Innenstadt von Halle aus der Luft

Sachsen-Anhalt In Halle steht eine Kleinstadt leer

Stand: 16.12.2024 11:40 Uhr

In Halle stehen derzeit mehr als 10.000 Wohnungen leer. Die Zahl entspricht einem Anteil von acht Prozent der vorhandenen Wohnungen. Halle liegt damit deutlich über dem ostdeutschen Durchschnitt, der sich auf 6,3 Prozent beläuft. Und dennoch gibt es Grund zur Freude – denn die Leerstandszahlen an der Saale sind rückläufig.

Von Marc Weyrich, MDR SACHSEN-ANHALT

Vor fünf Jahren ging die Stadt noch von etwa 14.000 leeren Wohnungen aus. Inzwischen sind es deutlich weniger: 11.600 leerstehende Wohnungen gibt es momentan in Halle, teilte die Stadtverwaltung auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mit. Peter Scharz, Vorsitzender des Mieterrates Halle/Saale, appelliert angesichts der Zahlen an die Verantwortlichen im Ratshof: "Die Stadt sollte ihr Augenmerk auf die Wirtschaftsförderung legen, um gezielt Facharbeiter in die Stadt zu holen. Hilfreich wäre dabei auch, ein Augenmerk auf die Startup-Szene zu legen und denen gute Möglichkeiten in der Stadt zu bieten".

Allerdings, schränkt Scharz ein, seien nicht alle Wohnungen direkt bezugsfertig. Bei vielen Wohnung sei eine grundständige Sanierung erforderlich oder es müsse ein bisschen was erneuert werden und dann gebe es ein rund Drittel voller schöner, bezugsfertiger Wohnungen.

Alte Platten stehen leer

Ein Zahlenwerk, dem Stadtpressesprecher Drago Bock wenig entgegenzusetzen hat, auch wenn das Lagebild nur in Ausschnitten für die Stadt zugänglich ist, da viele Wohnungen im Privatbesitz sind. "Wenn etwa 5.000 Wohnungen im gesamten Stadtgebiet als kurzfristig oder mit wenig Aufwand reaktivierbar angenommen werden, hält das die Stadt für plausibel."

Bock lenkt den Blick derweil auf die Erfolge der vergangenen Jahre. "Die Stadt hat den Leerstand als quartierbedrohendes Problem gelöst", sagt er und verweist auf den vor zwanzig Jahre gemessenen Leerstand von etwa 20 Prozent. Die Tendenz geht also in die richtige Richtung. "Vom Leerstand betroffen sind überwiegend Objekte in privatem Eigentum, auch und gerade Plattenbauten".

Entwicklung bei großen Vermietern in Halle positiv

Positiv dagegen sei die Entwicklung bei den städtischen Wohnungsgesellschaften HWG und GWG. In ganzen Zahlen liegt der Leerstand bei der HWG bei etwas über 1.000 bei der GWG bei etwas über 600 Wohnungen. GWG-Pressesprecherin Kathrin Kaufhold-Thürer blickt dabei in die Geschichte: "Halle-Neustadt ist schlicht für dreimal so viele Leute gebaut worden, als jetzt dort wohnen." Kaufhold-Thürer gibt auch unumwunden zu, welche Wohnungen leer stehen: "Das sind jetzt in der Regel nicht die topausgestatteten und attraktiven Wohnungen".

Genau hier sieht Peter Scharz vom Mieterrat einen Ansatzpunkt: "Wir brauchen mehr attraktive Vier-bis-Fünfzimmerwohnungen. Dazu müsste man gerade in den Plattenbauten ein wenig umbauen, aber das geht". Kaufhold-Thürer verweist darauf, genau das bereits getan zu haben und gibt zusätzlich zwei Dinge zu bedenken: Einerseits, dass eine Wohnungsgesellschaft immer einen Mix an Wohnungen für verschiedene Bedarfe vorhalten muss, andererseits, dass der Wohnungsmarkt trotz Leerstand ein umkämpfter sei.

"Am Ende geht es um Wirtschaftlichkeit. Wenn wir Wohnungen aufwendig renovieren und sanieren, wird am Ende die Miete teurer". Bei der GWG behilft man sich daher mit Angeboten an Mietinteressenten: "Wenn jemand bereit ist, eine Wohnung mit Schönheitsfehlern anzumieten, fragen wir ab, ob die Person vielleicht selbst renovieren kann gegen ein Entgegenkommen bei der Kaltmiete. In anderen Fällen zeigen wir uns großzügig etwa mit Baumarktgutscheinen."

Große Investitionen gegen leerstehende Wohnungen

Fakt ist: Jede einzelne leerstehende Wohnung schmeckt der Stadt nicht – steht sie doch für entgangene Steuereinnahmen. Bei der HWG werden deshalb bis zu 40 Millionen Euro jährlich für die Sanierung in die Hand genommen, besonders in Heide-Nord und der Silberhöhe. Aufzüge und energetische Sanierungen sollen ihr Übriges tun.

Bock verweist auch auf Modellprojekte von bundesweiter Strahlkraft, etwa im Quartier Halle-Glaucha, sowie der südlichen und nördlichen Innenstadt. Hier würden bis heute Fördermittel bereitgestellt, um Leerstands- und Verfallproblemen zu begegnen. Fast 100 gründerzeitliche Gebäude und Altbauten konnten so gerettet werden.

Peter Scharz vom Mieterrat sieht in all den Problemen auch einen Vorteil: "Die Rufe nach mehr sozialem Wohnungsbau können wir getrost überhören, wir haben in Halle genug davon." Robert Schultz vom Deutschen Mieterbund Halle ergänzt: "Nach dem neuen Mietspiegel, den wir als Befriedungselement zwischen Mietern und Vermietern sehen, werden in den kommenden Jahren weniger die Grundmieten, als die Nebenkosten weiteren Diskussionsbedarf erzeugen".

Der Wohnungsmarkt in Halle biete kaum Grund zur Panik, allerdings seien sämtliche Akteure gefragt, die "schleichende Segregation in einzelnen Teilmärkten in den Griff zu bekommen und die Soziale Durchmischung in den Quartieren zu sichern".

MDR (Marc Weyrich, Hannes Leonard)