Demonstrant mit Schild: Meine Chancen auf Ausbildung und Teilhabe sind gestri(e)chen

Hessen Bund kürzt Fördermittel: Wie Sparvorgaben beim Jobcenter in Offenbach durchschlagen

Stand: 05.12.2024 20:20 Uhr

Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen, ist sinnvoll – gesellschaftlich und wirtschaftlich. Doch der Bund kürzt die Fördermittel drastisch. Ein Blick nach Offenbach zeigt, wie gravierend die Konsequenzen sind.

Von Wolfgang Hettfleisch

Im Sozialkaufhaus Luise 34 in Offenbach läuft der Ausverkauf. Möbel und Haushaltswaren für den kleinen Geldbeutel prägen das Angebot. Doch die Einrichtung, betrieben unter dem Dach des Caritasverbands, steht kurz vor der Schließung – eine direkte Folge gestrichener Fördergelder.

Viele der Beschäftigten im Sozialkaufhaus arbeiteten in sogenannten Ein-Euro-Jobs. Genau das wird der Einrichtung nun zum Verhängnis, wie Anette Bacher, Leiterin der gemeinnützigen Gesellschaft hinter dem Projekt, erklärt. Das Offenbacher Jobcenter Mainarbeit könne keine Arbeitsgelegenheiten dieser Art mehr finanzieren. "Wir erhalten dafür eine Betreuungspauschale. Und diese kann nicht mehr gedeckt werden," so Bacher.

Zahlreiche Projekte in Offenbach werden eingestellt

Die Folge für das Sozialkaufhaus: 16 Langzeitarbeitslose können nicht mehr beschäftigt werden. Im Jahr 2023 förderte das Kommunale Jobcenter Mainarbeit Angebote zur beruflichen Eingliederung noch mit neun Millionen Euro. Im kommenden Jahr bleiben dafür nur noch knapp zwei Millionen.

Der Kahlschlag, den das inzwischen zerbrochene Ampelbündnis in seinem Haushaltsentwurf für 2025 angeordnet hat, trifft in Offenbach mehrere Angebote massiv – darunter auch die Lernwerkstatt. Sie stellt ihr Projekt für die berufliche Orientierung junger Menschen zum Jahresende ein.

Protest gegen den Kahlschlag

Wer schlechte Startchancen hat und Hilfe braucht, um eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle zu finden, ist in Offenbach ab Januar mehr oder weniger auf sich alleine gestellt. Nelly Kinzonzi von der Lernwerkstatt sieht es so: "Was der Staat macht, ist im Endeffekt, Nichtschwimmer und -schwimmerinnen vors Becken zu stellen und zu sagen: Springt mal! Und schwimmt!"

Auf die Folgen des Berliner Streichkonzerts in der beruflichen Bildung haben Betroffene am Donnerstag in einer Kundgebung am Offenbacher Rathaus hingewiesen. Die Initiative Arbeit hatte zur Demo aufgerufen. Der Verein muss zwei wichtige Bildungsprojekte in Offenbach aufgeben – darunter das Angebot "Eltern in Berufsvorbereitung – kurz EliB".

Auch erfolgreiches Elternprojekt vor dem Aus

Gabriela Held, die das Elternprojekt bislang betreut hat, glaubt nicht, dass die Rechnung aus Berlin aufgehen wird. Zwar würden erst einmal Kosten gespart, weil man die Träger nicht mehr bezahlen müsse. "Aber die Leute bleiben wahrscheinlich viel länger im Bürgergeld. Am Ende ist das eine Milchmädchenrechnung, und es kommt das Land und den Bund viel teurer."

Und in die Gleichung gehören auch noch diejenigen, die es dank Angeboten wie EliB beruflich geschafft haben. Menschen wie Nadja. Sie hat am Donnerstag in Offenbach mitdemonstriert, obwohl sie selbst nicht mehr betroffen ist. "Durch EliB habe ich meine Ausbildung gefunden, als Kauffrau in Groß- und Außenhandel. Die Firma hat mich auch übernommen." Nach einer Weiterbildung ist sie nun Finanzbuchhalterin - eine Erfolgsgeschichte.

Kämmerer Wilhelm übt Kritik am Sparkurs

Offenbachs Kämmerer und Sozialdezernent Martin Wilhelm (SPD') hat sich den Protest vor dem Rathaus angehört. Er kann den Unmut gut verstehen: "Wir müssen Menschen in Arbeit bringen und wir brauchen dafür am Ende auch Geld. An der Stelle zu sparen, und zwar so dramatisch zu sparen, ist aus meiner Sicht der absolut falsche Schritt."

Wilhelm ist Sozialdemokrat. Auch seine Partei hat im Bund die massive Kürzung von Fördermitteln zu verantworten, die auch andere Kommunen vor Probleme stellen wird. An seiner Kritik ändert das nichts.