Scholz spricht mit Bürgern Dialog unter Palmen
Kanzler Scholz steht seit Monaten wegen seiner Kommunikation in der Kritik. Nun stellte er sich in Lübeck den Fragen von 155 Bürgern - hat er die Chance genutzt?
Eine Strandbar in der Hansestadt Lübeck, die Sonne scheint, 155 Menschen sind da, wollen dem Bundeskanzler Fragen stellen. "Moin, Moin", sagt Olaf Scholz zur Begrüßung. Es ist eine Art Heimspiel für Scholz, der in Hamburg aufgewachsen ist und dort viele Jahre politische Verantwortung getragen hat.
Der Kanzler wird auffallend viel lächeln im Laufe der Veranstaltung. Vielleicht, weil er sympathisch rüberkommen will, vielleicht aber auch, weil er sich wirklich wohl fühlt an diesem Sommerabend im Norden der Republik.
Er gibt auch wenig Grund für Scholz, sich nicht wohlzufühlen. Von außerhalb des Veranstaltungsgeländes sind zwar Stimmen Protestierender zu hören: "Scholz muss weg." Die 155 geladenen Gäste in der Strandbar aber betonen immer wieder, wie dankbar sie sind, dass der Kanzler gekommen ist und ihnen Rede und Antwort steht. Ausgewählt wurden die Fragestellerinnen und Fragensteller von der Lübecker Regionalzeitung, nicht von der Bundesregierung.
Auftakt einer Veranstaltungsreihe
Die Diskussionsveranstaltung in Lübeck ist der Auftakt einer ganzen Veranstaltungsreihe. In den kommenden Monaten will der Bundeskanzler bundesweit mit Bürgern in Austausch treten. Für den Regierungschef geht es auch darum, Vertrauen aufzubauen beziehungsweise zu sichern.
Vertrauen entsteht dadurch, dass man erläutert, was einem auf dem Herzen liegt und was man im Kopf hat.
Das gelte für diejenigen, die regieren, genauso wie für die Bürgerinnen und Bürger. So fasst Scholz die Idee hinter der Dialogveranstaltung zusammen.
An einem City-Strand mit Blick auf die historische Altstadt von Lübeck diskutierte der Kanzler mit 155 Menschen aus der Region.
Versuch der besseren Kommunikation
Der Kanzler steht seit Monaten immer mal wieder in der Kritik wegen seines Kommunikationsstils, während sich der Vizekanzler und Wirtschaftsminister quasi als "Chef-Politikerklärer" hervortut.
Bisweilen wirkt Scholz überheblich, zum Beispiel, als er zuletzt auf die Frage einer Journalistin beim G7-Gipfel sehr wortkarg reagiert und auf deren Kosten einen Witz macht. Zuvor hatte der Kanzler auf eine ähnliche Journalistenfrage bereits ausführlicher geantwortet. Dennoch empfanden viele seine Replik in der Situation als unhöflich.
Auch deshalb ist die Veranstaltungsreihe "Kanzlergespräch", die in allen Bundesländern Station machen soll, für Scholz eine Chance, sich nahbar zu präsentieren und seine Politik zu erläutern.
Viele Fragen zu hohen finanziellen Belastungen
Pflegenotstand, Rente, Fachkräftemangel: 90 Minuten lang beantwortet der Bundeskanzler zum Auftakt der Veranstaltungsreihe in Lübeck Fragen zu ganz unterschiedlichen Themengebieten. Viele Fragensteller bewegt die aktuelle Unsicherheit wegen des Ukraine-Kriegs und die hohen finanziellen Belastungen, die damit in Verbindung stehen.
Ein Mann fragt, wieso der Energiezuschuss, der die hohen Energiekosten abmildern soll, versteuert werden muss. Eine Frau will wissen, wie die Regierung Studierende wegen der steigenden Inflation vor Armut schützen will. Der Bundeskanzler redet die Situation nicht schön.
Das wird nicht einfach. Die Preise werden auch nicht schnell wieder sinken, sondern das wird lange ein Problem bleiben.
Scholz stellt weitere entlastende Maßnahmen in Aussicht
Scholz verweist mehrfach auf die bereits auf den Weg gebrachten Entlastungspakete der Bundesregierung und stellt weitere Schritte in Aussicht, für die seine Regierung nun den Austausch mit Arbeitgebern und Gewerkschaften sucht.
Welche Bedeutung der Kanzler dem Bürgerdialog beimisst, wird deutlich, als er danach gefragt wird, wie er den sozialen Frieden in Deutschland sichern will.
Das wird immer nur gelingen, wenn man nicht über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinwegredet, sondern sagt, da ist ein Problem, aber wir werden uns gemeinsam darum kümmern.
Und dann folgt eine für Scholz entscheidende Botschaft, denn er greift sie mehrfach auf an diesem Abend: "Niemand wird alleine gelassen." Das sei, glaube er, die entscheidende Aussage und zu der bekenne er sich.
Scholz redet auch über die Liebe
Trotz aller ernster Themen, Scholz, der eigentlich für seine norddeutsche Nüchternheit bekannt ist, spricht in Lübeck auch über das Thema Liebe. Als ein Fragesteller die Hochzeitsfeier von Finanzminister Christian Lindner auf Sylt kritisiert, weil sie nicht angemessen sei in diesen Zeiten, erwidert der Bundeskanzler: "Das Schönste im Leben ist die Liebe. Und wenn zwei sich finden und heiraten wollen, sollte man ihnen nicht allzu viel reinreden." Und er glaube, das gelte auch in diesen Zeiten.