"Bild"-Chefredakteur Reichelt von Aufgaben entbunden
Der Verlag Axel Springer hat "Bild"-Chefredakteur Reichelt von dessen Aufgaben entbunden. Er habe "auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens Privates und Berufliches nicht klar getrennt" und darüber die Unwahrheit gesagt.
Mit sofortiger Wirkung hat der Medienkonzern Axel Springer "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt von dessen Aufgaben entbunden. Als Folge von Medienrecherchen habe das Unternehmen in den vergangenen Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten Reichelts gewonnen, heißt es in einer Mitteilung.
"Diesen Informationen ist das Unternehmen nachgegangen. Dabei hat der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat", teilte der Verlag in der Erklärung mit. "Deshalb hält der Vorstand jetzt eine Beendigung der Tätigkeit für unvermeidbar."
Neuer Vorsitzender der dreiköpfigen Chefredaktion wird demnach Johannes Boie. Der 37-Jährige ist derzeit Chefredakteur der zu Springer gehörenden Zeitung "Welt am Sonntag".
Vorwürfe des Machtmissbrauchs
Seit Anfang März standen Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen Reichelt im Raum. Damals hatte der "Spiegel" berichtet, dass rund ein halbes Dutzend Mitarbeiterinnen dem Medienhaus Vorfälle aus den vergangenen Jahren angezeigt hätten.
Nach Veröffentlichung der Anschuldigungen wurde Reichelt auf eigenen Wunsch freigestellt, das Unternehmen leitete eine Compliance-Untersuchung ein. Mit solch einem Verfahren soll unter anderem die Einhaltung unternehmensinterner Richtlinien geprüft werden. Ende März kehrte Reichelt an seinen Arbeitsplatz zurück. Zur Begründung hieß es damals, der Vorstand des Medienkonzerns sehe es trotz festgestellter Fehler in der Amts- und Personalführung als nicht gerechtfertigt an, Reichelt von seinem Posten abzuberufen.
Ippen-Gruppe stoppt Bericht
Die "New York Times" hatte nun am Wochenende einen langen Bericht über Axel Springer auch mit Blick auf die Pläne zur Übernahme der US-Mediengruppe Politico veröffentlicht. In dem Artikel ging es auch um Reichelt und die im Frühjahr erstmals öffentlich bekannt gewordenen Vorwürfe gegen ihn. Die Zeitung verwies zudem auf bislang nicht veröffentlichte monatelange Recherchen eines Investigativ-Teams der Ippen-Mediengruppe.
Erst heute wurde bekannt, dass die Spitze der Ippen-Gruppe die für Sonntag geplante Berichterstattung zu vermeintlichem Machtmissbrauch bei Axel Springer gestoppt hatte. Das Ippen-Investigativteam protestierte dagegen. Ein Verlagssprecher erklärte dazu, das Unternehmen müsse als Mediengruppe im direkten Wettbewerb mit der "Bild" sehr genau darauf achten, "dass nicht der Eindruck entsteht, wir wollten einem Wettbewerber wirtschaftlich schaden". Eine Beeinflussung durch Springer habe es nicht gegeben.
Seit 2017 Chefredakteur
Reichelt hatte seit 2017 die redaktionelle Gesamtverantwortung für "Bild". Springer-Chef Mathias Döpfner wird in der Mitteilung zitiert: "Julian Reichelt hat 'Bild' journalistisch hervorragend entwickelt und mit 'Bild live" die Marke zukunftsfähig gemacht. Wir hätten den mit der Redaktion und dem Verlag eingeschlagenen Weg der kulturellen Erneuerung bei 'Bild" gemeinsam mit Julian Reichelt gerne fortgesetzt. Dies ist nun nicht mehr möglich."
Der Springer-Konzern wies auch darauf hin, dass es im Rahmen des Compliance-Verfahrens gegen Reichelt nie den Vorwurf sexueller Belästigung oder sexueller Übergriffe gegeben habe. "Es gab aber den Vorwurf einvernehmlicher Liebesbeziehungen zu 'Bild'-Mitarbeiterinnen und Hinweise auf Machtmissbrauch in diesem Zusammenhang", hieß es. Bewiesen und eingeräumt worden sei eine frühere Beziehung zu einer Mitarbeiterin von "Bild". Umstritten sei geblieben, ob dieser Mitarbeiterin dadurch berufliche Vorteile gewährt worden seien.