Operation "Eureka" Der Gastronom und das Kokain
Im Rahmen der Anti-Mafia-Operation "Eureka" wurde auch ein bekannter Erfurter Gastronom festgenommen. Sein Name tauchte nach Informationen von MDR und FAZ bereits vor 20 Jahren in Ermittlungsakten auf.
Die Spezialkräfte überwältigten Maurizio C. um vier Uhr morgens an diesem 3. Mai 2023. Mit einer Ramme drangen sie in seine Wohnung in einer Gasse der Erfurter Innenstadt ein und packten kräftig zu. Zu kräftig, findet offenbar C.s Anwalt. Er will Strafanzeige stellen, weil sein Mandant bei dem Zugriff erheblich verletzt worden sei.
Maurizio C. ist einer von insgesamt 27 Tatverdächtigen, die Ermittler im Rahmen der weltweiten Operation mit dem Decknamen "Eureka" in Deutschland verhafteten. Neben seiner Wohnung wurden auch seine Lokale in der Innenstadt von Erfurt durchsucht.
Im Fokus des Verfahrens: mutmaßliche Mitglieder der kalabrischen Mafia 'Ndrangheta und Verdächtige aus ihrem Umfeld. Sie sollen Kokaingeschäfte im großen Stil organisiert und alleine in Deutschland Millionen von Euro gewaschen haben, etwa durch Restaurants oder Autowaschanlagen.
In Erfurt wohlbekannt
C. ist ein bekannter Gastronom in Erfurt und lebt seit mehr als 25 Jahren in Thüringen. In seinem Restaurant unweit der Staatskanzlei waren schon viele Promis und Lokalpolitiker zu Gast. Ursprünglich stammt C. aus San Luca, einem kleinen Dorf am Fuße des Aspromonte-Gebirges, das als eine der Hochburgen der 'Ndrangheta gilt. Ermittler rechnen ihn der Familie Strangio, Spitzname "Fracascia" zu, zu der auch mehrere Hauptverdächtige im Verfahren "Eureka" gehören.
Gegen C. liegt ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Reggio Calabria vor. Ermittler glauben, dass er gemeinsam mit zehn anderen Männern an einem Kokaindeal beteiligt gewesen sein könnte, der aber offensichtlich platzte. Unter den Verdächtigen sollen auch mehrere Verwandte von ihm sein. C. soll den Deal mitfinanziert haben.
Sein Anwalt Matthias Fertig wollte sich gegenüber MDR und "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" (FAZ) nicht zu den konkreten Tatvorwürfen äußern. Er wies darauf hin, dass sein Mandant und er noch keine Akteneinsicht gehabt hätten.
Einmal fast um die Welt
Das Kokain sollte mutmaßlich aus Ecuador nach Australien geschickt werden. Das geht aus dem italienischen Haftbefehl hervor, den MDR und FAZ. einsehen konnten. Australien ist eine Goldgrube für Kokainhändler. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen kann dort ein Gramm Kokain für rund 219 Euro verkauft werden. Als Vergleich: Die gleiche Menge kostet in Mitteleuropa durchschnittlich 76 Euro.
Wie Ermittler aus Chats über Kryptohandys des Anbieters SkyECC rekonstruieren konnten, soll der Deal folgendermaßen abgelaufen sein: Im Juni 2020 sollen Kriminelle aus Australien einem Cousin von Maurizio C. das Angebot gemacht haben, in ein Kokaingeschäft einzusteigen. So schrieb C.s Cousin in Juni 2020 einem Komplizen: "Wenn wir teilnehmen wollen, müssen wir das Geld schicken".
20 Kilo Kokain bestellt
Er machte auch einen Vorschlag, wie viel sie abnehmen könnten: rund 20 Kilo Kokain für 6500 Dollar pro Kilo, plus die Transportkosten - insgesamt 132.000 Dollar. Tatsächlich schickte die Gruppierung rund um C.s Cousins Ende Juni 175.000 Dollar nach Ecuador. Weitere 370.000 Dollar wurden im August in Kooperation mit anderen mutmaßlichen Kriminellen nachgeschickt, als es aus Australien hieß, es gäbe Potenzial für den Import einer noch größeren Ladung.
Doch irgendwas schien plötzlich schief zu laufen. Denn Ende des Sommers 2020 wurde die Gruppe ungeduldig. So gab es offenbar Klagen, dass in Ecuador "eine halbe Million" herumliege, aber niemand etwas Genaues wisse. Durch die Chats wurde den Ermittlern klar, dass die Gruppierung in Australien wohl einen Statthalter hat und diesen nun beschuldigte, das Kokain-Geschäft nicht auf die Reihe zu bekommen.
Restaurantbesitzer soll einspringen
Dieser Mann ist laut Ermittler der Schwager von Maurizio C. - und der soll diesen der Gruppierung vorgestellt haben. Deswegen erwarteten die anderen offenbar, dass C. nun für seinen Schwager einspringt und das Geld, was für den Deal vorgesehen war, zurückzahlt. In einem Chat hieß es: "Der vom Restaurant soll die Hände in die Taschen stecken und zahlen".
Tatsächlich schickte die Gruppierung Anfang Dezember Michele M. nach Erfurt. Der ist Maurizios C. Neffe und lebt in Bayern. Er steht ebenso im Verdacht, am Kokaindeal beteiligt gewesen zu sein. Außerdem werfen ihm Ermittler vor, illegale Gelder unter anderem über drei Autowaschanlagen in München gewaschen zu haben.
Fahnder hören mit
In Erfurt angekommen, besuchte M. seinen Onkel Maurizio C. in dessen Restaurant. Er übergab ihm ein Kryptohandy, damit er mit einem Mitglied der Gruppierung schreiben kann. Ob und was er geschrieben haben könnte, bleibt unklar, weil die Nachrichten später gelöscht wurden.
Aber die Ermittler hörten offenbar heimlich mit zu, wie M.s Frau ihn nach dem Besuch im Restaurant fragte, wie viel ihm sein Onkel gegeben hätte. "vier", antwortet M. und die Ermittler vermuten, dass damit 4000 Euro gemeint sind. Wie das Ganze ausging, bleibt aber unklar.
Seit zwei Jahrzehnten im Visier der Fahnder
"Eureka" ist nicht das erste Verfahren, in dem Maurizio C.s Name auftaucht. Vor 20 Jahren startete in Thüringen eine große Mafia-Ermittlung unter dem Decknamen "Fido". In dem Verfahren ging es um Drogenhandel und Geldwäsche. Doch nur zwei Jahre nach Start wurden alle operativen Aktionen unter bis heute ungeklärten Umständen eingestellt.
Laut den Akten taucht Maurizio C. mehrfach im engsten Umfeld der Hauptbeschuldigten auf. 2008 taucht sein Name in einem Bericht des Bundeskriminalamtes auf, in dem ein Jahr nach den Mafiamorden von Duisburg die Aktivitäten der 'Ndrangheta in Deutschland beleuchtet werden.
Wegen Steuerhinterziehung verurteilt
2014 wurde C. vom Amtsgericht Erfurt wegen Steuerhinterziehung zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er soll mit anderen Registrierkassen in italienischen Restaurants in Erfurt, Weimar und Leipzig manipuliert haben. Vier Jahre später hatte das BKA Maurizio C. wieder im Visier.
Nach MDR- und FAZ-Informationen soll es Geldwäscheermittlungen gegen ihn gegeben haben und auch im Verfahren "Eureka" sollen Fahnder offenbar dem Verdacht nachgegangen sein, C. würde illegale Gelder waschen. Der Verdacht soll sich aber nicht erhärtet haben. Aktuell sitzt C. in der Auslieferungshaft in Thüringen.