Umfrage im Auftrag des Beamtenbundes Fast 70 Prozent sehen den Staat als überfordert an
Als im Zuge von Corona strenge Maßnahmen galten, war die Mehrheit der Deutschen mit ihrem Staat zufrieden. Heute sehen fast 70 Prozent ihn als überfordert an. Der Beamtenbund, der die Umfrage beauftragt hat, richtet klare Worte an Kanzler Scholz.
Das Vertrauen der Menschen in Deutschland in die Handlungsfähigkeit ihres Staates ist laut einer Umfrage auf einen Tiefstand gesunken. Das geht aus der jährlichen "Bürgerbefragung Öffentlicher Dienst" im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes (dbb) hervor. Demnach halten nur noch 27 Prozent der Befragten den Staat für fähig, seine Aufgaben zu erfüllen. Das waren zwei Prozentpunkte weniger als im vergangenen Jahr.
69 Prozent sehen den Staat derzeit hingegen als überfordert an - drei Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr und deutlich mehr als 2020. Damals sagten nur 40 Prozent, der Staat sei überfordert - und das in dem Jahr, in dem von staatlicher Seite im Kampf gegen die Corona-Pandemie strenge Vorschriften erlassen wurden, die massive Auswirkungen auf den Alltag der Menschen hatten.
Jahr | in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen | überfordert |
---|---|---|
2019 | 34 % | 61 % |
2020 | 56 % | 40 % |
2021 | 45 % | 51 % |
2022 | 29 % | 66 % |
2023 | 27 % | 69 % |
(Quelle: Forsa-Umfrage im Auftrag des dbb) |
dbb-Chef sieht Defizite bei Scholz' "Führung"
Die Zahlen der aktuellen Umfrage seien "erschreckend", sagte der dbb-Vorsitzende Ulrich Silberbach - "weil wir natürlich in einer Zeit leben, wo wir merken, dass die Bürgerinnen und Bürger Orientierung brauchen, dass die Bürgerinnen und Bürger auch Führung brauchen". Silberbach übte in diesem Zusammenhang auch deutliche Kritik an Bundeskanzler Olaf Scholz: "Es gibt jemanden im Kanzleramt, der hat gesagt, 'wer bei mir Führung bestellt, der bekommt sie'. Das scheint sich bei den Bürgerinnen und Bürgern noch nicht so eingestellt zu haben."
Den Ärger der Menschen müssten die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ausbaden, so der Beamtenbund-Chef weiter. Mehr als die Hälfte von ihnen (54 Prozent) sei im Dienst schon beschimpft, bedroht oder tätlich angegriffen worden.
"Wir erwarten von der Politik, dass sie die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ihre Arbeit machen lässt", sagte Silberbach. Dazu gehörten eine ausreichende Personalausstattung und eine leistungsgerechte Bezahlung, aber auch das Themenfeld Digitalisierung. Hier sei der Abbau der Bundesmittel von 377 auf 3,3 Millionen Euro das "vollkommen falsche Signal".
Der dbb lässt die Befragung zum Ansehen des öffentlichen Dienstes jährlich durchführen. In diesem Jahr hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa nach eigenen Angaben dafür im Juni insgesamt 2008 repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger online befragt.
Besonders schlecht ist das Ansehen des Staates demnach in Ostdeutschland. Dort waren 77 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass er hinsichtlich seiner Aufgaben und der bestehenden Probleme überfordert sei - im Westen waren es 68 Prozent. Die schlechteste Meinung haben AfD-Anhänger. Von ihnen sehen gerade einmal 6 Prozent den Staat in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen. Das andere Ende der Skala bilden Anhänger der Grünen - hier sind es 52 Prozent.
"Angst, dass wir eine so starke Polarisierung haben"
Forsa-Chef Manfred Güllner sagte, die Zahlen enthielten Hinweise auf Brüche in der Gesellschaft. Dies zeige sich etwa daran, welche staatliche Aufgaben als sehr wichtig angesehen würden. Im Westen hätten 47 Prozent der Befragten Investitionen in den Klimaschutz genannt, im Osten nur 37 Prozent. Die Entlastung der Bürger wegen der gestiegenen Preise vor allem für Energie sei im Osten für 50 Prozent der Bürger sehr wichtig, im Westen nur für 37 Prozent.
Ein sehr starkes Auseinanderklaffen sei bei den Ansichten der Anhänger der Grünen und der AfD zu beobachten. So spiele etwa der Ausbau der erneuerbaren Energien für AfD-Anhänger so gut wie keine Rolle (11 Prozent), für Grünen-Anhänger sei er aber das Wichtigste (88 Prozent). "Das macht mir Angst, dass wir eine so starke, extreme Polarisierung haben", sagte Güllner.
Ähnliche Tendenz auch im DeutschlandTrend
Die dbb-Umfrage bestätigt in der Tendenz den Trend, der sich auch im ARD-DeutschlandTrend zeigt. Dort wird zwar nicht nach der Handlungsfähigkeit des Staates gefragt, aber regelmäßig nach der Zufriedenheit mit der jeweiligen Bundesregierung. Und auch hier zeigten sich 2020 - zum Beginn der Corona-Pandemie - Spitzenwerte: Mehr als 60 Prozent waren damals mit der von Union und SPD gestellten Bundesregierung zufrieden. Die Ampel-Regierung kommt im aktuellen DeutschlandTrend hingegen nur noch auf eine Zustimmung von 21 Prozent.