Sachsen Bäckermeister und Backfluencer aus Dresden: "Unser Handwerk ist geil"
2022 verschwanden 780 Bäckereien bundesweit, aber nur 422 wurden zeitgleich neu gegründet. Lehrlinge wurden immer rarer, Fachkräfte auch. So kann das nicht weitergehen, sagte sich die Bäckerei Krause in Dresden. Der Familienbetrieb entschied sich für eine Instagram-Strategie. Die setzt ein Mitarbeiter als Backfluencer um, der als Lehrling einst im Betrieb begann.
"Dass ich bald mein halbes Leben hier in der Bäckerein bin, hätte ich als junger Mensch auch nicht gedacht." Das sagt Bäckermeister Juan Rüdrich, der gerade seinen 30. Geburtstag gefeiert hat. Als 15-Jähriger hatte er nach der 9. Klasse in der Bäckerei Krause als Lehrling angefangen und einige Jahre später seinen Meisterabschluss gemacht. Heute arbeitet der Dresdner als stellvertretender Produktionsleiter und ist als Backfluencer auf Instagram unterwegs.
Wir müssen zeigen: Unser Handwerk ist geil. Juan Rüdrich | Bäckermeister aus Dresden über seine Instagram-Beiträge
Zeigen, wie es wirklich ist
"Wir haben uns voriges Jahr gesagt: Mensch, das Handwerk ist so wichtig und muss bewahrt werden. Es gibt ja immer weniger Bäckereien." Seit Ende 2023 postet der Bäcker kurze Videos und stellt darin die Arbeitsabläufe vor und beantwortet Fragen. Die Videos unter dem Slogan "die ehrlichste Bäckerei Deutschlands" sehen weder besonders ausgeleuchtet noch gestylt aus. Rüdrich redet mit Dresdner Dialekt über die Arbeit in der Backstube (@baeckerei_krause_dresden).
Herzblut, Energie und Traditionen
"Mir ist wichtig, dass die Leute sehen, was da alles dahinter steckt, wieviel Herzblut, wieviel Energie und wie toll das Handwerk ist." Außerdem sei es wichtig, dass Traditionen nicht vergessen würden und alles echt rüberkomme.
Maschinen unterstützen unsere Arbeit, aber wir verlassen uns nicht auf sie. Jedes Produkt, jedes Brot geht immer noch durch Bäckerhände. Juan Rüdrich | Backfluencer und Bäckermeister
Backen ist Teamarbeit, Social Media-Arbeit auch - aber nicht jeder Kollege will vor die Kamera des Backfluencers Juan Rüdrich (li.).
Das Social-Media-Dilemma
Rund 3.300 Menschen folgen Rüdrich, ein Video sei auch schon mal 350.000 Mal aufgerufen worden. "Im Grunde schadet uns Social Media ein bisschen", erzählt Juan Rüdrich. Denn: "Die jungen Leute sehen online reiche Typen, die als Influencer oder Youtuber Geld machen. Das sind aber die allerwenigsten, die das schaffen. Trotzdem denken viele: Warum soll ich mich anstrengen und eine Lehre machen? So' ne Denke macht die Handwerksberufe kaputt."
Erste Schichten starten kurz nach Mitternacht
Work-Life-Balance sei ein großes Thema. "Die Leute wollen ausschlafen und nicht zu viel arbeiten", meint Rüdrich. Er werde auch immer wieder nach dem zeitigen Aufstehen gefragt. Die ersten Bäcker in seinem 25-köpfigen Team beginnen um 00:30 Uhr, spätere Schichten starten um 1:30 Uhr und um 3:30 Uhr in der Backstube bei Krauses. "Ich denke, es ist eine Gewohnheitssache. Mittlerweile ist es für mich ganz natürlich, dass ich so früh anfange."
Morgens um 6 Uhr ist noch der Mond über der Produktionsstätte von Bäcker Krause in Dresden-Niedersedlitz zu sehen. Für einen Teil der rund 100 Mitarbeiter ist da der Feierabend schon in Sichtweite.
Das Gute am Frühaufstehen: Zeitiger Feierabend, Ruhe, Tageslicht
Als Lehrling seien solche Arbeitszeiten für ihn "schwierig" gewesen. Zu seinem Glück sei seine Mutter damals auch so früh aufgestanden und habe ihm immer Kaffee gekocht. "Das hat sie drei Jahre lang durchgezogen", erzählt Rüdrich mit Respekt in der Stimme für die Mama. "Mittlerweile komme ich mit vier Stunden Schlaf am Tag aus. Mittagsschlaf mache ich nur selten."
Ich liebe das, schon mittags wieder zu Hause zu sein und meine Erledigungen zu machen, wenn nicht so viel los ist, sei es beim Einkaufen oder auf Ämtern. Ich hab' mehr Freizeit, als wenn ich bis 17 Uhr arbeiten müsste. Juan Rüdrich | stellvertretender Produktionsleiter der Bäckerei Krause in Dresden
Das frühe Aufstehen habe auch gute Seiten: Wer früh anfängt, hat mittags Feierabend. "Ich wöllte nicht mehr tagsüber arbeiten." Lieber nutzt der 30-Jährige den hellen Tag für Spaziergänge mit seinem Hund, Fußballtraining und geht vier bis fünf Mal in der Woche ins Fitnessstudio.
Gretchenfrage unter Bäckern: Eierschecke mit oder ohne Rosinen?
"Ich hab' Glück und einen guten Stoffwechsel. Noch", fügt der Bäckermeister lachend hinzu, der am liebsten Süßes isst und jeden Tag alles aus der Backstube probiert. "Kuchen, Kekse, Pfannkuchen, alles. Am liebsten backe ich Eierschecke, wirklich wahr." In der Bäckerei Krause gehören da übrigens keine Rosinen hinein. "Wir haben vielleicht nur zehn Mal im Jahr Bestellungen für Eierschecke mit Rosinen."
Bäckermeister Rüdrich empfiehlt für den saftigsten Stollen-Geschmack einen 2-Kilo-Stollen oder sich einen halben 2-Kilo-Stollen geben zu lassen. Denn: Bei denen sei das Kruste-Krume-Verhältnis am besten, also das braune Äußere im Verhältnis zum Teig innen.
Bäcker aus Leidenschaft - auch zu Hause
Wenn er nicht gerade Fußball oder Kraftsport trainiert, schaut sich der Dresdner auch andere Instagram-Kanäle von Hobbybäckern an und holt sich Ideen. "Das backe ich zu Hause nach." Das Gute an seinem Beruf sei ja, dass man sich immer behelfen könne. "Alles, was Kochen und Backen angeht, liegt einem. Ein Bäcker kann auch meistens kochen und weiß sich zu helfen."
Sollten die Kuchen oder Torten-Wünsche größer ausfallen, dann darf Juan Rüdrich am Wochenende auch den Backofen auf Arbeit nutzen. Darin hatte er im vorigen Advent sechs Kilo Stollen gebacken, die er an Familie und Freunde verschenkte.
Zur Zeit backen Juan Rüdrichs Kollegen Mohn- und Mandelstollen. Die werden in 13 Filialen, im Online-Shop und demnächst auch auf Weihnachtsmärkten verkauft. Ein Händler aus Japan bestellt immer im Sommer dutzende 500-Gramm-Stollen.
Backwaren verkaufen, das müsse man sich verdienen
Das stört ihn ein bisschen bei den Backfluencern, die online ihre Torten und Kuchen vermarkten. "Um Torten zu verkaufen, braucht man in Deutschland einen Meistertitel. Das wissen viele gar nicht, dass der Verkauf geschützt ist." Rüdrich findet das Gesetz richtig und verweist auf die drei Jahre dauernde Ausbildungszeit und Meisterkurse seines Handwerks. "Man muss es sich auch verdienen, Backwaren zu verkaufen."