Hessen Freude in Hessen nach Assad-Sturz in Syrien: "Wir weinen, wir zittern, wir lachen"
Der Sturz des Assad-Regimes löst bei den Syrern in Hessen große Freude aus. In vielen Städten gab es Kundgebungen, auf denen das Ende der Diktatur gefeiert wurde. Doch gleichzeitig bleibt die Unsicherheit darüber, wie es mit der Zukunft des Landes weitergeht.
Autocorsos, jubelnde Menschen - in vielen Städten in Hessen haben am Sonntag Menschen den Sturz des syrischen Regimes gefeiert. Auf dem Darmstädter Luisenplatz kamen laut Polizei etwa 350 Menschen zusammen. Versammlungen gab es auch in Kassel, Marburg, Wetzlar und Fulda.
In Kassel sprach die Polizei von rund 500 Teilnehmern, in Marburg und Wetzlar waren es jeweils etwa 350, in Fulda hätten sich rund 50 Menschen an der Versammlung beteiligt. Der Verlauf sei in allen Städten friedlich und ruhig gewesen, besondere Vorkommnisse habe es nicht gegeben.
In der Nacht hatten islamistische Rebellen das Regime in Syrien gestürzt und die Hauptstadt Damaskus offenbar kampflos übernommen. Präsident Baschar al-Assad ist Berichten zufolge geflüchtet.
Viele der rund 63.000 Syrer und Syrerinnen, die in Hessen leben oder hierher geflüchtet waren, verfolgten die Ereignisse aus ihrer Heimat – über Kontakt mit Freunden, Familie und in sozialen Netzwerken.
"Nichts ist schlimmer als Assad"
"Das ist der erste Morgen für die Syrer in Freiheit und ohne Diktator", sagt Nahla Osman, die die stellvertretende Geschäftsführerin vom Deutsch-Syrischen Verein in Darmstadt am Sonntag. "Wir können es kaum glauben. Wir weinen, wir zittern, wir lachen." Es sei ein "unbeschreiblicher Tag".
Es grenze an ein Wunder, dass die Aufständischen die syrischen Städte in den vergangenen Tagen "ohne einen Schuss" befreiten, betonte sie. "Wir hoffen, dass es so bleibt wie jetzt." Die Rebellen waren in den vergangenen Tagen schnell vorgerückt, Assad war kurz zuvor aus Damaskus geflohen, ehe sie in den Präsidentenpalast eindrangen.
Sie habe aber auch Angst davor, was nun auf diese Ereignisse folge. Aber nach 46 Jahren Herrschaft eines Regimes, das wahllos verhafte und vor Kindern, Frauen und unschuldigen Studenten nicht Halt mache, glaube sie an eine bessere Zukunft Syriens: "Wir Deutsch-Syrerinnen und Syrer sind der festen Überzeugung, dass es nicht schlimmer sein kann als Assad."
Bei den Rebellen, die den Sturz Assads erreicht haben, handele es sich nicht um Dschihadisten, betonte die Anwältin. "Es sind Freiheitskämpfer für ihr Land." Als Anwältin erhalte sie bereits viele Anfragen von Syrern aus Hessen, die in ihr Heimatland zurückkehren wollten, um ihre Stadt und ihr Land wieder aufzubauen.
Deutsch-Syrischer Verein hofft auf Demokratie
Safouh Labanieh, Geschäftsführer des Deutsch-Syrischen Vereins in Darmstadt, sieht in den jüngsten Ereignissen einen Kurswechsel nach Jahrzehnten autoritärer Macht in seiner Heimat.
"Es wird jetzt eine zivile Übergangsregierung gebildet und wir hoffen auf freie Wahlen und auf eine demokratische Regierung", sagte er am Morgen. In der vergangenen Nacht habe er zusammen mit dem Vereinsteam kaum geschlafen, "weil für uns klar war, dass es jetzt das Ende des Regimes ist".
Safouh Labanieh ist Geschäftsführer des Deutsch-Syrischen Vereins in Darmstadt.
Eingetreten was "alle Syrer wollten"
Es sei das eingetreten, was "alle Syrer wollten", sagt Labanieh, der in engem Kontakt mit Familien und Freunden in Aleppo steht. Der Verein unterstützt Krankenhäuser in Syrien, organisiert humanitäre Hilfe und hat Zentren für psychologische Hilfe in Syrien aufgebaut. Überall in Syrien werde nun gefeiert. "Das syrische Volk hat die Macht übernommen", betonte er. Das wolle man feiern.
Nur eine Sache stimmt Osman an diesem Tag traurig, wie sie erzählt. Dass ihr Vater, der 1959 mit 18 Jahren nach Rüsselsheim kam, vom Sturz des Assad-Regimes nicht mehr erfahre. "Mein Vater hat von Anfang an gegen dieses Regime friedlich demonstriert. Mein Vater durfte über 46 Jahre nicht in seine Heimat." Vor einigen Wochen sei er gestorben. "Er hätte sich so gefreut", sagt sie.
Kurdische Gemeinschaft warnt vor "Machtvakuum"
Es gibt aber auch mahnende Stimmen. "Dass das diktatorische Assad-Regime von Islamisten abgelöst wird, das ist eine sehr schöne Sache", betonte Mehmet Tanriverdi aus Gießen. Tanriverdi ist Vorstandsmitglied der Kurdischen Gemeinde Deutschland (KGD). Es dürfe aber kein "Machtvakuum" entstehen, das die Stabilität der Region gefährde und ausgenutzt werden könne. Unter den Aufständischen befänden sich zum Teil Anhänger der Terrorgruppen Al-Qaida und des sogenannten Islamischen Staates, warnte Tanriverdi.
"Wenn man ihnen die Macht einfach so überlasst und nicht aufpasst, werden sie einen Gottesstaat aufbauen." Das gefährde Minderheiten im Land wie etwa Kurden und Kurdinnen. Er forderte Deutschland und Europa auf, die demokratischen Kräfte im Land zu unterstützen. "Wir sind für einen föderalen, säkularen Status des zukünftigen Syriens, in dem die Rechte aller Volksgruppen berücksichtigt werden.