Sachsen Volles Haus bei Bürgerwerkstatt zur Sanierung der Georg-Schumann-Straße
Sechs Jahre bevor die Bagger zur Sanierung rollen sollen, hat die Stadt Leipzig die Anwohner der Georg-Schumann-Straße zu einem Workshop eingeladen. Die Resonanz bei der Bürgerwerkstatt war groß. Die Idee, Bürger schon in die Planungen einzubeziehen, kommt an. Auch die Opposition mahnt mehr Möglichkeiten zur Partizipation an.
- Die Bürgerwerkstatt zur Schumann-Straße ruft großes Interesse hervor.
- Neu-Leipziger und Experte lobt das Projekt als "sehr gut besucht und niedrigschwellig".
- Bau-Bürgermeister Dienberg sagt, die Leute wollen Neubauten nicht mehr fertig vorgesetzt bekommen und erntet dabei Unverständnis bei den Ingenieuren.
Volles Haus bei einer Leipziger Bürgerwerkstatt: Rund 100 Besucher strömten am Dienstagnachmittag nach Möckern, um ihre Ideen bei der Umgestaltung der Georg-Schumann-Straße einzubringen. Eine solche Partizipation ist in der Messestadt gerade in der Diskussion. Die CDU-Fraktion stellte im Stadtrat am Mittwoch einen Antrag, mehr Orte für Diskussionen und Bürgerbeteiligung zu schaffen.
100 Teilnehmer diskutieren über 1,5 Kilometer Schumann-Straße
In Möckerns Werner-Heisenberg-Schule findet sich kaum noch ein freier Platz. Das Interesse ist offenbar groß. Man musste sich vorab bei der Stadt anmelden, bei den 100 Plätzen gab es laut Stadt "fast eine Punktlandung". Jede Gruppe sitzt an einem Tisch und hat einen bestimmten Straßenabschnitt vor sich. Gab man bei der Anmeldung eine Adresse an, dann sitzt man dort mit seinen Nachbarn zusammen und hat die speziellen Gegebenheiten vor seinem geistigen Auge. Offen war es für alle Leipziger. Konkret ging es um die Gestaltung der Seitenräume des 1,5 Kilometer langen Abschnitts zwischen den Straßen "Am Viadukt" und der Faradaystraße.
Die Georg-Schumann-Straße in Leipzig ist insgesamt 5,4 Kilometer lang.
Wo sollten Sitzgelegenheiten sein? Wo Fahrradbügel hinkommen?
Jeweils drei Gruppen konnten ein Fünftel des Abschnitts nach ihren Wünschen gestalten: Wo kommen Fahrradbügel hin? Wo gibt es Sitzgelegenheiten, wo Stellen, um Autos zu beliefern oder wo können Parkplätze für Menschen mit Handicap aufgebaut werden? Was könnte getan werden, um mehr Gastronomie in die Straße zu locken? Ganz ohne politische Einschränkungen ging es nicht: So müssen die Straßenbahngleise breiter werden, auch die Sammlung des Regenwassers ist obligatorisch. Die Diskussionen nahmen dennoch schnell Fahrt auf. Jeder brachte seine Erfahrungen und Ansichten mit ein. Ganz am Anfang hatte der Leiter der Veranstaltung, ein unabhängiger Moderator, die Besucher auf eine respektvolle Diskussionskultur hingewiesen. Und das wurde auch eingehalten.
Schon der zweite Bürger-Workshop für Christin
Für Christin ist es nicht ihr erster Bürger-Workshop, auch beim Matthäikirchhof im Leipziger Zentrum war sie schon dabei: "Das ist ein super Konzept, es sollte immer so gemacht werden. Gut ist auch, dass jeder an seiner Hausnummer verortet ist." Bei Kaffee, Wasser, Saft und Keksen diskutierte auch Feuerwehrmann Sebastian: "Es ist Interessant, aber auch schwierig mit den verschiedenen Altersklassen. Ich mache die Entwicklung hier seit zwölf Jahren mit. Ich hoffe, dass es sich besser entwickelt, so dass hier wegen der Lebensqualität nicht nur Barbershops, Dönerläden und Nagelstudios haben." Er möchte, dass es mit den Bürger-Werkstätten weitergeht, denn "ich hatte den Eindruck, dass das Thema Bürgerbeteiligung bislang immer nur bei Wahlen wichtig ist und danach das Demokratie-Buch geschlossen wird".
Braucht der Döner-Laden Fahrradbügel? Das konnten die Teilnehmer des Workshops selbst bestimmen.
Lob von einem Neu-Leipziger - Kritik an Publikum
Henning lebt seit einem Jahr in Leipzig und hat bereits in Schwerin Bürger-Projekte initiiert: " "Das ist großartig. Ich habe in Schwerin selbst Bürger-Prozesse angeregt, da ging es auch um die Stadtmöblierung. In Schwerin ist eine Bürgerinitiative entstanden, als es um eine Begrünung ging." Das Format in Möckern sei "sehr gut besucht, niedrigschwellig und gut moderiert". Architekturstudentin Maybritt sagt: "Ich bin positiv überrascht, dass wir auch so gut miteinander kommunizieren können. Generell finde ich es gut, dass so viele verschiedene Menschen zusammenkommen. Mir ist aber auch aufgefallen, dass einige Gruppen, wie Menschen mit Einschränkungen oder mit Migrationshintergrund, nicht so vertreten sind."
"Achten darauf, dass nichts herunterfällt"
Rocco Hahn, Mitglied des Stadtbezirksbeirates Nordwest, hat bei seinen Vorschlägen schon künftige Hausnutzungen im Kopf, zum Beispiel, wo eine Unterkunft für obdachlose Frauen entstehen soll. Er signalisiert aber Offenheit: "Interessant, was für Ideen im Raum stehen. Der Beirat wird darauf achten, was davon auch übernommen wird, so dass das nicht herunterfällt." Die Vorlage für die Planung würde noch mindestens einmal in seinem Rat besprochen werden.
Die Räumlichkeiten der Werner-Heisenberg-Schule waren voll. Auch Bau-Bürgermeister Thomas Dienberg war mit dabei.
Bau-Bürgermeister Dienberg: Können keine Planung mehr in verschlossenen Kellern machen
Thomas Dienberg, Bürgermeister für Stadtentwicklung und Bau, sagte MDR SACHSEN, dass er das Einbinden der Bürger heutzutage für wichtig hält: "Die Leute wollen mitreden, die wollen das nicht mehr nur 1:1 durchgeplant vorgesetzt bekommen. Da müssen wir deutlich mehr Geld in die Hand nehmen." Das Ganze diene auch der "extrem wichtigen" Öffentlichkeitsarbeit. Das verstehe nicht jeder: "Wir können das nicht mehr in verschlossenen Kellern machen, die Ingenieure zum Beispiel halten so etwas für Kokolores: 'Mir muss doch keiner sagen, wie ich den Radius für eine Straßenbahnkurve gestalten soll' sagen sie."
Ergebnisse der Werkstatt dokumentiert
Die Ergebnisse der Bürgerwerkstatt würden dokumentiert werden. Wie ernst die Ergebnisse genommen werden, beschreibt Theresa Gnoyke vom Stadtplanungsamt: "Die Bewohner der Schumann-Straße wissen doch am besten, was sie brauchen." Auf der sicheren Seite sei man deshalb aber nicht, gibt Bürgermeister Dienberg zu: "So ein Verfahren ist keine Garantie, dass es später ohne Konflikt abgehen wird." Beginnen sollen die Bauarbeiten 2030.
Der Matthäikirchhof in Leipzig beherbergte die ehemalige Stasi-Zentrale.
Auch Matthäikirchhof und Stadtquartier 'L416" mit Bürgerbeteiligung
Die Stadt hat die Bürger auch bei zwei anderen städtebaulichen Projekten ins Boot geholt: Beim Matthäikirchhof im Zentrum wurde 2022 als gemeinsame Vision ein sogenannter "Matthäikirchhof-Code" entwickelt. Dort sind Wünsche und Ideen ebenso enthalten wie Prüfaufträge an Planungsteams.
Auch bei der Umwandlung des Freiladebahnhofs an der Eutritzscher Straße in ein neues Stadtquartier "L416" konnten sich Anwohner 2017 in einem Bürger- und einem Nachbarschaftsforum äußern. Besitzerwechsel, Corona und die Krise am Wohnungsbau haben das Projekt zuletzt verzögern lassen. Wie viel Bürgerbeteiligung am Ende noch mit dabei ist, lässt sich gerade nur schwer sagen.
MDR (cke)