Sachsen Deutlich mehr Rechtsextremisten und rechte Straftaten in Sachsen
Seit 2023 gelten AfD und "Junge Alternative" als gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Dadurch ist im sächsischen Verfassungsschutzbericht die Zahl der registrierten Szeneanhänger gestiegen. Nichts mit dieser Einstufung zu tun hat dagegen der sprunghafte Anstieg rechtsextremistischer Straftaten. Gefährlich bleibt auch der Linksextremismus, laut Bericht allerdings in geringerem Ausmaß. Mit ihren Spionage- und Cyberaktivistäten haben es auch Russland und China in den Bericht geschafft.
- In Sachsen ist die Zahl von Rechtsextremisten auf einem neuen Höchststand, die Straftaten sind sprunghaft gestiegen.
- Bei Linksextremismus und Islamismus stagniert das Geschehen weitgehend.
- Russische und chinesische Geheimdienste haben auch Sachsen im Visier.
Höchststand bei Rechtsextremisten in Sachsen
Die Zahl der Rechtsextremisten in Sachsen hat einen neuen Höchststand erreicht. Das geht aus dem Jahresbericht 2023 des Landesamtes für Verfassungsschutz hervor. Er wurde am Dienstag in Dresden vorgestellt. Demnach gab es im Freistaat zuletzt fast 5.800 Rechtsextremisten. Das sind fast 1.400 mehr als noch im Vorjahr. Zum Vergleich: 2017 hatten Sachsens Verfassungsschützer noch 2.600 Menschen mit rechtsextremer Gesinnung gezählt.
Der jüngste Anstieg beruht laut Innenminister Armin Schuster (CDU) vor allem darauf, dass der AfD-Landesverband, seine Nachwuchsorganisation "Junge Alternative" sowie der Verein "Ein Prozent" seit 2023 als gesichert rechtsextremistische Bestrebungen im Freistaat gelten.
Rassismus so hoch wie zuletzt 2015
Doch auch die Zahl rechtsextremistischer Straftaten in Sachsen ist sprunghaft gestiegen. Nachdem sie mehrere Jahre in Folge gesunken war, registrierte der Verfassungsschutz vergangenes Jahr knapp 2.600 Fälle - 50 Prozent mehr als 2022. Die enthaltene Zahl fremdenfeindlicher Straftaten ist sogar so hoch wie seit 2015 nicht mehr. Diese Entwicklung betrifft alle Landkreise und kreisfreien Städte in Sachsen. Die Zahl rechtsextremistisch genutzter Immobilien stieg landesweit auf 35.
Köditz nicht überrascht, Urban nicht erfreut
Nach Aussage von Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian bleibt der Rechtsextremismus die größte Herausforderung für die Gesellschaft in Sachsen: "Seine Anstrengungen, die Gesellschaft zu spalten und die politischen Diskurse mit seinen ideologischen Positionen zu unterwandern, haben sich noch einmal verstärkt." Rechtsextremistischen Parteien und Gruppierungen würden vor allem das Thema Asyl für ihre verfassungsfeindliche Agenda unverändert instrumentalisieren.
Für die Innenexpertin der Linken im Sächsischen Landtag, Kerstin Köditz, ist diese Einschätzung wenig überraschend. Das gelte auch für die beobachtete zunehmende Zusammenarbeit zwischen der AfD und anderen rechtsextremistischen Organisationen.
AfD-Landeschef Jörg Urban lässt in seiner Reaktion auf den Bericht diese Zusammenhänge unkommentiert – ebenso wie die dokumentierte sprachliche Annäherung von AfD-Politikern an Verschwörungstheoretiker und Delegitimierer, die den Staat und die Demokratie massiv verächtlich machen und Misstrauen säen. Stattdessen bezeichnet er den Verfassungsschutz als eine von der Regierung eingesetzte "Gesinnungspolizei", die die Meinungsfreiheit bekämpfe.
AfD-Landeschef Urban zweifelt die Kompetenz und poltiische Unabhängigkeit des sächsischen Verfassungsschutzes an.
Mehr Reichsbürger, Linksextremisten und Islamisten stagnieren
Im Freistaat lebten 2023 laut Verfassungsschutzbericht auch rund 3.000 sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter im Freistaat. 2022 waren es noch 2.500. Ein Hauptgrund dafür ist der Behörde zufolge die weitere Ausbreitung des selbsternannten "Königreichs Deutschland" vor allem im Osten Sachsens.
Das "Königreich Deutschland" versucht, mit dem Kauf von Immobilien seinen Wirkungsbereich in Sachsen auszudehnen.
Die linksextremistische Szene im Freistaat ist kaum gewachsen – im Jahresvergleich um 15 auf 905 Personen. Die Hälfte davon sind Anhänger der Autonomen Szene und damit etwas weniger als 2022. Regionaler Schwerpunkt bleibt demnach Leipzig, auch wenn der Verfassungsschutz mit "Anarchist Black Cross Dresden" und "Rotes Dresden" zwei Bewegungen aus der Landeshauptstadt in seine Liste nachgewiesen linksextremistischer Beobachtungsobjekte aufgenommen hat.
Die Zahl der Islamisten liegt dem Verfassungsschutzbericht zufolge unverändert bei 450. Seit Beginn des Gaza-Krieges im Oktober 2023 registrierte die Behörde zudem eine starke Zunahme antisemitischer Straftaten mit Extremismusbezug in Sachsen. Im Gesamtjahr waren es am Ende 43 und damit fünfmal so viele wie 2022.
Der Jahresvergleich zeigt, dass Rechtsextremisten und Reichsbürger in Sachsen deutlich mehr Zulauf haben und stärker vertreten sind als Linksextremisten und Islamisten.
Russische Desinformationsversuche auch in Sachsen
Ein eigenes Kapitel im sächsischen Verfassungsschutzbericht ist der Spionage- und Cyberabwehr gewidmet. Demnach sind die mit Abstand aktivsten ausländischen Nachrichtendienste im Freistaat die russischen und chinesischen. Russland versuche vor allem mit Blick auf den Krieg in der Ukraine gezielt Desinformationen zu verbreiten, Meinungen zu beeinflussen und die westliche Demokratie zu destabilisieren. LfV-Präsident Christian sieht Deutschland und Sachsen dabei in die Zange genommen. Auf der einen Seite würden inländische Extremisten, auf der anderen ausländische Akteure immer stärker versuchen, die Gesellschaft zu unterwandern und zu spalten. Zusätzlich versucht Russland demnach, die kriegsbedingten Sanktionen zu umgehen und an Hochtechnologieprodukte aus Sachsen zu gelangen.
Das Internet ist eine wirkungsvolle Waffe im Meinungskrieg und ein wichtiges Instrument in der Wirtschaftsspionage.
China will alles wissen
Die chinesischen Nachrichtendienste wollen dagegen vor allem Spitzentechnologien und das entsprechende Know-how "abschöpfen", um ihr Land zur weltweit größten Wirtschaftsmacht zu entwickeln. Das beinhaltet dem Bericht zufolge Versuche, chinesische Studenten, Wissenschaftler und Fachkräfte gezielt auch in sächsischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen unterzubringen sowie Firmen ganz oder zumindest teilweise zu übernehmen. Dabei profitiere China von einer gewissen Arglosigkeit und fehlendem Problembewusstsein in vielen Amtsstuben, Hochschulsekretariaten und Firmenbüros in Sachsen.
Sachsen ist als Standort von Hochtechnologie für chinesische Dienste und deren Ziele sehr appetitanregend. Armin Schuster | Innenminister von Sachsen (CDU)
MDR (stt)/epd