Malta-Reise des Bundespräsidenten Steinmeiers leise Politik
Bundespräsident Steinmeier hat auf Malta mit europäischen Staatsoberhäuptern über Flüchtlingspolitik und Reparationen beraten. In Deutschland würden sich manche klare Worte zu Themen wie Energiekrise und Ukraine-Krieg wünschen.
Schrill geht der Pfiff durch den Hafen von Valletta auf Malta. "Präsident an Bord" heißt das Signal für die Besatzung von U35. 30 Männer und eine Frau. Vor der versammelten Truppe steht der Bundespräsident. "Ich wünsche Ihnen für Ihre Mission eine ruhige See und vor allem viel Erfolg", sagte Steinmeier.
Er sagt das ruhig und durchaus freundlich, bevor er durch eine kleine Luke in das U-Boot steigt. Nur er allein, alle Kameras müssen draußen bleiben. An U-Booten ist vieles geheim. Die aktuelle Mission von U35 heißt Irini. Das U-Boot und seine Besatzung sollen das Waffenembargo der UN gegen Libyen durchsetzen.
Das deutsche U-Boot ist aber auch unterwegs, um Flüchtlings-Schleuser im Mittelmeer aufzuspüren. Sechs U-Boote besitzt die Marine insgesamt, sie gelten als die leisesten der Welt. Sollten die mehr als hundert Mikrofone von U35 ein verdächtiges Geräusch auf dem geheimen Tauchkurs irgendwo im Mittelmeer entdecken, würde das U-Boot nicht auftauchen, sondern andere Schiffe der Irini-Mission informieren.
Stabilisierung der Situation in Libyen "leider erfolglos"
Das Flüchtlingsthema begleitet Steinmeier auf seiner Reise nach Malta. Die Versuche, die Situation in Libyen zu stabilisieren, nennt Steinmeier "leider erfolglos", das aktuelle Unglück bei Lesbos, bei dem Geflüchtete ertrunken sind, habe die Migrationsfrage erneut auf die Tagesordnung gehoben.
So diplomatisch vorsichtig sich Steinmeier auch oft ausdrückt, hier formuliert er klar. Bereits am Donnerstag nimmt der Bundespräsident Stellung zu der Situation im Iran und fordert die Regierung in Teheran auf, die Gewalt gegen die Demonstrierenden, zu stoppen.
"Es muss ein Appell von hier aus ausgehen, dass das Regime in Teheran die Gewalt stoppt und Respekt zeigt vor den jungen Menschen und den Frauen, die dort auf der Straße sind", fordert er. Am Freitag unterstützt er einen Abschiebestopp für Geflüchtete aus dem Iran, den Bundesinnenministerin Faeser anstrebt.
Steinmeier sagt: "Ich bin mir sicher, dass sich Kommunen und Länder um den Schutz der betroffenen Menschen aus dem Iran kümmern werden." Die vermeintliche Sicherheit des Bundespräsidenten ist allerdings eher ein Appell, denn tatsächlich ist es eher so, dass sich viele deutsche Kommunen dadurch, dass wieder mehr Geflüchtete nach Deutschland kommen, belastet fühlen und (mehr) Hilfe vom Bund erwarten.
Restriktive Migrationspolitik Maltas zeigt Wirkung
Auf Malta hat sich die Situation in der Flüchtlingsfrage - aus maltesischer Sicht - erheblich entspannt. Die äußerst restriktive Migrationspolitik der maltesischen Regierung scheint viele Menschen abzuschrecken. Jedenfalls sind die Zahlen deutlich.
Seit Anfang 2022 sind an Maltas Küste noch nicht mal 300 Menschen angelandet, im gleichen Zeitraum jedoch an der italienischen Küste mehr als 70.000. Steinmeier ist klar, dass daher Italien mehr europäische Solidarität in dieser Frage braucht. Solidarität und auch Geld. Darum ging es wohl auch in dem Gespräch, das Steinmeier mit seinem italienischen Amtskollegen Mattarella in Malta geführt hat.
Die beiden Präsidenten haben unter vier Augen miteinander gesprochen. Doch es wird klar, dass Steinmeier in Mattarella den Garant dafür sieht, dass Italien nicht einen Oppositionskurs zur EU einschlagen wird, wie es bei der neugewählten italienischen Regierungs-Chefin Meloni und ihrem "Italien-zuerst-Kurs" klingt.
Treffen ist Hintergrundpolitik
Das jährliche Arraiolos-Treffen nicht-exekutiver Staatsoberhäupter ist kein Beschlussgremium. Die Präsidenten entscheiden nicht, sie regieren nicht. Aber genau deshalb kann das Treffen spannend sein. Denn die Diskussionen gelten als sehr offen. Diese Art der Hintergrund-Politik liegt dem deutschen Bundespräsidenten. Seine Erfahrung als Außenminister kommt ihm zugute. Das, was seine Kritiker an ihm als vage oder unkonkret bezeichnen würden, ist hier von Vorteil. Leises, verschwiegenes Abstimmen hinter den Kulissen.
Während in Deutschland vielleicht der Wunsch nach klaren Worten des Bundespräsidenten zur Energie-Krise, zum Krieg in der Ukraine, zur sozialen Schere in der Gesellschaft oder zu den Protesten des sogenannten heißen Herbstes laut werden, kann Steinmeier hier in Malta leise Politik machen.
Steinmeier will Verhältnis zu Polen entschärfen
Das bedeutet durchaus auch, Streitpunkte anzusprechen. Es ist davon auszugehen, dass das Gespräch mit dem polnischen Präsidenten Duda nicht nur harmonisch verlaufen ist. Steinmeier geht es darum, die atmosphärisch schwierige Situation nach den Reparationsforderungen Polens an Deutschland zu entschärfen. Ob es ihm gelungen ist, werden die nächsten Wochen zeigen.
Der Bundespräsident wirkt in seiner zweiten Amtszeit zufrieden damit, im Hintergrund Impulse zu geben. Die Rede des Bundespräsidenten an alle Menschen in Deutschland, sie soll wohl noch im Oktober kommen. Das wäre ein Anlass für Steinmeier, seine leise Politik deutlich hörbarer zu machen.