich ein Bedarf, den wir bisher nicht so erfüllen konnten."
Nicht der erste Fehlversuch
An Bord hat die Vega C den Satelliten Sentinel-1C des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus. Der Satellit soll im All mehr als sieben Jahre lang wichtige Daten für die Erdbeobachtung zu liefern.
Eigentlich war die Vega C bereits vor mehr als zwei Jahren an den Start gegangen. Doch nach einem erfolgreichen Erstflug im Juli 2022 missglückte der erste kommerzielle Start im Dezember des gleichen Jahres.
Die Rakete kam wenige Minuten nach ihrem Start wegen eines technischen Problems beim Triebwerk von ihrem Kurs ab. Daraufhin wurde das Flugobjekt zerstört und fiel ins Meer. Alle weiteren geplanten Starts wurden bis jetzt abgesagt.
Team hatte sich lange vorbereitet
45 bis 60 Minuten nach dem Start der Rakete - sobald eine Bodenstation das Signal des Satelliten empfängt - sollten die Experten der ESA im Satellitenkontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt die Steuerung übernehmen.
Im ESOC hatte man sich schon seit längerem auf den Start vorbereitet. Anhand von Simulationsprogrammen wurden alle Eventualitäten, die nach einem erfolgreichen Abheben eintreten können, durchgespielt. Es gibt sogenannte Prozeduren - Reaktionspläne, die festlegen, was in welchem Fall zu tun ist.
"Wie bei einer Frühgeburt"
Die ersten zwei bis drei Tage - die "Launch and early orbit phase" (LEOP) - sind besonders kritisch, wie Nicolaus Hanowski, Abteilungsleiter Missionsmanagement bei der ESA und Generalverantwortlicher für die Mission, im Vorfeld sagte. Ein Team von 20 bis 30 Menschen sei dann rund um die Uhr im Einsatz.
"Das ist wie bei einer Frühgeburt auf der Intensivstation", erzählte er. "Da müssen auch ständig Blutdruck, Herzschlag und andere Werte gemessen werden." In gleicher Weise wird im ESOC laufend überprüft, ob alle Untersysteme wie Lageregelung und Thermalsystem einwandfrei funktionieren.
Ersatz für kaputten Vorgänger
Dass der rund zwei Tonnen schwere Satellit rasch ins All kommt, ist aus Sicht der ESA besonders wichtig. Der dritte Satellit der Sentinel-1-Mission ersetzt nämlich seinen Vorgänger Sentinel-1B, der seit 2022 wegen eines technischen Problems außer Betrieb ist und später einmal kontrolliert in der Erdatmosphäre zum Verglühen gebracht werden soll.
Der neue Trabant soll zusammen mit Sentinel-1A die Kontinuität in der Versorgung mit Daten gewährleisten. An Bord hat er hochentwickelte Radarmessgeräte, die aus knapp 700 Kilometern Höhe hochauflösende Bilder von der Erde machen können - Tag und Nacht und bei jedem Wetter.
Klima und Naturkatastrophen im Fokus
Diese Daten liefern wichtige Informationen etwa über Klimaveränderungen und das Eis der Polarregionen. Sie erfassen Bewegungen von Eisbergen und Landmassen, erkennen aber auch Ölverschmutzungen auf der Meeresoberfläche, Schiffsverkehr und Entwaldungsvorgänge.
Auch bei Naturkatastrophen kommen die Satelliten zum Einsatz. So konnten Sentinel-Satelliten bei den schweren Unwettern in der spanischen Provinz Valencia Ende Oktober aus dem All Bilder vom Ausmaß der Überflutungen liefern. Laut ESA sind solche wichtigen Informationen binnen 60 Minuten nach dem Eintritt eines Ereignisses verfügbar.
Umfangreiches Netz zur Erdbeobachtung
Der Name "Sentinel" bedeutet so viel wie "Wächter". Neben der Sentinel-1-Reihe sind auch Satelliten weiterer Sentinel-Missionen bereits im Erdorbit unterwegs. Sie alle dienen der Erdbeobachtung, nutzen aber unterschiedliche Technologien für unterschiedliche Aufgaben.
Sentinel-2 zum Beispiel beobachtet die Vegetation auf der Erde mithilfe von Multispektralsensoren. Die Infrarot- und Radarmessgeräte von Sentinel-3 erfassen Wasserqualität und Temperaturen der Meere, bei Sentinel-5P geht es um Spurengase in der Erdatmosphäre.
Die Daten fließen in das Erdbeobachtungsnetzwerk Copernicus der Europäischen Union (EU) ein. Mit seiner Hilfe sollen unter anderem die Veränderung des Klimas überwacht und Umweltschutz und Naturkatastrophenmanagement verbessert werden. Die Daten sind für Wissenschaft, Behörden und Öffentlichkeit frei verfügbar.
Europa will in Sachen Raumfahrt unabhängig sein
Die Vega-C ist die Nachfolgerin der in Italien produzierten Vega-Rakete, die erstmals 2012 abhob. Für das neue, knapp 35 Meter hohe Modell wurde die Startrampe in Kourou modifiziert. Nach dem Fehlversuch vor zwei Jahren bediente sich die ESA für ihre EarthCARE-Mission im Mai einer Falcon-9-Rakete des amerikanischen Unternehmens SpaceX.
Der Rückkehr der Vega-C in den operativen Betrieb sieht man bei der ESA daher mit hohen Erwartungen entgegen. Der Chef der Abteilung Raumtransport, Toni Tolker-Nielsen, spricht von einem wichtigen Schritt für Europa hin zu einem unabhängigen Zugang zum Weltall.
Und auch ein weiterer Sentinel-Start ist schon geplant. Im kommenden Jahr soll Sentinel-1D den mittlerweile zehn Jahre alten Sentinel-1A ersetzen. Im Herbst 2025 soll der neue Satellit einsatzbereit sein.