Fragen und Antworten Worum geht es beim Wohngipfel?
Wird der lange angekündigte Wohngipfel tatsächlich Lösungen bringen oder wird er zur Showveranstaltung? Was hat die Politik beim Thema Wohnen schon geschafft? Und was muss noch passieren? Ein Überblick.
Warum ist Wohnen eigentlich so teuer geworden?
Zunächst ist festzuhalten: Wohnraum ist nicht überall teuer. Bezahlbares Wohnen ist vor allem ein Problem der großen Städte und Ballungsräume inklusive ihrer Einzugsgebiete. Die Menschen ziehen vom Land in die Städte, weil sie hier Arbeit finden. Zudem wächst die Bevölkerung durch die gestiegene Geburtenrate und die Zuwanderung seit einiger Zeit wieder. In der Folge wird der Wohnraum knapp.
Aktuell fehlen in Deutschland Studien zufolge etwa eine Million Wohnungen. Allein in den sieben größten Städten des Landes - Berlin, München, Hamburg, Köln, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart - sind es 400.000. Und wo es zu wenig Angebot bei zu großer Nachfrage gibt, steigen die Preise. Nicht nur beim Mieten, sondern auch die Kauf-, Bau- und Bodenpreise.
Hinzu kommt: Es gibt viel zu wenige Sozialwohnungen. Etwa 1,2 Millionen gab es 2017 in Deutschland. 2006, als mit einer Reform die Zuständigkeit für den sozialen Wohnungsbau vom Bund auf die Länder überging, waren es noch rund 2,1 Millionen. Dabei haben nach Schätzungen des Mieterbundes etwa die Hälfte aller Deutschen einen Anspruch auf eine Sozialwohnung.
Wie stark sind die Mieten gestiegen?
In Berlin war der Anstieg am stärksten: Hier zahlte man laut einem Report von immowelt 2008 beim Einzug im Schnitt noch 5,60 Euro pro Quadratmeter, 2018 schon 11,40 Euro, eine Steigerung von 104 Prozent. Am teuersten sind die Angebotsmieten allerdings immer noch in München: Hier kostet der Quadratmeter im Schnitt 17,90 Euro, 2008 waren es 11,10 Euro.
Gibt es tatsächlich zu wenig Wohnraum in Deutschland?
Eigentlich gibt es in Deutschland so viele Wohnungen wie noch nie. Zum Jahresende 2017 waren es laut Statistischem Bundesamt knapp 42 Millionen, 3,7 Prozent mehr als noch im Jahr 2010. Das Problem ist: In den Städten wird zu wenig gebaut, unter anderem aus Mangel an Flächen, und auf dem Land gibt es teilweise eine Überbebauung, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln feststellt. Insgesamt seien in den ländlichen Kreisen 20 Prozent mehr Wohnungen gebaut worden als angesichts demografischer Entwicklung und Leerstände nötig gewesen wären. Bei den Einfamilienhäusern sogar doppelt so viele.
Um den Bedarf in den Gebieten mit mangelndem Wohnraum zu decken, halten unter anderem Akteure der Immobilienwirtschaft und der Deutsche Städtetag den Neubau von 400.000 Wohnungen jährlich für notwendig. Davon Schätzungen zufolge 80.000 bis 120.000 Sozialwohnungen. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, in der laufenden Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen, also 375.000 pro Jahr. Diese Zielmarke wird allerdings 2018 bereits verfehlt, sagt die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau). Nicht einmal 300.000 Neubauwohnungen würden in diesem Jahr erreicht. Darauf deuteten relevante Branchenindikatoren wie Absatzzahlen und Baugenehmigungen hin. Der Bundesvorsitzende Robert Feiger spricht von einer "Bau-Lethargie". Damit die Koalition ihr Ziel nicht verfehlt, müssten also bis 2021 jährlich 400.000 Wohnungen gebaut werden, was viele Branchenkenner für unrealistisch halten.
Wieso hat man nicht früher gegengesteuert?
Insbesondere was den Sozialen Wohnungsbau betrifft, sind die Probleme hausgemacht. Die Anzahl der Sozialwohnungen sinkt seit Jahren. In den 1990er und 2000er Jahren hatten Länder, Städte und Kommunen wegen der vielerorts schlechten Haushaltslage viele Wohnungen und auch Bauflächen an private Investoren verkauft. Die müssen sich, wenn sie mithilfe von öffentlicher Förderung Sozialwohnungen bauen, aber nur eine bestimmte Zeit an die Preisbindung halten, danach können sie Marktpreise verlangen.
In vielen Städten ging man davon aus, dass die Bevölkerungszahl stagniert oder sogar schrumpft. "Man war in der Vergangenheit vielerorts der Meinung, Deutschland sei fertig gebaut und man müsste sich nur noch darauf konzentrieren, den Bestand zu erhalten und zu modernisieren und nicht mehr darauf, neu zu bauen. Das war nicht richtig", sagt Bernhard Daldrup, wohnungsbaupolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion im Gespräch mit tagesschau.de.
Die Wohnungen und Flächen, die verkauft wurden, fehlen der öffentlichen Hand heute, um für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Gleichzeitig fallen jedes Jahr schätzungsweise 50.000 bis 60.000 Sozialwohnungen aus der Preisbindung. Demgegenüber wurden 2017 nur etwa 26.000 neue Sozialwohnungen geschaffen. "Die Politik hat das Problem schlicht verschlafen. Man hat viel zu sehr in die Marktlogik der Privatwirtschaft gesetzt", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. "Und nach wie vor wird viel zu wenig getan, um den Sozialwohnungsneubau tatsächlich zu beleben."
Warum geht es mit dem Bauen nicht schnell genug voran?
Die Immobilienbranche beklagt schon seit langem, dass Bauen in den vergangenen Jahren nicht nur stetig teurer, sondern auch sehr kompliziert geworden ist. Es gebe zu viele Bauvorschriften, die teils unnötig seien. Das verzögere den Bauprozess. "Damit mehr und günstiger gebaut werden kann, muss auch mehr Bauland ausgewiesen werden", sagt Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland gegenüber tagesschau.de. In Großstädten, wo Flächen knapp sind, plädiert er für einen vorrangigen Dachgeschossausbau. Die IG Bau kritisiert zudem, dass Fachkräfte fehlen.
Was hat die Bundesregierung bereits auf den Weg gebracht?
Mit ihrer sogenannten Wohnrauminitiative will die Große Koalition mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Für den Sozialen Wohnungsbau sollen 2018 und 2019 jeweils 1,5 Milliarden Euro an die Länder fließen. Ab 2020 darf der Bund eigentlich kein Geld mehr geben, da die Länder im Zuge der Föderalismusreform allein zuständig sind. Laut Koalitionsvertrag ist aber eine Grundgesetzänderung geplant, so dass der Bund auch 2020 und 2021 jeweils eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen kann.
Seit dieser Woche kann das neue Baukindergeld beantragt werden, mit dem die Koalition das Ziel verfolgt, die Eigentumsbildung von Familien zu unterstützen und die Bautätigkeit zu beleben. Ob das Instrument allerdings die gewünschte Wirkung erzielt oder nicht vielmehr die Falschen unterstützt, ist umstritten.
Außerdem hat das Kabinett eine Reform der Mietpreisbremse beschlossen. Laut Gesetzentwurf von Justizministerin Katarina Barley (SPD) soll die bislang weitgehend wirkungslose Mietpreisbremse nun verschärft werden, indem Vermieter begründen müssen, wenn sie die zulässige Miethöhe von zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete überschreiten wollen. Für Mieter soll es außerdem künftig viel leichter sein, zu hohe Mieten zu beanstanden. Auch die Möglichkeit, Modernisierungskosten auf die Mieter umzulegen und so gezielte "Entmietung" zu betrieben, soll eingeschränkt beziehungsweise künftig sanktioniert werden.
In dieser Woche hat das Kabinett zudem weitere steuerliche Anreize für den Neubau von bezahlbaren Wohnungen beschlossen. Kritik kommt vom Deutschen Mieterbund: "Dieses Instrument müsste dringend an eine Mietobergrenze gekoppelt werden", sagt Geschäftsführer Ropertz. "Warum soll ein Vermieter die durch diese steuerliche Förderung entstandenen Wohnungen zu niedrigen Preisen anbieten, wenn er auch Marktpreise dafür bekommen kann?"
Was ist von dem Wohngipfel zu erwarten?
Zu dem lange angekündigten Gipfel werden etwa 120 Teilnehmer erwartet, vor allem aus Politik sowie Immobilien-, Wohnungs- und Bauwirtschaft sowie der Deutsche Mieterbund und der DGB. Angesetzt sind zweieinhalb Stunden. "Bahnbrechende Lösungsansätze" erwartet Ropertz vom Mieterbund deshalb nicht. Seine Befürchtung: Es werde für die einzelnen Teilnehmer nur wenig Zeit zur Stellungnahme geben. Und: "Die Bundesregierung wird den Gipfel wohl hauptsächlich nutzen, um ihre ohnehin schon beschlossenen Instrumente zu präsentieren."
Daldrup, der selbst nicht beim Gipfel sein wird, ist da zuversichtlicher: Der SPD-Politiker erwartet vom Gipfel ein politisches Signal und eine Verständigung darauf, was zusätzlich zum bereits Beschlossenen auf den Weg gebracht werden soll. "Wenn dieser Gipfel wirklich ernst gemeint ist, darf das aber kein singuläres Ereignis sein. Sondern in einem Jahr müsste dann Rechenschaft darüber abgelegt werden, was tatsächlich passiert ist."
Angela Merkel kündigte an, dass "die Teilnehmer auch darüber reden wollen, wie mehr Bauland zur Verfügung gestellt und Verfahren und Prozeduren verkürzt werden können." Der Bund werde selber von seinem Eigentum leichter Bauland zu Verfügung stellen.
Was fordern die einzelnen Teilnehmer?
Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages, fordert unter anderem zielgenaues und zukunftssicheres Bauen. "Um den Mangel an Bauland zu beheben, entwickeln betroffene Städte Baulandstrategien und geben Grundstücke preisreduziert ab. Vor allem verankern viele Städte Quoten für bezahlbare Wohnungen in städtebaulichen Verträgen", sagt er zu tagesschau.de. Bund und Länder sollten das unterstützen.
Kai Warnecke von Haus & Grund hofft, dass die Politik die privaten Einzeleigentümer als Partner wiederentdeckt. Denn: "Die mietrechtlichen Änderungen der vergangenen Jahre gingen stets zulasten der privaten Kleinvermieter." Stattdessen fordert er, mehr Bauland auszuweisen - und zwar dort, wo Wohnungen nachgefragt werden.
Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund sieht die größte Dringlichkeit beim Sozialen Wohnungsbau: "Das wirksamste Mittel, um Mietsteigerungen zu begrenzen, sind Sozialwohnungen. Hier müsste viel mehr Geld in die Hand genommen werden." Zudem fordert er eine "Mietpreisbremse, die auch tatsächlich bremst". Also eine, die bundesweit gelte und zwar ohne Ausnahmen.