Lambrecht-Nachfolge Tag der Entscheidung
Kanzler Scholz will heute offenbar die Nachfolge der scheidenden Verteidigungsministerin Lambrecht bekannt geben. Über eine Reihe von Namen wird spekuliert - auch ein Novum könnte es geben. Der Kreis der möglichen Nachfolger wird kleiner.
Nach dem Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wird erwartet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz heute die Nachfolgerin oder den Nachfolger verkündet. Arbeitsminister Hubertus Heil sagte gestern in der ARD-Sendung Hart aber fair, der Kanzler werde die Personalie schnell - "nämlich morgen" - bekannt geben. "Da wird's keine Hängepartie geben", betonte der SPD-Politiker.
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte in den tagesthemen mit Blick auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, das Vakuum müsse umgehend gefüllt werden.
Scholz: "Ich habe eine klare Vorstellung"
Die seit Monaten in der Kritik stehende Verteidigungsministerin hatte am Montagmorgen schriftlich erklärt, dass sie Scholz um Entlassung gebeten habe. Die Frage der Nachfolge blieb zunächst unbeantwortet. Scholz sagte dazu jedoch: "Ich habe eine klare Vorstellung, und das wird sehr schnell für alle bekannt werden, wie das weitergehen soll."
Als mögliche Anwärter für die Nachfolge im Gespräch waren SPD-Chef Lars Klingbeil, Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt und Arbeitsminister Heil sowie die Wehrbeauftragte Eva Högl und die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller.
Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios kommen Heil, Klingbeil und Schmidt jedoch nicht für das Amt infrage. Im Rennen seien dafür weiter Högl und Möller.
Genannt werden auch Pistorius und Breuer
Im ARD-Morgenmagazin betonte Korrespondent Michael Strempel, dass man sich noch immer im Stadium der Spekulationen befinde. "Da tauchen schon noch neue Namen auf, aber es gibt keine wirklich guten belastbaren Quellen." Genannt wurde demnach auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius. Über ihn heiße es zwar, er sei kein Verteidigungspolitiker, gelte aber als durchsetzungsfähig in der SPD.
"Interessanter war die Überlegung, dass es auch mal jemand aus der Bundeswehr selbst sein könnte", berichtete Strempel. Da sei der General Carsten Breuer genannt worden, der für Kanzler Scholz die Corona-Taskforce managte. "Das wäre ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik." Es habe noch nie ein aktiver Militär an die Spitze des Verteidigungsministeriums gewechselt.
Offiziell ist bislang nicht angekündigt, wann und wie Scholz die Personalentscheidung bekannt gibt.
SPD-Frauenorganisation fordert Parität im Kabinett
Die Frauenorganisation der SPD pochte darauf, die paritätische Besetzung des Bundeskabinetts beizubehalten - also gleich viele Männer und Frauen als Minister. "Eine Gesellschaft, die zu über 50 Prozent aus Frauen besteht, muss sich auch im Kabinett widerspiegeln", sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Maria Noichl, der "Rheinischen Post". "Fifty-fifty muss weiter gelten. Dafür steht die SPD."
Auf die Frage, ob ein Militär in politischer Führungsposition vermittelbar sei, erklärte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter im ARD-Morgenmagazin: "Ich glaube in unserer Parteiendemokratie sollten wir vermeiden, dass die Generalität in den Parteienstreit gezogen wird." Er erwarte von der Generalität klare politische Beratung und Mut. "Das war in den letzten Jahren sehr gering."
Entscheidend sei - egal, ob militärischer Fachmann oder ausgewiesene Politikerin oder Politiker - das jemand mit Herz für die Streitkräfte komme. "Aber eben auch die Zeitenwende umsetzt", so Kiesewetter. Die Zeitenwende sei in den Streitkräften nicht angekommen.
Kiesewetter pocht auf "Schwergewicht" im Ministerium
Kiesewetter wies auch darauf hin, dass sich bald Vertreter der westlichen Verbündeten der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz treffen. "Frau Lambrecht ist zu früh zurückgetreten, denn wir haben am Freitag eine ganz wichtige Entscheidung", sagte er. Es gehe darum: "Werden Kampfpanzer 'Leopard' in der Ausbildung und dann auch in der Lieferung vorbereitet?" Dazu brauche es ein "Schwergewicht".
Auch Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, forderte zum wiederholten Mal Bewegung in Sachen Kampfpanzer. Der Dreh- und Angelpunkt bleibe das Kanzleramt, betonte sie in der ARD. Sie hoffe, dass jetzt sehr schnell entschieden wird. "Die Europäer und auch die NATO-Staaten erwarten von Deutschland Führung."
Reihe von Baustellen im Verteidigungsministerium
Lambrecht hinterlässt der künftigen Ressortleitung eine ganze Reihe von Baustellen. So steht die Modernisierung der Bundeswehr unter anderem mit Hilfe des 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens am Beginn. Bisher wurden erst Verträge über gut zehn Milliarden Euro geschlossen. Die Aufrüstung hatte Kanzler Scholz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar vergangenen Jahres verkündet.
Unklar ist auch noch, wie es mit den Waffenlieferungen an die Ukraine weitergeht. Nachdem die Bundesregierung zuletzt die Lieferung von "Marder"-Schützenpanzern beschlossen hatte, drehen sich die aktuellen Debatten darum, dem angegriffenen Land "Leopard"-Kampfpanzer bereitzustellen.
Dauerbaustellen bei der Truppe sind auch Mängel bei zahlreichen Waffensystemen wie zuletzt beim Schützenpanzer "Puma" und Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Munition. Auch der geordnete Rückzug aus dem UN-Einsatz MINUSMA in Mali steht auf der Agenda des oder der künftigen "Ibuk", des Inhabers oder der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt. Nach einer Entscheidung der Bundesregierung soll das bis Mai 2024 geschehen.