Die wieder aufgetauchten Gemälde werden bei einer Pressekonferenz 2019 auf Schloss Friedenstein Gotha präsentiert

Thüringen Gotha: "Kunstraub-Gemälde" sorgen nicht für nachhaltigen Besucherandrang

Stand: 20.01.2025 03:00 Uhr

Fünf wertvolle Gemälde aus der Zeit um Renaissance und Barock waren seit einem aufsehenerregenden Kunstdiebstahl von Schloss Friedenstein Ende der 1970er-Jahre verschwunden. 40 Jahre später – im Jahr 2019 – kehrten die Werke nach geheimen Verhandlungen mit einer Erbengemeinschaft nach Gotha zurück. Die Rückkehr der Bilder sorgte damals weltweit für Schlagzeilen, unter anderem die New York Times berichtete. Aber konnte die Friedenstein Stiftung von der Aufmerksamkeit profitieren?

Von MDR Kulturdesk

Der Fall gilt als einer der spektakulärsten Kunstdiebstähle der Nachkriegsgeschichte. Am 14. Dezember 1979 sind fünf wertvolle Renaissance- und Barock-Gemälde von ihren Plätzen im Schloss Friedenstein entwendet. Erst vier Jahrzehnte später, nämlich Ende 2019, tauchen die Bilder wieder auf und kehren schließlich zurück – nach langen und geheimen Verhandlungen mit den zwischenzeitlichen Besitzern.

"Heilige Katherina" von Hans Holbein dem Älteren von 1509/1510.

Eines der gestohlenen Bilder: "Heilige Katharina", gemalt von Hans Holbein dem Älteren zwischen 1509 und 1510.

Die fünf Gemälde, die 1979 entwendet worden sind, stammen aus der Zeit zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert und wurden von Malern wie Hans Holbein dem Älteren, Anthonis van Dyck oder Frans Hals angefertigt. Inzwischen hängen die Bilder im Herzoglichen Museum von Gotha. Was hat sich seit der Rückkehr der Schätze verändert?

Schloss Friedenstein kein Besuchermagnet

Einen Ansturm nach Gotha haben die fünf gestohlenen Bilder nicht ausgelöst, das belegen die Besucherzahlen der Stiftung. Während 2016 noch mehr als 200.000 Menschen die Kunstsammlungen besuchten, waren es 2022 nur noch etwa 143.000 Besucher.

Wand mit den Gemälden der alten Meister als Petersburger Hängung.

Schloss Friedenstein beherbergt eine bedeutende Kunstsammlung.

Allerdings dürfte das gedämpfte Interesse nicht zuletzt auch auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sein. Zudem befindet sich das Schloss zurzeit in Sanierungsmaßnahmen und Teile der Anlage sind nicht zugänglich.

Knut Kreuch, Gothas Oberbürgermeister, sieht auch einen Mangel an Interesse bei überregionalen Medien: Die Stadt habe schlicht keine Mittel für eine großangelegte Werbekampagne, die Gotha als Tourismus-Standort etablieren könnte. "Es braucht, bevor Reiseunternehmen sich Gotha erschließen, manchmal vier, fünf Jahre, bevor sie da sind. Und in dieser Zeit muss man immer wieder mit hochkarätigen Ausstellungen für Furore sorgen", so Kreuch.

Stefan Simon (l-r), Direktor des Rathgen-Forschungslabors, Friederike Gräfin von Brühl, Rechtsanwältin der Stiftung Schloss Friedenstein, Knut Kreuch, Oberbürgermeister von Gotha (Thüringen) und stellvertretender Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung, und Tobias Pfeifer-Helke, Stiftungsdirektor der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, stehen bei einer Pressekonferenz zur Rückführung von fünf gestohlenen Gemälden in die Stiftung vor den wieder aufgetauchten Gemälden.

Oberbürgermeister Kreuch (Mitte) bei der Präsentation der zurückgekehrten Gemälde 2019 neben Vertretern der Stiftung Schloss Friedenstein und der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung.

Allerdings habe die Rückkehr der Bilder und die damit verbundene Sonderschau auch einen positiven Einfluss auf die Stadtgesellschaft entfaltet und für mehr Selbstwertgefühl und Zufriedenheit unter den Gothaern gesorgt, beobachtet Kreuch.

Neues Image von Gotha unter Kunstkennern

Wenngleich keine Besuchermassen nach Gotha strömten, sorgte die Rückkehr der Kunstwerke doch für deutlich mehr Aufmerksamkeit für Schloss Friedenstein unter Kunstkennern.

Das berichtet Martin Hoernes, der Generalsekretär der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung, der damals die Verhandlungen zur Rückkehr der Bilder begleitete: "Gotha hat eben mittlerweile einen ganz anderen Klang als vorher. Weil man eben weiß, da ist wirklich ein Bestand, den wir teilweise nicht kennen und der auch noch darauf wartet, zurückgeführt zu werden." Hoernes spielt darauf an, dass die Sammlungen der Stiftung Friedenstein im vergangenen Jahrhundert extreme Verluste erlitten haben, etwa durch Kriegsentziehungen oder durch Entziehung durch die Fürstenfamilie Sachsen-Coburg und Gotha.

Der Kunst-Krimi machte Gotha für viele Kunstkenner zum Begriff – und er sorgte auch für mehr Interesse seitens anderer Museen und Kunsthäuser. "Wir sind mit unseren Objekten national und auch international unterwegs", resümiert Tobias Pfeifer-Helke, der die Stiftung Friedenstein leitet. So sei etwa eines der Rückkehrer-Bilder, das Frauenporträt von Hans Holbein, sehr gefragt.

Immer öfter erhalten er und sein Team Leihanfragen von hochkarätigen Museen. "Daran sieht man sehr schön, dass auch die Fachwelt wahrnimmt, dass wir ein Standort sind mit einem sehr bedeutenden Kunstmuseum", so Pfeifer-Helke.

Spektakulärer Kriminalfall in der DDR

Der Diebstahl der Bilder im Jahr 1979 gilt als schwerwiegendster Kunstraub in der Geschichte der DDR. Der Einbrecher gelangte wohl mittels Steigeisen über ein Regenfallrohr in das Museum. Eine bereits installierte Alarmanlage war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Betrieb. Die DDR-Behörden – auch die Ermittler des Ministeriums für Staatssicherheit – tappten im Dunkeln. 40 Jahre lang bleibt der Verbleib der Bilder unklar.

Der Raum im Schlossmuseum, aus dem die Gemälde gestohlen wurden.

Archivbild des Tatortes: Aus diesem Raum auf Schloss Friedenstein wurden die Bilder 1979 entwendet.

Dann Ende 2019 die überraschende Wende: Nach langwierigen Geheimverhandlungen zwischen der Erbengemeinschaft und deren Anwalt sowie der Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha und der Ernst von Siemens Stiftung wurden die Werke schließlich zurück gegeben und anschließend einer umfassenden Restaurierung unterzogen.

Quelle: MDR KULTUR (Mareike Wiemann), Redaktionelle Bearbeitung: tis