Kritik an Rentenplänen der Ampel "Das Gegenteil von Generationengerechtigkeit"
Die Ampelkoalition will das Rentenniveau stabilisieren: Ein gutes Ziel, finden Wirtschafts- und Sozialverbände. Kritik üben sie dennoch - etwa an der Höhe des Niveaus, an der Unsicherheit der Finanzierung und an steigenden Beiträgen.
Das Rentenziel der Ampelkoalition ist mit dem vorgestellten Rentenpaket II klar abgesteckt: Das Rentenniveau mittelfristig bei 48 Prozent des Durchschnittslohns halten. Gelingen soll das unter anderem durch den Einstieg in den Aktienmarkt. Damit soll gleichzeitig auch der Anstieg der Rentenbeiträge abgemildert werden. Auch wenn Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die Rentensicherung auf einem guten Weg sieht, äußern Wirtschafts- und Sozialverbänden Kritik.
"Der Bundesarbeitsminister will die Kosten des demografischen Wandels komplett auf die Beitragszahler abwälzen", sagte etwa Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger dem Portal t-online. Den Rentnern werde das heutige Leistungsniveau garantiert, die Beiträge dagegen sollten künftig "unbegrenzt steigen" können. Das sei "das Gegenteil einer generationengerechten Politik". Es würden Leistungen versprochen, die "langfristig nicht finanzierbar sind", so Dulger.
Der Sozialstaat müsse "vom Kopf auf die Füße gestellt werden", forderte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). "Dazu gehören auch ehrliche Reformen in der Rentenpolitik: Langfristig das Renteneintrittsalter über 67 Jahre hinaus anheben und die abschlagsfreie Frührente für besonders langjährig Versicherte endlich abschaffen."
"Höhere Beiträge nicht hinnehmbar"
Kritik kam auch vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). "Die Idee, die Rentenversicherung mittels des Generationenkapitals langfristig zu stabilisieren, ist gut", erklärte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. "Unverständlich ist es hingegen, das Rentenniveau von 48 Prozent in der jetzigen Lage gesetzlich festschreiben zu wollen." Schon jetzt sei klar, dass die Beiträge mittel- und langfristig über 20 Prozent steigen werden. "Das ist angesichts der ohnehin hohen Steuern und Abgaben nicht hinnehmbar."
Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte der Rheinischen Post: "Wenn die Politik Leistungen zusagt, sollte zugleich geklärt werden, wie diese Leistungen finanziert werden." Er forderte: "Wenn die Politik einen erheblichen Anstieg der Beitragssätze oder der Steuerzuschüsse zur Rentenversicherung vermeiden möchte, sollte sie die Lebensarbeitszeit verlängern, orientiert am Anstieg der Lebenserwartung."
Einer Erhöhung des Renteneintrittsalters - sowie einer Kürzung der Renten - hatte Heil jedoch klar die Absage erteilt.
Wirtschaftsweise Grimm: "Immens teuer"
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kritisierte in der Rheinischen Post: "Der Kompromiss löst keines der Probleme, aber er schafft ein weiteres: Durch die Festsetzung des Rentenniveaus auf 48 Prozent wird die Last für die Beitrags- und die Steuerzahler immer höher." Die Entscheidung sei "immens teuer und geht zu Lasten der Beitragszahler oder der Steuerzahler", sagte Grimm.
Der Sachverständigenrat schlage stattdessen die Koppelung des Renteneinstiegsalters an die fernere Lebenserwartung ab 2031, die Anpassung des Nachhaltigkeitsfaktors, die Koppelung der Rente an die Preisentwicklung statt an die Löhne, sowie die Stärkung der kapitalgedeckten Altersvorsorge mit eigenen Depots vor.
VdK: "Stabilisierung schützt nicht vor Altersarmut"
Sozialverbände begrüßten das Vorhaben der Ampel, das Rentenniveau abzusichern, kritisierten jedoch die anvisierte Marke von 48 Prozent des Durchschnittslohns als zu niedrig. "Die Stabilisierung ist nur ein Anfang, schützt aber nicht vor Armut im Alter", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Nötig sei es, alle Menschen mit einem Rentenniveau von 53 Prozent abzusichern, forderte sie.
Auch die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, sagte, dass "ein Rentenniveau von 48 Prozent bei Weitem nicht ausreicht".
Gewerkschaften sehen "Generationenkapital" als Risiko
Gewerkschaftsvertreter kritisierten die neue Finanzierungsquelle als zu risikoreich. "Sicher ist hier nur das Risiko", sagte die Präsidentin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Yasmin Fahimi. Gleichzeitig bezeichnete sie die Sicherung des Rentenniveaus als "wichtiges Signal". Die IG Metall nannte das Generationenkapital "eine kreditfinanzierte Wette auf unklare Erträge in der Zukunft".
Kritik kam auch aus der Opposition. Das Rentenpaket sei "nicht geeignet, um die Rente zukunftssicher aufzustellen", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es bringe "keine Entlastung, sondern ausschließlich zusätzliche Belastungen für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und für den Bundeshaushalt", warnte auch der CSU-Sozialexperte Stephan Stracke. Linken-Chef Martin Schirdewan nannte den geplanten Aktienfonds "unanständig". "Mit Steuergeld spekuliert man nicht", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Der grüne Koalitionspartner, der das Generationenkapital bisher ablehnte, meldete "Klärungsbedarfe" an. "Insbesondere muss das Vorhaben rechtlich sicher und mit dem EU-Beihilferecht vereinbar sein", teilten die Grünen-Sozialpolitiker Frank Bsirske und Markus Kurth mit. Gesetzlich festschreiben wollen die Grünen, dass der Einsatz von Beitragsmitteln für den Kapitalstock tatsächlich auch in Zukunft ausgeschlossen wird.