Die Anlagen der Erdölraffinerie auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH sind abends beleuchtet.
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Ölimporte Vorzugsbehandlung für russischen Rosneft-Konzern 

Stand: 18.10.2023 18:00 Uhr

Die russische Rosneft Deutschland GmbH importiert Hunderttausende Tonnen Öl - angeblich aus Kasachstan. Obwohl es Zweifel an der Herkunft gibt, wurde der Zoll nach Recherchen von NDR, WDR und SZ angewiesen, die Importe möglichst rasch durchzuwinken.

Von Petra Blum, WDR, Antonius Kempmann und Benedikt Strunz, NDR

Das Schreiben, das Anfang September an die Hauptzollämter Berlin und Frankfurt (Oder) geht, bezeichnen Insider als "gelinde gesagt außergewöhnlich". In dem zweiseitigen Brief teilt die Generalzolldirektion den nachgelagerten Behörden unmissverständlich mit, was sie von ihnen erwartet. Nämlich, dass es künftig beim Import von Öl durch Rosneft Deutschland "zu keinen Verzögerungen" mehr kommen dürfe.

Dies gelte auch für die mehrheitliche Rosneft-Tochter PCK Raffinerie in Schwedt (Brandenburg), die einen großen Teil des Sprits für den Großraum Berlin und den Nordosten Deutschlands liefert. Bereits angemeldete Importe über Ölpipelines seien den beiden Firmen "unverzüglich zu überlassen", heißt es in dem Schreiben, das NDR, WDR und SZ einsehen konnten. Sollte es künftig dennoch zu irgendwelchen Schwierigkeiten kommen, so sei "zwingend und unverzüglich" die Generalzolldirektion zu informieren.

Die Generalzolldirektion gestattet Rosneft Deutschland und PCK damit, Rohöl nach Deutschland einzuführen, ohne dass die Importe unmittelbar vom Zoll geprüft werden. An sich wäre das nicht ungewöhnlich. Im Falle der Rosneft Deutschland GmbH, die mittlerweile unter Treuhandverwaltung des Bundes steht, liegt der Fall anders.

Denn vor dem deutschen Ölembargo gegen Russland kam das Öl, das die Rosneft-Tochter PCK bezog, zu 100 Prozent aus Russland. Im vergangenen Dezember gab Rosneft dann bekannt, dass das Öl zwar zumindest teilweise weiter über die Druschba-Pipeline nach Brandenburg fließen soll. Künftig solle es aber nicht mehr aus Russland, sondern aus Kasachstan stammen.

Kasachstan gilt dem Zoll als "russlandfreundlich"

Es gibt an  dieser alternativen Lieferung allerdings einen Haken. Denn das Zollkriminalamt (ZKA) sieht ein "hohes Risiko", dass mit derartigen Geschäften Russlandsanktionen umgangen werden könnten. Denn neben 13 anderen Ländern gilt dem Zoll auch Kasachstan als "russlandfreundlich". Das geht aus einem vertraulichen Risikoprofil hervor, das NDR, WDR und SZ einsehen konnten. Darin heißt es weiter, dass im Falle einer Öllieferung aus einem russlandfreundlichen Land "besonders auf Hinweise für eine mögliche Umgehung des Einfuhrverbotes für Rohöl aus Russland zu achten" sei.

Genau das sei nun aber nicht mehr möglich, klagen Zöllner. Denn es sei etwas völlig anderes, ob man die Rechtmäßigkeit eines Geschäftes prüft, bevor die Waren auf den deutschen Markt gelangen oder erst einige Wochen später. "Ein paar Wochen später gibt dir das Unternehmen genau die Unterlagen, die es dir geben will. Kontrollen direkt bei Einfuhr sind viel effizienter", heißt es von Zollmitabeitern.

Dass die Risikoanalyse des Zolls nicht von ungefähr kommt, zeigt ein Vorgang aus Polen. Dort hatte nach Informationen des polnischen Nachrichtenportals "Biznesalert" und der "Lausitzer Rundschau" der polnische Pipeline-Betreiber das Öl untersucht, das durch die Druschba-Rohre fließt. Die Analyse zeigte, dass es sich bei dem Öl, das auch nach Deutschland gelangte, mutmaßlich um russisches Öl handelte, zumindest war es offenbar chemisch von diesem nicht zu unterscheiden.

Kein Problem, heißt es dazu vom Bundeswirtschaftsministerium. Schließlich könne es bei der Durchleitung des kasachischen Öls durch die Druschba-Pipeline, die quer durch Russland führt, zu einer Vermischung von Öl kommen. Wichtig sei lediglich, dass Russland bei dem Geschäft kein Geld verdiene.

Kasachisches Ölfeld gehört zum Teil Lukoil

Doch auch dieser Punkt ist offenbar nicht so einfach. Denn das kasachische Ölfeld, aus dem das Rohöl angeblich nach Deutschland gepumpt wird, gehört zum Teil dem russischen Unternehmen Lukoil. Eine Nachfrage von NDR, WDR und SZ, wie in diesem Fall verhindert werden soll, dass eben doch Gelder nach Russland fließen, ließ das Wirtschaftsministerium unbeantwortet.

Deutsche Unternehmen, die Güter exportieren, die die Russlandsanktionen berühren, müssen sich in der Regel auf sehr genaue Zollkontrollen einstellen. Insofern stellt sich die Frage, ob Rosneft Deutschland hier eine Sonderbehandlung genießt. Außerdem widerspricht die Zolldirektion mit der Anweisung, die Importe ungeprüft passieren zu lassen, augenscheinlich der eigenen Risikoanalyse.

Nach Informationen von NDR, WDR und SZ soll der Zoll zuvor tatsächlich versucht haben, die Rosneft-Geschäfte im Rahmen der Einfuhr zu kontrollieren. Rosneft soll sich daraufhin an das Wirtschaftsministerium in Brandenburg gewandt haben. Und dieses wiederum hat das Bundesfinanzministerium in Berlin kontaktiert, um "über das Risiko einer möglichen Versorgungslücke beim PCK" zu informieren, wie ein Sprecher bestätigte. Kurze Zeit später verschickte die Generalzolldirektion ihr Schreiben. Der Zoll ist dem Finanzministerium untergeordnet.

Generalzolldirektion widerspricht

Auf Nachfrage geben sich alle Akteure wortkarg. Die Generalzolldirektion erklärte, sie trete der Behauptung entgegen, "wonach das BMF den Zoll angewiesen hat, mutmaßliche Sanktionsverstöße nicht zu kontrollieren", vielmehr gehe man "tatsächlichen Anhaltspunkten" auf Sanktionsverstöße konsequent nach.

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums bekräftigte diesen Punkt und wies allgemein darauf hin, dass der Zoll auch "bei vereinfachten Anmeldeverfahren (...) risikoorientiert in gebotenem Umfang" kontrolliere. Ob die Zolldirektion auf Anweisung des Finanzministeriums handelte, ließ er unbeantwortet. Rosneft äußerte sich zu dem Vorgang nicht.

CDU-Politiker fordert Transparenz

Der gesamte Vorgang sorgt nicht nur beim Zoll für Verwunderung. Es sei nun am Bundesfinanzministerium, Transparenz in der Frage herzustellen, "ob es eine Aufforderung gab, das erforderliche Hinsehen bei der Einfuhr zu unterlassen", sagt Matthias Hauer, der für die CDU im Finanzausschuss des Bundestags sitzt.

Es sei klar, dass immer neue Wege gefunden würden, die Russlandsanktionen zu umgehen. "Gerade deshalb ist es entscheidend, in der Durchsetzung der Sanktionen nicht nachzulassen und deren Einhaltung verlässlich zu kontrollieren". Und das beträfe nun mal gerade auch Öl-Importe über die Druschba-Pipeline.  

Anna-Maija Mertens von der Nichtregierungsorganisation Transparency International erklärte, es gäbe "ausreichend Hinweise dafür, dass Kasachstan eine Rolle bei der Umgehung von Sanktionen spielt". Vor diesem Hintergrund seien gerade Öl-Importe aus Kasachstan genau zu prüfen.

Benedikt Strunz, NDR, tagesschau, 18.10.2023 19:08 Uhr