Proteste gegen Corona-Politik Entsetzen nach Fackel-Aufzug vor Wohnhaus
Mit Fackeln sind Gegner der Corona-Politik vor das Haus von Sachsens Gesundheitsministerin Köpping gezogen. Der Aufmarsch sorgt für Entsetzen, von einem "faschistoiden" Auftritt ist die Rede - und weitere Radikalisierung wird befürchtet.
Ein Aufmarsch von Gegnern der Corona-Politik vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping ist parteiübergreifend verurteilt worden. Politiker auch auf Bundesebene kritisierten den Protest scharf als Einschüchterungsversuch und Grenzüberschreitung und bekundeten Solidarität mit der SPD-Politikerin.
"Was wir da in der Nähe von Grimma gesehen haben, ist kein legitimer Protest", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der "Bild am Sonntag". "Dieser Fackelumzug ist organisierte Einschüchterung einer staatlichen Repräsentantin. Das erinnert mich an die dunkelsten Kapitel unserer deutschen Geschichte." Er sei sich sicher, dass die sächsischen Behörden das Geschehen nach diesem Maßstab bewerteten und angemessen Konsequenzen zögen.
Staatsschutz ermittelt
Gegner der Corona-Politik hatten am Freitagabend laut rufend mit Fackeln und Plakaten vor Köppings Haus in Grimma protestiert. Nach Angaben der Polizei versammelten sich dabei etwa 30 Menschen, demnach war die Ministerin zu dem Zeitpunkt zu Hause. Als die Beamten eintrafen, seien die Protestierenden in mehreren Fahrzeugen geflüchtet.
Die Polizei hielt 15 Autos an und stellte die Identitäten von 25 Personen fest. Sie erstattete Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und prüft Verstöße gegen die Corona-Verordnung. "Alle rechtlichen Schritte sowie in Betracht kommenden Straftatbestände" gegen die Protestierenden würden geprüft, demnach übernahm das Staatsschutz-Dezernat der Polizeidirektion Leipzig die Ermittlungen.
In einem im Internet verbreiteten Video ist zu sehen, wie die Menschen lärmend vor Köppings Haus stehen und "Friede, Freiheit, keine Diktatur" rufen. Köpping selbst schrieb bei Instagram, sachliche Kritik an den Corona-Maßnahmen sei "völlig legitim" und sie sei auch "immer gesprächsbereit". "Fackel-Proteste vor meinem Haus sind aber widerwärtig und unanständig."
Walter-Borjans: "Faschistoider" Auftritt
SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sprach mit Blick auf den Vorfall in Grimma von einem "faschistoiden" Auftritt. Er bezeichnete den Aufzug als "absolut erschütternd" und zog im Deutschlandfunk Vergleiche zu einer Zeit, in der Menschen schon einmal "vor Häusern mit Trommeln und Fackeln" gestanden hätten. Auf dem Sonderparteitag in Berlin sagte er, was vor Köppings Haus passiert sei, habe "mit demokratischer Meinungsäußerung nichts mehr zu tun".
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, die Grenzen seien überschritten, wenn "Schwurbler sich mit Fackeln vor dem Haus einer Politikerin versammeln". Das brauche "eine Antwort mit der vollen Härte des Rechtsstaats". SPD-Chefin Saskia Esken schrieb an Köpping gerichtet: "Die Vernunftbegabten und Verantwortungsbereiten sind die große Mehrheit, und die steht an Deiner Seite."
Zuspruch bekam die sächsische Politikerin auch parteiübergreifend von den sächsischen Grünen und Linken. Diese sprachen von einem Tabubruch und erklärten, ein solcher Aufzug passiere nicht in friedlicher Absicht.
Weitere Radikalisierung durch Impfpflicht befürchtet
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thomas Strobl (CDU), sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes sei davon auszugehen, dass eine Impfpflicht die "aggressive Haltung der Querdenker-Bewegung" noch verstärke. Die Bewegung glaube, eine voranschreitende Diktatur zu erkennen, die Widerstand rechtfertige. Sie sei "gefährlich für unsere freiheitliche Demokratie, und sie wird noch gefährlicher".
Auch Bundesinnenminister Seehofer befürchtet mit der geplanten Impfpflicht eine weitere Radikalisierung. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass eine Impfpflicht gegen Corona in der Bevölkerung zu Reaktionen führen kann", sagte er. Niemand könne ausschließen, dass sich aus dem Kreise der Impfgegner Einzelpersonen oder Gruppen radikalisierten und im schlimmsten Fall Gewalttaten verübten. "Die Sicherheitsbehörden müssen hochwachsam sein."