Ein mürrischer Blick zurück: Darmstadts Trainer Florian Kohfeldt.

Hessen Darmstadt 98: Florian Kohfeldt als Klebstoff für Zuversicht bei den Lilien

Stand: 05.12.2024 07:06 Uhr

Das dramatische Pokal-Aus in Bremen ist für Darmstadt 98 nur der Anfang der norddeutschen Fußball-Woche. Am Sonntag reisen die Lilien nach Hamburg - und vertrauen dort wieder auf die Ideen ihres Trainers Florian Kohfeldt.

Von Daniel Schmitt

Ganz zum Schluss atmete Florian Kohfeldt tief durch. Und als die Luft fast raus war aus dem angespannten Körper des Fußballtrainers, pressten die Lippen mit letzter Puste hinterher: "Gut, dass es jetzt vorbei ist." Vorbei das Pokal-Achtelfinale in Bremen, vorbei der Last-Minute-Schock seines SV Darmstadt 98 bei seinem SV Werder (0:1), vorbei die unfreiwillige Florian-Kohfeldt-One-Man-Show.

Ja, er war besonders, dieser Auftritt in der Heimat. Dort, wo der gebürtige Siegener viele Jahre lang lebte, wo er ein Eigenheim besitzt, wo er Jugendspieler, Torwart der zweiten Mannschaft, U23-Coach sowie Profitrainer war. Wo er, Kohfeldt, mehr als sein halbes Leben verbrachte. "Sehr emotional", "sehr berührt", "sehr dankbar" – die Einordnungen des Erlebten gingen beim 42-Jährigen alle in dieselbe Richtung. Diesen Abend, die vielen Umarmungen, der ausgiebige Applaus, die Rückkehr zu Freunden, wie er sagte, wird er nie vergessen. "Herzlichen Dank!"

Zarte Gefühle blühen auf

Bremen und Kohfeldt war und ist etwas, was Darmstadt und Kohfeldt noch gar nicht sein kann: ein über Jahre entwickeltes Gefühl der gegenseitigen Zuneigung, die manch ein Medienschaffender gar als Liebe bezeichnete. Im Südhessischen keimt ein wohliges Gefühl gerade erst auf, wie Lilien im Frühsommer. Zaghaft, noch nicht ausgewachsen – und doch erkennbar. Es entwickelt sich etwas Positives in Darmstadt.

Minutenlang beklatschte der mitgereiste Anhang am Dienstagabend die Leistung der Ihrigen. Minutenlang stand Kohfeldt dabei und ging mit der Bewertung der Fans einher. "Ein herausragendes Spiel" bescheinigte er seinen Spielern, "großes Kompliment, darauf können wir aufbauen".

In der Tat spielten die Darmstädter ordentlich, gerade defensiv, sie ließen bis zum Gegentreffer in der vierten Minute der Nachspielzeit fast nichts zu. Offensiv dagegen fehlte es in Abwesenheit von Philipp Förster und Fraser Hornby am einen oder anderen Nadelstich. Manch einer, der den Zweitligisten nicht ganz so im Herzen trägt wie die in blau-weiß gekleideten Fans, attestierte den Gästen gar eine destruktive Spielweise. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte.

Kohfeldt hat "taktisch und emotional alles drauf"

Unabhängig davon ist es beachtlich, wie sich die Darmstädter Profis hinterher äußerten, allen voran der Vorredner des Teams, Torwart Marcel Schuhen. "Flo", also Kohfeldt, habe mit seiner defensiven Herangehensweise, die dem sonstigen Ansatz widersprach, "den richtigen Plan mitgegeben". Und ähnlich wie zu Erfolgszeiten unter Torsten Lieberknecht sei die komplette Mannschaft der Idee gefolgt. "Das hat er sich in den wenigen Monaten verdient", so Schuhen.

Er meinte das Vertrauen in ihn, den Trainer, der für die zu Saisonbeginn so verunsicherten Darmstädter Fußballer offenbar der nötige Klebstoff ist, um als Einheit zu funktionieren. "Man sieht: Flo hat taktisch alles drauf, emotional auch. Und jetzt ist er stolz auf uns, das ist entscheidend", sagte Schuhen.

Kohfeldts HSV-Bilanz ist kurz wie makellos

Die Woche des Florian Kohfeldt hat am Dienstag ihren emotionalen Höhepunkt erlebt, womöglich aber nicht ihren sportlichen. Am Sonntag (13.30 Uhr) sind die Darmstädter zu Gast in der nächsten Hansestadt, in Hamburg, beim Sportverein, der bei einem wie Kohfeldt, einem Ur-Bremer, sicher wieder spezielle Gefühle wecken wird. Einmal in seiner Trainerkarriere stand er dem HSV als Profitrainer bisher gegenüber, gleich in seinem ersten Jahr.

Im Februar 2018 war das, mitten im Abstiegskampf, da reiste der kriselnde HSV zum kriselnden SVW. Es war ein aufgeladenes Nordderby, eines mit wenig Fußball und viel Leidenschaft, dazu reichlich Pyro auf den Rängen. Und vor allem eines, das den Hamburgern, damals übrigens mit dem Linksaußen Filip Kostic, dem Torwart Christian Mathenia und dem Vorstandsboss Heribert Bruchhagen, so etwas wie den Rest gab. 1:0 setzte sich Kohfeldts Bremen durch, kurz vor Ultimo durch ein Eigentor der Gäste. Der SV Werder hielt bald darauf die Liga, der HSV stieg ab – und seitdem nie wieder auf.

Zum gewohnten Offensivstil zurückkehren

Mit einem Sieg im Volkspark könnten die Darmstädter nun punktemäßig gleichziehen mit dem Hamburger SV, was ebenso bedeuten würde, dass die Lilien mittendrin in der Spitzengruppe der zweiten Liga wären. Denn obwohl die Rothosen vor nicht einmal zwei Wochen ihren Trainer Steffen Baumgart entließen, sind sie einen Dreier später aktuell Tabellenzweiter.

Insofern: Durchatmen, Kraft sammeln, am Sonntag wieder etwas offensiver agieren - und der SV Darmstadt 98 könnte die norddeutsche Woche womöglich doch noch mit einem südhessischen Erfolgserlebnis abrunden.