Fünf Personen sitzen auf einer Bühne

Sachsen Leipziger Kulturszene besorgt: Wackelt das "Konzept Nachtleben"?

Stand: 21.10.2024 05:00 Uhr

Steht Leipzig vor einem Einschnitt im nächtlichen Club-Leben? Die Kulturszene befürchtet genau das und hat nun einen Hilferuf abgesetzt. Dabei zählt die größte Stadt Ostdeutschlands mit ihrem "Konzept Nachtleben" zu den deutschen Vorreitern auf diesem Gebiet. Auch andere Städte kopierten das Konzept, wonach sich feste Koordinatoren um die Belange der Clubs kümmern. Doch wie so oft ist die Finanzierung Dreh- und Angelpunkt. In dieser Woche wird eine Entscheidung erwartet.

Von Leven Wortmann, MDR SACHSEN

Kleine Bühne im Leipziger Kupfersaal. Auf dem Podium sitzen fünf Vertreterinnen und Vertreter der Kulturszene der Stadt, die eine Sorge umtreibt: Wie geht es ab 1. Januar mit ihrer Koordinatorin für das Nachtleben weiter? Kristin Marosi hat diese Stelle im August 2023 übernommen, doch mit dem Jahreswechsel fehlt die weitere Finanzierung. Jana Milbrodt, Mitglied im Leipziger Nachtrat, befürchtet: "Viele Clubs sind gerade an der Grenze und müssten aufgeben, wenn die geschaffenen Strukturen und die Stelle wegbrechen sollten."

Doppelspitze als zentrales Element

Marosis Stelle ist Bestandteil des 2020 entwickelten Nachtkonzepts. Dessen Ziel war es, feste Anlaufstellen zu schaffen, die einerseits zwischen Bürgern, Kulturschaffenden, Verwaltung und Polizei vermitteln. Dadurch soll es weniger Konflikte, beispielsweise durch Ruhestörung, und letztendlich auch weniger Schließungen von Kulturstätten geben. Andererseits geht es auch um die Beratung von Clubs und Kultureinrichtungen, welche Fördermittel sie in Anspruch nehmen können, um ihre knappen Kassen zu entlasten.

Schema des Konzepts Nachtleben Leipzig.

Das Konzept Nachtleben sieht als zentrales Element eine Doppelspitze aus dem Nachtbürgermeister (Angestellter der Stadt) und der Koordinierungsstelle Nachtleben (Vertreterin der freien Kulturszene) vor. Die Koordinierungsstelle würde ohne weitere Finanzierung ab 2025 wegfallen.

Für diese Aufgaben wurde eine Doppelspitze geschaffen - bestehend aus dem sogenannten Nachtbürgermeister, der seit 2021 bei der Stadt fest angestellt ist, und einer Koordinierungsstelle Nachtleben, die aus der freien Kulturszene kommt. Deren Finanzierung ist allerdings kompliziert. Die Kulturszene selbst sieht sich, nicht zuletzt durch die Corona-Krise, nicht in der Lage, die Stelle zu finanzieren. Fördermittel, wie sie einstmals angedacht waren, gibt es nur projektbezogen. Bislang konnte Kristin Marosi über eine Anschubfinanzierung der Stadt ihrer Arbeit nachgehen.

Jana Milbrodt

Jana Milbrodt ist Vorstand im Verein Livekommbinat und Mitglied des Leipziger Nachtrates.

Koordinierungsstelle kostet 70.000 Euro im Jahr

Es gehe um ungefähr 70.000 Euro im Jahr, die für die Koordinierungsstelle Nachtleben benötigt würden, heißt es beim Treffen im Kupfersaal. "Ein Großteil der freien Kulturszene ist nicht wirtschaftlich orientiert und arbeitet auch ehrenamtlich. Da ist kein Geld für eine solche Finanzierung da", betont Milbrodt. Deswegen fordert sie, zusammen mit den anderen Vertretern auf der Bühne, dass die Stadt die Finanzierung für die Koordinierungsstelle Nachtleben dauerhaft übernehmen soll.

Kristin Marosi, die auch regelmäßig den Leipziger Nachtrat einberuft, sieht in der Vielschichtigkeit ihrer Aufgabe einen weiteren Grund, dass die Kosten nicht auf die Kulturschaffenden abgewälzt werden können: "Im Nachtrat geht es zum Beispiel auch um das Nachtleben, also Sicherheit, und das ist eine gesellschaftliche Aufgabe."

Viele Menschen ziehen hierher, weil es eine so coole Kulturszene gibt und wenn die nach Studium oder Ausbildung auch bleiben sollen, dann braucht es auch in Zukunft eine aktive Kulturszene. Kristin Marosi | Koordinierungsstelle Nachtleben Leipzig

Kultur als Wirtschaftsfaktor

Für Marosi ist das Leipziger Nachtleben auch ein Wirtschaftsfaktor: "Fachkräfte bleiben eben auch, wenn sie nach Feierabend feiern können." Für Kultur sei ja immer nicht viel Geld da, aber für eine Stadt wie Leipzig sei das essentiell. "Viele Menschen ziehen hierher, weil es eine so coole Kulturszene gibt und wenn die nach Studium oder Ausbildung auch bleiben sollen, dann braucht es auch in Zukunft eine aktive Kulturszene."

Besucher bei einem Konzert

Clubs und Konzerte sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Großstädte wie Leipzig. (Symbolbild)

Stadt kündigt Entscheidung an

Auf Anfrage von MDR SACHSEN heißt es aus der Stadtverwaltung, dass man die Koordinierungsstelle Nachtleben erhalten wolle. Man habe gute Erfahrungen mit der Stelle gemacht. Zurzeit sei allerdings noch nicht klar, ob überhaupt - und wenn ja, wie - die Koordinierungsstelle durch die Stadt weiterfinanziert werden kann. Das zuständige Kulturdezernat wolle in dieser Woche über die Weiterfinanzierung beraten. Am Mittwoch soll eine Entscheidung verkündet werden.