Beschluss des SPD-Parteitags Schuldenbremse soll auch 2024 ausgesetzt werden
Um die aktuelle Haushaltskrise aufzulösen, setzt die SPD auf eine Aussetzung der Schuldenbremse auch im kommenden Jahr. Der Parteitag nahm einstimmig einen entsprechen Antrag des Parteivorstandes an.
Olaf Scholz mochte auf dem SPD-Parteitag das Wort "Schuldenbremse" nicht bemühen - der Kanzler blieb in seiner gefeierten Rede in dem Punkt vage. Er bemühte einmal mehr die Formulierung, er wolle "Zuversicht vermitteln, dass es gelingen werde".
Direkt im Anschluss an den Kanzlerauftritt nahmen die Delegierten aber geschlossen einen Antrag des Parteivorstandes an, der die Aussetzung der Schuldenbremse auch für 2024 vorsieht. Die Formulierung könnte jedoch Interpretationsspielraum zulassen: "Verfassungsrechtlich vorgegebene Spielräume für den Haushalt" müssten im Sinne der Bevölkerung genutzt werden, heißt es in dem Papier. Politisch sei mit dem Krieg gegen die Ukraine die Voraussetzung für eine Notlage gegeben, die eine erweiterte Kreditaufnahme ermögliche.
Parteichefin Saskia Esken betonte: "Wir können nicht Krisenbewältigung aus dem Normalhaushalt stemmen." Deswegen müsse die Ausnahmeregel bei der der Schuldenbremse noch einmal angewendet werden. Die SPD sei nicht dazu bereit, Mittel zur Bewältigung des Ukraine-Kriegs und seiner Folgen durch Kürzungen im Sozialhaushalt zu finanzieren.
Lindner bleibt - bislang - beim Nein
Ganz klare rote Linien werden in dem Beschluss zwar nicht gezogen - denn zunächst muss Scholz mit Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen und seinem Finanzminister Christian Lindner von der FDP über das weitere Vorgehen verhandeln. Allerdings wird in dem nun beschlossenen Antrag deutlich, dass die SPD für die Einrichtung eines Sonderfonds plädiert, in dem die Ausgaben für die Ukraine außerhalb des Etats zusammengefasst werden.
Ob sie sich durchsetzen kann, ist ungewiss, denn vor allem Lindner hatte zuletzt immer wieder deutlich gemacht, dass ihn die Argumente für eine Aussetzung der Schuldenbremse nicht überzeugen. Die drei Ampelspitzen ringen darum, ein 17 Milliarden Euro großes Loch im Haushalt für 2024 zu stopfen sowie in den kommenden Jahren Milliardeninvestitionen für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft zu ermöglichen.
Die FDP will dies allein durch Kürzungen unter anderem im Sozialen erreichen. SPD und Grüne dagegen wollen Kredite aufnehmen, um allzu einschneidende Sparrunden zu vermeiden.
Mützenich hofft auf schnellen Durchbruch
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hofft auf eine grundsätzliche Einigung noch vor dem Jahreswechsel. In seiner Parteitagsrede warnte er davor, ohne eine grundsätzliche Einigung zum Bundeshaushalt in das kommende Jahr zu gehen. Zwar sei ein Bundestagsbeschluss vor Jahresende nicht mehr möglich. Man müsse jetzt aber alles dafür tun, denjenigen zumindest Sicherheit zu geben, die auf die Mittel angewiesen seien, sagte Mützenich.
Bis zu einem Beschluss im Bundestag würde ab Januar die sogenannte vorläufige Haushaltsführung gelten. Dann sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen.
SPD will Schuldenbremse grundsätzlich reformieren
Bereits gestern hatten sich die Delegierten auf dem SPD-Parteitag für eine grundsätzliche Reform der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse ausgesprochen: "Starre Begrenzungen der Kreditaufnahme von Bund und Ländern, wie wir sie derzeit in der Verfassung vorfinden, lehnen wir ab", heißt es in dem gestern verabschiedeten Leitantrag des Parteivorstandes. "Sie verhindern Investitionen und beeinträchtigen die Handlungsfähigkeit des Staates."
Union bleibt bei der Ablehnung
Die Union steht einer Aufweichung der Schuldenbremse ablehnend gegenüber. Zuletzt verwies Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer auf großes Sparpotenzial beim Bürgergeld. "Wenn beispielsweise eine Million mehr Bürgergeldempfänger arbeiten würden, könnten pro Jahr 30 Milliarden Euro gespart werden. Für Maßnahmen, die dazu führen, stehen wir bereit, aber nicht dafür, die Schuldenbremse aufzuweichen", sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag".
Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, warnte davor, die aktuellen Probleme auf Pump zu lösen. "Ich bin da sehr klar: Die Schuldenbremse schützt die junge Generation vor der Übergriffigkeit der heute Regierenden." Derzeit werde zu wenig über das Erwirtschaften geredet. "Wo kommt diese traumwandlerische Sicherheit her, dass unsere Kinder kleinere Probleme haben werden als wir? Wo kommt die Sicherheit her, dass es denen leichter fallen wird, das Geld zu verdienen, was wir heute ausgeben?", fragte der CDU-Politiker im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. "Jede Generation sollte mit dem Geld auskommen, dass sie in der Lage ist, zu erwirtschaften."
Fachleute kritisieren Untätigkeit in der Vergangenheit
Auch unter Fachleuten ist die Abschaffung der Schuldenbremse umstritten: Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, sagte der dpa: "Die Ampel und die vorherigen Regierungen haben verschlafen, das Land auf die Zukunft vorzubereiten, und sie haben konstruktive Diskurse über mögliche und sinnvolle Reformen der Schuldenbremse unterbunden." Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer sagte der "Rheinischen Post", es müsse sorgfältig überlegt werden, ob die Schuldenbremse 2024 noch einmal ausgesetzt werden könne.