Sachsen Nach Einsturz der Carolabrücke: Kann sich Dresden neues Wagner-Konzerthaus überhaupt leisten?
Spätestens seit dem Einsturz der Carolabrücke hat die Stadt Dresden ein Finanzproblem. Höhere Kita-Beiträge und drastische Einschnitte in der Kultur – unter anderem im Deutschen Hygienemuseum – wurden angekündigt. Gleichzeitig soll mit der Richard-Wagner-Akademie ein neuer Konzertsaal am Königsufer entstehen. An den Kosten von etwa 60 Millionen Euro entbrennt im Dresdner Stadtrat Kritik.
- Für eine Richard-Wagner-Akademie in Dresden zur Erforschung romantischer Musik des 19. Jahrhunderts gibt der Bund 15 Millionen Euro.
- Für die Akademie ist ein Neubau mit einem Konzertsaal am Königsufer geplant.
- Das Projekt stößt auf Kritik, weil die Stadt zurzeit drastische Kürzungen bei ihren Kultureinrichtungen plant.
Die Pläne für eine Richard-Wagner-Akademie mit neuem Konzerthaus am Königsufer ist bei Stadträten in Dresden auf scharfe Kritik gestoßen. "Es steht im Raum, sehr viel Geld in einen neuen Kulturbau zu investieren“, erklärte der Sprecher für Stadtentwicklung der SPD-Fraktion, Stefan Engel, MDR SACHSEN: "Nach dem Einsturz der Carolabrücke kriegen wir es ja noch nicht einmal hin, bestehende Kultureinrichtungen wie das Hygienemuseum ausreichend zu finanzieren." Gleichzeitig plant die Stadt gemäß Haushaltsentwurf Einschnitte bei Kitas, den Dresdner Verkehrsbetrieben (DVB) und auch die Schließung des Hallenbades "Elbamare", das einzige im Stadtviertel Gorbitz, in dem viele Kinder leben.
Steht auch mit auf der Kürzungsliste des Haushaltsentwurfs. Das Hallenbad "Elbamare" im Problemviertel Gorbitz.
SPD: "Projekt in der aktuellen Haushaltslage nicht abbildbar"
Um die Pläne für das neue Millionen-Konzerthaus auf den Prüfstand zu stellen, hatte die SPD-Fraktion einen Eilantrag gestellt. Darin fordert sie die "Planungen zur Etablierung einer (teilweise) aus städtischen Mitteln finanzierten Richard-Wagner-Akademie bis zu einer anderweitigen Grundsatzentscheidung des Dresdner Stadtrats nicht fortzuführen". Ein solches Projekt sei in der aktuellen und für die nächsten Jahre absehbaren Haushaltslage nicht abbildbar. Zudem habe keine fachliche Debatte darüber stattgefunden, weder inhaltlich-kulturpolitisch noch in Abgrenzungen zu den anderen Kultureinrichtungen der Stadt.
Eilantrag nicht anerkannt
Zur Verhandlung im Stadtrat am Donnerstagabend wurde der Antrag jedoch nicht angenommen. Das sagte Stadtrat Engel MDR SACHSEN. "Wir haben unsere Forderung am Montag als Eilantrag eingereicht. Der Oberbürgermeister hat die Eilfähigkeit nicht anerkannt. Ich gehe davon aus, dass wir im Stadtrat im November darüber verhandeln." Die Diskussion zur Aktuellen Stunde im Stadtrat habe jedoch gezeigt, dass "hier definitiv Redebedarf besteht", sagte Engel.
Stadtrat Zastrow: "Völliger Realitätsverlust"
Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hatte in der Fragestunde die Chancen des Konzerthauses und der Wagner-Akademie verdeutlicht und damit auch viele Fragezeichen bei Stadtrat Holger Zastrow provoziert. Der ehemalige FDP-Stadtrat sprach bereits Ende September gegenüber MDR KULTUR von "völligem Realitätsverlust" der Verantwortlichen und nannte das Vorhaben elitär: "Es bleibt ein dringend aufzuklärendes Rätsel, wie es überhaupt zu dieser Initiative kommen konnte und über welche Legitimation sie verfügt".
Stadtrat Holger Zastrow, früher FDP, jetzt Team Zastrow, fragt sich, wie es zur Initiative für das Konzerhaus kam und warum die Stadtspitze alles im Alleingang anschob.
CDU kritisiert Alleingang des OB: Stadtrat nicht in Projekt einbezogen
Kritik kommt auch von der CDU: "Dresden ist eine Kulturmetropole von Weltrang. Ob in der aktuellen Situation der Kultureinrichtungen der Aufbau einer Akademie mit dem Neubau eines eigenen Gebäudes mit Orchester- und Konzertsaal notwendig und die richtige Prioritätensetzung ist, wage ich zu bezweifeln", erklärt Mario Schmidt, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion.
Und Schmidt weiter: "Zudem stellt sich die Frage, warum bei einem Vorhaben dieser Größenordnung der Stadtrat nicht im Vorfeld einbezogen wurde. Die Verwaltungsspitze beweist leider einmal mehr, wie wenig ihr an einer vertrauensvollen und konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Stadtrat gelegen ist."
Worum geht es genau?
Am Königsufer neben der Augustusbrücke in Dresden soll ein neues Konzerthaus für 600 Zuschauerinnen und Zuschauer entstehen. Das Konzerthaus ist Teil einer geplanten Richard-Wagner-Akademie, die als Kompetenzzentrum für romantische Orchester- und Opernpraxis des 19. Jahrhunderts den Originalklang Wagners erforschen und den ansässigen Dresdner Musikfestspielen dienen soll. Weiterhin sollen in dem Haus ein Orchester- und ein Chorprobensaal entstehen, außerdem Workshop-, Archiv- und Seminarräume.
Der Intendant der Dresdner Musikfestspiele, Jan Vogler, sieht die Entscheidung als große Chance und sagte MDR KULTUR, es sei eine Riesen-Wertschätzung für Dresden als Musik-, Kultur- und Kunststadt – auch im internationalen Kontext.
Wer wusste von dem Projekt?
Das Überraschende: Scheinbar wusste fast niemand in der Stadt von dem Projekt. Erst als Ende September eine Förderzusage des Bundes von 15 Millionen Euro öffentlich wurde, erfuhren viele Stadträte davon. Die Akademie soll zu je einem Drittel von Bund, Land und Stadt bezahlt werden. Die Gesamtkosten belaufen sich laut Förderantrag auf etwa 45 Millionen Euro. Das wären 15 Millionen für Dresden. Die SPD rechnet mit Gesamtkosten von 60 Millionen und einem Eigenanteil von 20 Millionen Euro für Dresden. Die jährlichen Betriebskosten wollen die Musikfestspiele bestenfalls selbst aufbringen. Schon jetzt erwirtschafte man 80 Prozent des jährlichen Etats selbst, sagte dren Intendant Vogler.
Kulturbürgermeisterin: Keine Absprachen mit Kulturverwaltung
Selbst Dresdens Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch schien nicht in die Pläne eingeweiht. "Es gab mit der Kulturverwaltung keinerlei Absprachen. Wir waren überrascht, als wir nach Antragstellung durch die Musikfestspiele erstmals von der Idee im Detail gehört haben“, erklärte sie MDR Kultur.
SPD-Fraktion will umfassende Prüfung
Die SPD verlangt jetzt eine umfassende Prüfung und eine breite Debatte zu den Plänen. "Es kann nicht sein, dass eine persönliche Vorliebe des Oberbürgermeisters für ein Projekt eine umfassende Prüfung verhindert. Es steht nicht im Belieben der Stadtspitze zu bestimmen, woran die Verwaltung arbeitet und woran nicht. Das Königsufer ist ein Filetstück unserer Stadt. Entscheidungen darüber dürfen nicht im Hinterzimmer der Verwaltung getroffen werden." Engel verweist auf den Stadtratsbeschluss vom Frühjahr, wonach die Stadträte in die neue Gestaltung des Königsufers involviert werden sollen.
Entscheidungen darüber dürfen nicht im Hinterzimmer der Verwaltung getroffen werden. SPD-Fraktion im Stadtrat Dresden |
Peter Lames, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, erklärte: "Die Mehrheit für das Projekt kann nicht aus Berlin kommen, sondern nur aus Dresden."
MDR (tomi)