Neugeborenes wird im Arm gehalten.

Saarland Weitere Wege für Schwangere im Nordsaarland

Stand: 30.11.2024 20:49 Uhr

Im Nordsaarland müssen Schwangere inzwischen häufig weite Wege ins nächste Krankenhaus zurücklegen, seit die Geburtshilfeabteilungen der Kliniken in Merzig und St. Wendel geschlossen sind. Hebammen und Mütter berichten vom neuen Alltag.

Norman Striegel / Onlinefassung: Sandra Schick

Eine Schwangere bekommt starke Wehen und muss schnell ins Krankenhaus. Doch "schnell" ist relativ, wenn man einen Anfahrtweg von rund einer dreiviertel Stunde hat.

Für Schwangere im Nordsaarland ist das inzwischen Realität. Nachdem vor knapp einem Jahr die Geburtsabteilung am Merziger Krankenhaus geschlossen hat, ist seit Oktober auch die in St. Wendel dicht. Schwangere müssen sich nun weiter entfernte Kliniken suchen.

Klinik in Neunkirchen übernimmt Geburten

Wie die Marienhausklinik in Neunkirchen. Sie wird wohl einen großen Teil der Patientinnen aus dem Nordsaarland übernehmen. An der Klinik rechnet man jetzt mit deutlich mehr Geburten: 1700 könnten es im kommenden Jahr werden.

Die Dienste vor Ort teilen sich nun die St. Wendeler und Neunkircher Hebammen. Hebamme Sandra Brunnett ist eine von ihnen. Sie ist sauer: Die Geburtshilfe habe einfach eine schlechte Lobby. Die Schließung der St. Wendeler Abteilung sei eine Folge vieler Fehlentscheidungen.

"Ich lebe seit über 30 Jahren in der Geburtshilfe [...] und mir ist schon an vieler Stelle die Hutschnur fast gerissen, aber wir haben keinen Einfluss drauf. Wir können nur dafür kämpfen, und unseren Standpunkt klarmachen, wie wichtig einfach eine Versorgung ist."

Zweitletztes Baby in St. Wendel

Jule aus Selbach kam gerade noch rechtzeitig zur Welt, als zweitletztes Baby im St. Wendeler Krankenhaus – kurz bevor dort die Entbindungsstation geschlossen wurde. Inzwischen ist das Baby mit seiner Mutter Katharina Laub-Knapp zu Hause und alle sind erleichtert.

"Ich bin einfach nur froh, dass wir es noch geschafft haben in St. Wendel zu entbinden. [...] Deswegen war ich auch ein bisschen geschockt, als ich das gehört habe."

Auch ihre Hebamme Caroline Theobald hat jetzt deutlich weitere Anfahrtswege. Bisher hat sie sich in St. Wendel um Geburten gekümmert. Jetzt muss sie, wie die Mütter, nach Neunkirchen fahren, vierzig Minuten von Selbach entfernt. Man merke, dass viele Frauen verunsichert seien.

"Wir merken auch, dass vielleicht die Frauen früher in die Klinik kommen, als sie eigentlich müssten, weil sie halt nicht mit so starken Wehen so lang Autofahren möchten", berichtet Theobald.

Saarländerinnen entbinden in Landstuhl und Idar-Oberstein

Ob alle anderen Babys aus dem Nordsaarland ab sofort in Neunkirchen zur Welt kommen, ist ungewiss. Hebamme Caroline Theobald jedenfalls hat Zweifel.

"Es gab Frauen, die schon sofort gesagt haben, wir gehen woanders hin. Unser Einzugsgebiet ging bis Birkenfeld, bis Nonnweiler, die sind schneller in Idar-Oberstein. Oder auch aus Freisen ist man viel schneller in Landstuhl zum Beispiel."

Fachkräftemangel auch in der Geburtshilfe

Der ärztliche Direktor Ernst Konrad ist für Neunkirchen und St. Wendel zuständig. Er sieht den Grund für die Schließung der Geburtshilfe im Fachkräftemangel, aber auch in der Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministers. Sie zwinge die Kliniken sich stärker zu spezialisieren und nicht mehr alles anzubieten.

"Es ist einfach nicht mehr möglich in Deutschland überall eine Geburtshilfe zu betreiben, weil einmal das Personal fehlt, das haben wir in Merzig gesehen, und weil auch die finanziellen Rahmenbedingungen nicht da sind. Und das wird in anderen Bereichen noch viel schlimmer werden."

Ministerium spricht von hausgemachten Problemen

Unterstützer der von der Bundesregierung geplanten Krankenhausreform wiederum sehen die Träger in der Verantwortung. Auch der saarländische Gesundheitsminister Magnus Jung (SPD) verteidigt die Reformpläne. Er sagt, zumindest der Personalmangel sei zum Teil hausgemacht.

"Ärztinnen und Ärzte, die in der Gynäkologie arbeiten, wollen in der Regel nicht nur Geburtshilfe machen, sondern auch andere gynäkologische Behandlungen durchführen. Nun hat der Träger vor drei Jahren einen Teil genau dieser Behandlungen vom Standort St. Wendel wegverlagert, hat ihn also selbst unattraktiver gemacht."

Zukünftig vielleicht mehr Hausgeburten?

Und Katharina Laub-Knapp? Sie ist noch unschlüssig, wo sie hingeht, sollte sie ein zweites Kind bekommen. "Das weiß ich noch nicht. Vielleicht wird’s eine Hausgeburt."

Über dieses Thema hat auch die Sendung Wir im Saarland im SR Fernsehen am 27.11.2024 berichtet.

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