Wäscheklammern mit Namen von Kindern hängen in einer Kita an einer Leine.

Hessen Bertelsmann-Studie: In Hessens Kitas wird die Notlösung zum Normalfall

Stand: 04.12.2024 15:37 Uhr

In hessischen Kitas gibt es immer weniger ausgebildete Pädagogen. Das hat eine Analyse der Bertelsmann-Stiftung ergeben. Viele der Mitarbeiter fühlen sich zudem überlastet - und ziehen einen Berufswechsel in Betracht.

In Hessens Kindertagesstätten arbeiten immer weniger Vollprofis. So geht in zunehmend mehr Einrichtungen der Anteil der Mitarbeitenden zurück, die mindestens über eine Qualifikation als Erzieher oder als Erzieherin verfügen. Zu diesem Ergebnis kommt das "Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme" der Bertelsmann Stiftung. 

Weil vielerorts das Personal fehlt, würden immer mehr Menschen ohne die formalen pädagogischen Voraussetzungen eingestellt, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, hieß es. Und: "Was der Notsituation geschuldet ist, könnte zu einer dauerhaften Praxis werden." 

Nur 36 Prozent der Kita-Teams mit hoher Fachkraft-Quote

Laut den Daten gab es im letzten Jahr in Hessen nur in 36 Prozent der Kita-Teams eine hohe Fachkraft-Quote, bei der mehr als acht von zehn pädagogisch Tätigen über mindestens einen einschlägigen Fachschulabschluss verfügen.

Zum Vergleich: Im Jahr 2017 traf dies noch auf 47 Prozent der Teams zu. Mit 11 Prozentpunkten falle der Rückgang in Hessen etwas deutlicher aus als auf Bundesebene (minus 9 Prozentpunkte). Am höchsten waren die Werte in Berlin (minus 18 Prozentpunkte).

"Auch in Hessen versucht man, den Platz- und Personalmangel in den Kitas durch den Einsatz von Mitarbeitenden aufzufangen, die für ihre Arbeit mit den Kindern nicht die formalen pädagogischen Voraussetzungen mitbringen", sagte Kathrin Bock-Famulla, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung. "Das darf aber nicht zu einem dauerhaften Absenken der Fachkraft-Quote führen – doch genau diese Tendenz sehen wir momentan in Hessen."

Verschiedene Studien zeigten, dass eine niedrige Fachkraft-Quote im Team die Qualität der pädagogischen Arbeit mindere. Zudem stelle die Begleitung von nicht einschlägig ausgebildeten Mitarbeitenden zunächst zusätzlichen Aufwand und damit eine weitere Belastung für das Fachpersonal dar.

Kita-Personal bundesweit stark überlastet

Dass das Kita-Personal bundesweit bereits jetzt stark überlastet ist, zeigt eine Studie der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Bertelsmann Stiftung. Demnach gab fast die Hälfte der befragten Kita-Mitarbeitenden an, sich täglich oder fast täglich im beruflichen Alltag überlastet zu fühlen.

"Viele Beschäftigte schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Berufsfeld kurz- bis mittelfristig verlassen werden, als sehr hoch ein", teilte die Stiftung mit. Bei rund einem Viertel der Befragten liege diese sogar bei 80 Prozent oder höher. 

"Auch in Hessen besteht das Risiko, dass zahlreiche Fachkräfte das Berufsfeld verlassen. Ein weiteres Absenken der Fachkraft-Quote würde die Situation zusätzlich verschlechtern", betonte Bock-Famulla.

Verdi: "Enormer Rückschritt"

Viel Luft nach oben in Sachen Kita-Betreuung sieht die Gewerkschaft Verdi. Von einem "enormen Rückschritt" sprach Jana Beißert vom Landesverband Hessen.

"Wenn nicht genug gut qualifiziertes Personal für diese so wichtige Aufgabe bereitsteht, bleiben die Jüngsten unserer Gesellschaft auf der Strecke", hieß es in einer Mitteilung von Mittwoch.

Kitaverband: "Frühe Bildungsjahre sind entscheidend"

Kritik kam auch vom Deutschen Kitaverband. Er appellierte an Bund und Länder, die in der Studie aufgezeigten Probleme "nicht länger zu ignorieren." Es brauche ein Konzept, um Kitapersonal - auch Quereinsteiger - gezielt zu qualifizieren und weiterzubilden.

"Die frühen Bildungsjahre sind entscheidend für die Entwicklung eines Kindes", sagte Waltraud Weegmann, Vorsitzende des Deutschen Kitaverbands. Gleichzeitig gehe es darum, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sichern sowie insbesondere Frauen vor Altersarmut zu schützen.