Verteidigungsausschuss zu Abhöraffäre Auch Luftwaffeninspekteur nutzte unsichere Leitung
Bei der Sitzung des Verteidigungsausschusses zur Abhöraffäre hat Minister Pistorius die Bundeswehroffiziere in Schutz genommen. Allerdings wurde bekannt, dass auch Luftwaffeninspekteur Gerhartz über eine unsichere Leitung an dem Gespräch teilnahm.
Der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, hat sich bei dem von Russland abgehörten Bundeswehr-Gespräch über die Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern an die Ukraine nicht ordnungsgemäß verhalten. "Es gab einen zweiten Teilnehmer, der sich falsch eingewählt hat, allerdings ohne dass es dort zu Datenabfluss gekommen wäre", sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius nach einer Sondersitzung des Bundestags-Verteidigungsausschusses in Berlin. Dabei habe es sich um Gerhartz gehandelt.
Zuvor war bereits bekannt gewesen, dass ein anderer Offizier sich über eine unsichere Verbindung in die Konferenz eingewählt hatte. So konnte Russland das Gespräch belauschen.
Dennoch stellte sich Pistorius vor die Offiziere der Luftwaffe. "Ich bin nicht gewillt, das will ich noch mal deutlich sagen, Putin hier auf den Leim zu gehen und meine besten Offiziere, ob sie hier einen Fehler gemacht haben oder nicht, an die Luft zu setzen", sagte Pistorius. Und: "Das wäre genau das, was Wladimir Putin von uns erwartet." Er wolle die weiteren Ermittlungen zu dem Vorfall abwarten, bevor er über mögliche personelle Konsequenzen entscheide. Derzeit gebe es disziplinarische Vorermittlungen.
Union will Scholz befragen
Ein russischer Nachrichtendienst hatte eine Schaltkonferenz von vier hohen Offizieren der Luftwaffe abgehört. Sie hatten über Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper gesprochen, falls der "Taurus" doch noch an die Ukraine geliefert würde.
Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Florian Hahn, sagte nach der Sitzung, es seien noch Fragen offen. Es müsse auch geklärt werden, warum Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entgegen der Meinung der Bundeswehr-Experten weiter argumentiere, dass Deutschland mit der Taurus-Lieferung Kriegspartei werde, sagte er vor der Sitzung des Verteidigungsausschusses. Dabei habe die Luftwaffe dies nach dem abgehörten Gespräch "explizit ausgeschlossen", dass für die "Taurus"-Lieferung deutsche Soldaten in die Ukraine entsandt werden müssten. Nötig sei es daher, auch Scholz sowie zu der Abhöraffäre den Luftwaffeninspekteur zu sprechen, so Hahn.
Grüne bringen erneut Ringtausch ins Spiel
Bei der Frage über die mögliche Lieferung der Marschflugkörper werden zunehmend Meinungsverschiedenheiten in der Ampelkoalition deutlicher. Nachdem Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) einen sogenannten Ringtausch, bei dem Deutschland "Taurus"-Raketen an Großbritannien abgeben könnte und London dafür weitere Flugkörper vom Typ "Storm Shadow" an die Ukraine liefert, als "Option" bezeichnet hat, äußerte sich ihr Parteichef Omid Nouripour ähnlich: Dies könne "eine Option sein, wie wir den Knoten durchschlagen können", sagte er.
Der Marschflugkörper vom Typ "Taurus" ist rund fünf Meter lang und wiegt fast 1.400 Kilogramm. Er ist mit einem eigenen Triebwerk und mehreren Navigationssystemen ausgestattet, die einen autonomen Tiefflug durch gegnerisches Gebiet ermöglichen. Das bedeutet, die Marschflugkörper können im Krieg aus sicherer Entfernung von Kampfflugzeugen abgefeuert werden und Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung treffen und zerstören.
Da die Marschflugkörper besonders tief fliegen und relativ klein sind, können sie von der gegnerischen Flugabwehr nur schwer getroffen werden. Die Bundeswehr hat das Waffensystem "Taurus" seit 2005. Es kann mit den Kampfflugzeugen "Tornado" und "Eurofighter" zum Einsatz gebracht werden. Hersteller ist eine Tochterfirma des Rüstungskonzerns MBDA.
Der Marschflugkörper "Taurus" ist das deutsch-schwedische Gegenstück zu den parallel entwickelten britisch-französischen Marschflugkörpern "Storm Shadow" und "Scalp".
SPD-Chef Lars Klingbeil lehnte dies dagegen ab. Er verteidigte im ARD-Morgenmagazin auch das Nein von Scholz zu Taurus-Lieferungen an die Ukraine und forderte, die europäischen Partner sollten sich darauf konzentrieren, endlich mehr Munition zu produzieren und zu liefern. Klingbeil sagte: "Das ist das, worauf sich alle konzentrieren sollten und keine anderen Debatten."
Pistorius sagte am Abend, er sehe in einem Ringtausch keine Lösung. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte zur Frage des Ringtauschs lediglich: "Es gibt keinen neuen Stand." Scholz habe zum Taurus eine Entscheidung getroffen.