Hämophilie (Bluterkrankheit).Teströhrchen mit einem positiven Testergebnis.

Saarland Hoffnung für Bluter-Patienten: Neues Medikament kommt 2025 auf den Markt

Stand: 30.11.2024 17:55 Uhr

Medizinern der Uniklinik in Homburg ist ein Durchbruch in der Behandlung von Bluter-Patienten, die an schweren Formen der Hämophilie leiden, gelungen. In Studien konnten sie die Wirksamkeit eines neuen Medikaments für diese Patientengruppe nachweisen. Im Laufe des kommenden Jahres soll es verfügbar sein.

Anne Staut

Für Menschen, die an Hämophilie leiden, auch Bluter-Krankheit genannt, können bereits alltägliche Handgriffe zur Gefahr werden. Schneiden sie sich etwa beim Gemüse schnippeln in den Finger, kann es sein, dass die Wunde nicht aufhört zu bluten.

Auch ärztliche Behandlungen können mit besonderen Risiken verbunden sein. "Wenn zum Beispiel ein Zahn gezogen wird, ist es schon vorgekommen, dass ein nicht ausreichend behandelter Hämophilie-Patient danach verblutet ist", so Hermann Eichler, Professor für Transfusionsmedizin und Klinische Hämostaseologie an der Universität und Direktor des Instituts für Klinische Hämostaseologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes.

Im Blut gibt es normalerweise sowohl gerinnungsfördernde als auch gerinnungshemmende Faktoren. Diese sorgen dafür, dass das Blut im Bedarfsfall gerinnt bzw. dass die Blutgerinnung nicht zu stark aktiviert wird und sich Thrombosen bilden.

"Man kann sich das vorstellen wie auf einer Balkenwaage", erklärt Hermann Eichler. "Auf der einen Seite liegen die gerinnungsfördernden Faktoren in der Waagschale, die dafür sorgen, dass eine Wunde verschlossen wird. Auf der anderen Seite der Waagschale liegen gerinnungshemmende Faktoren, die dafür sorgen, dass das Blut im Blutkreislauf nicht gerinnt." Wenn dieses Gleichgewicht gestört werde und eine Seite überwiege, komme es in der Folge zur Thrombose oder eben zur unstillbaren Blutung.

Neues Medikament erweist sich als wirksam

Bei Patienten, die an einer schweren Form der Hämophilie leiden (Hämophilie A und B), fehlen die gerinnungsfördernden Faktoren 8 und 9 komplett. Sie sind deshalb auf eine ständige prophylaktische Behandlung angewiesen, so Eichler. Die sieht derzeit noch so aus, dass sich die Betroffenen ein- bis dreimal wöchentlich die fehlenden Gerinnungsfaktoren in eine Vene spritzen.

Für sie wird sich die Lage bald deutlich verbessern. Professor Eichler und sein Team haben in Zusammenarbeit mit dem Pharmakonzern Novo Nordisk nachweisen können, dass bei der schweren Hämophilie das neuartige Medikament Concizumab helfen kann.

Das verfolgt einen neuen Ansatz: Statt dem Blut die fehlenden Gerinnungsfaktoren zuzufügen, setzt das Medikament auf der anderen Seite an. Hier wird ein gerinnungshemmender Faktor blockiert. Dadurch könne das Gleichgewicht zwischen gerinnungsfördernden und -hemmenden Faktoren wieder hergestellt werden, so Eichler.

"Ein großer Schritt nach vorne"

"Der große Vorteil ist, dass es nicht in die Vene gespritzt werden muss, sondern mit einem Fertigpen mit ultradünner Nadel unter die Haut gespritzt werden kann", erläutert Eichler. Diese Methode ist etwa bekannt bei Diabetikern, die sich Insulin spritzen.

Laut Eichler ist das ein großer Schritt nach vorne. "Die Patienten erleben das als starke Entlastung im Vergleich zur Standardtherapie. Denn auch wenn das Medikament nun täglich gespritzt werden muss, ist es auf diese Weise einfacher für die Patienten. Hinzu kommt, es ist eine "quasi schmerzfreie Injektion."

Eichler geht davon aus, dass das Medikament für Patienten mit einer schweren Hämophilie im Laufe des kommenden Jahres auf dem Markt sein wird.

Schrittweise Einführung

Zuvor werden bereits Patienten davon profitieren, die ebenfalls an Hämophilie A oder B leiden, aber zusätzlich Antikörper gegen die Gerinnungsfaktoren 8 und 9 gebildet haben. Diese Gruppe spricht auf die Standardtherapie nicht mehr an, so Eichler.

Für diese Betroffenen hat das Zulassungskomitee der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) die Zulassung des Medikaments bereits empfohlen. Für sie wird Concizumab deshalb wohl schon im ersten bzw. zweiten Quartal 2025 verfügbar sein.

Mehr Gesundheitsthemen im Saarland