Michael Richter

Sachsen-Anhalt Beschwerde vor Bundesverfassungsgericht: Finanzminister sieht keine Schuld beim Land Sachsen-Anhalt

Stand: 15.12.2024 11:18 Uhr

Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter (CDU) zeigt Verständnis für die finanziell schwierige Situation der Landkreise, sieht die Schuld daran jedoch nicht beim Land. Hintergrund ist die Beschwerde zweier Landkreise aus Sachsen-Anhalt vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Kreisumlage.

Von MDR SACHSEN-ANHALT

Im Streit um ihre finanzielle Ausstattung sind der Landkreis Mansfeld-Südharz und der Salzlandkreis vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gezogen. Ziel der kommunalen Verfassungsbeschwerde ist eine Klärung der Frage, ob es einen Anspruch auf eine finanzielle Mindestausstattung gibt, wie der Landrat des Landkreises Mansfeld-Südharz, André Schröder (CDU), am Freitag in Magdeburg sagte. Der Streit und juristische Auseinandersetzungen um die sogenannten Kreisumlage schwelen schon länger, nun gehen zwei Landkreise aus Sachsen-Anhalt den nächsten Schritt.

Stichwort: Verfassungsbeschwerde

Wer sich in seinen Grundrechten eingeschränkt sieht, hat die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde einzureichen – bei einem Landesverfassungsgericht oder beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Grundlage kann zum Beispiel die Entscheidung eines anderen Gerichts sein, die die Autoren einer Verfassungsbeschwerde als ungerechtfertigt ansehen. Jährlich gehen mehrere tausend solcher Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht ein.

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Darauf hat Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter (CDU) am Samstag gegenüber MDR SACHSEN-ANHALT reagiert. Er sagte, die finanzielle Situation der Landkreise sei schwierig, "aber wir haben als Land (...) den Bedarf berechnet und decken diesen Bedarf auch ab." Im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr sind nach Angaben des Finanzministers 822 Millionen Euro für die Landkreise eingeplant. Das sei mehr Geld als noch in den vergangenen Jahren. Pauschal zu sagen, dass die Pflichtaufgaben der Landkreise nur zu leisten seien, wenn man sich verschulde, würde er so nicht hinnehmen wollen, erklärte Richter.

Aber wir haben als Land (...) den Bedarf berechnet und decken diesen Bedarf auch ab. | Michael Richter, Finanzminister von Sachsen-Anhalt

Kreisumlage sorgt für Streit zwischen Landkreisen, Städten und Gemeinden

Hintergrund ist ein Streit um die sogenannte Kreisumlage, mit der die Kreise ihre Aufgaben bezahlen. Da die Landkreise keine eigenen Steuern einnehmen, werden sie zum Teil über die Einnahmen der Städte und Gemeinden mitfinanziert. Dagegen hatten aber mehrere Gemeinden im Land geklagt und auch Recht bekommen. Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT sind derzeit 60 weitere Verfahren von einzelnen Kommunen an Gerichten in Sachsen-Anhalt anhängig. Dabei geht es um insgesamt 250 Millionen Euro, die die Städte und Gemeinden von den Landkreisen zurückhaben wollen. Auch der Landkreis Mansfeld-Südharz musste die Umlage deutlich absenken und Millionen an die Gemeinden zurückzahlen. Gleichzeitig sind aber auch die Mittel des Landes für die Kommunen begrenzt

Bereits im Mai verteidigte André Schröder (CDU), Landrat von Mansfeld-Südharz, das Vorhaben vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen:

Die Verfassungsbeschwerde wird vom Landkreistag in Sachsen-Anhalt unterstützt. Das ist der Spitzenverband aller Landkreise im Land. Er übernimmt auch die Prozesskosten.

2023: Mansfeld-Südharz verlor vor Oberlandesgericht

Im Jahr 2023 hatte der Landkreis Mansfeld-Südharz vor dem Oberlandesgericht Magdeburg den Finanzstreit um die Kreisumlage verloren. Er musste damit auf einen Schlag 46 Millionen Euro an seine Kommunen zurückzahlen. Daraufhin drohte der Landkreis, zahlungsunfähig zu werden. Er hatte deshalb vom Land Sachsen-Anhalt Nothilfe-Kredite gefordert. Der Salzlandkreis hatte sich solidarisch gezeigt und sich der Verfassungsbeschwerde angeschlossen.

Fehler im System

Die Landkreise sehen einen Fehler im System: Der ganz große Teil ihrer Aufgaben ist gesetzlich festgelegt – sie lassen sich aber nur durch die Aufnahme von Schulden finanzieren. So betonte Schröder bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Markus Bauer (SPD, Landrat des Salzlandkreises) sowie dem Präsidenten des Landkreistages, Götz Ulrich (CDU), in Magdeburg: "Die Landkreise suchen keinen Schuldigen – wir suchen einen Schiedsrichter."

Ariane Berger (l-r), Geschäftsführerin des Landkreistages, Andre Schröder (CDU), Landrat des Landkreises Mansfeld-Südharz, Markus Bauer (SPD), Landrat vom Salzlandkreis und Götz Ulrich (CDU), Präsident des Landkreistages Sachsen-Anhalt und Landrat des Burgenlandkreis stehen hinter dem Podium der Landespressekonferenz nebeneinander.

Im Streit um ihre finanzielle Ausstattung ziehen der Landkreis Mansfeld-Südharz und der Salzlandkreis vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Am Freitag gab es dazu eine Pressekonferenz in Magdeburg mit der Geschäftsführerin des Landkreistages, den beiden Landräten und dem Präsident des Landkreistages Sachsen-Anhalt.

Schröder: kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem

Im Landkreis Mansfeld-Südharz liegt das Defizit in diesem Jahr etwa bei rund 42 Millionen Euro. Der Landkreis hält es eigenen Angaben zufolge für "absurd", Pflichtaufgaben dauerhaft über die Aufnahme von Schulden zu finanzieren, wenn man seine Einnahmesituation nicht verbessern kann. "Wir haben kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem", sagte der CDU-Politiker. Der Deutsche Landkreistag hat sich hinter das Anliegen gestellt.

Wir suchen einen Schiedsrichter. André Schröder (CDU) |

Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter sagte der Deutschen Presse-Agentur, man müsse schauen, wie das Gericht die Situation rechtlich einschätze. "Ich sage ganz deutlich: Bei all dem, was wir den Kommunen an Mitteln zur Verfügung stellen, müssen wir sehen, dass das Land im Rahmen seiner Möglichkeiten nur das geben kann, was das Land auch selbst zur Verfügung hat", so der CDU-Politiker. Mit dem Haushalt 2024 habe das Land erheblich Geld draufgepackt. Allein bei den Landkreisen seien es 162 Millionen Euro gewesen.

Verfassungsbeschwerde bereits von zwei Städten aus Rheinland-Pfalz

Mit der Stadt Pirmasens und dem Kreis Kaiserslautern gibt es in Karlsruhe bereits eine anhängige Verfassungsbeschwerde, die in eine ähnliche Richtung zielt. In Sachsen-Anhalt hoffen die Kommunalvertreter darauf, dass die Verfahren verbunden und zeitnah behandelt werden. Die Geschäftsführerin des Landkreistages Sachsen-Anhalt, Ariane Berger, sagte, man habe alle 294 Landkreise in Deutschland im Blick und auch alle Verfahren im Blick.

MDR (Jochen Müller, Norma Düsekow, Engin Haupt, Johanna Daher), dpa