Spionagefall in Österreich Marsaleks Helfer in Berlin?
Ein österreichischer Ex-Geheimdienstler soll Informationen an Russland verkauft haben. Den Verrat eingefädelt hat offenbar der flüchtige Wirecard-Manager Marsalek. Nun gibt es Hinweise auf Helfer in Deutschland.
Der Fall wirkt wie der Stoff eines Spionagethrillers: Egisto O., einst Mitarbeiter des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), soll Informationen für Russland beschafft und verkauft haben. Zum Verrat angestiftet haben soll ihn teilweise sein ehemaliger Vorgesetzter, der Abteilungsleiter Martin W. Dieser wiederum soll im Auftrag des flüchtigen Wirecard-Managers Jan Marsalek agiert haben.
Mittlerweile interessieren sich auch die deutschen Behörden für den mutmaßlichen Spionage-Fall. Nach Recherchen von WDR, "Süddeutscher Zeitung" und dem österreichischen Nachrichtenmagazin "Profil" gibt es Hinweise darauf, dass Marsalek bei der Beschaffung von Informationen über den Ex-Geheimdienstler Egisto O. auch Helfer in Deutschland hatte. Marsalek soll demnach Kuriere mit Bargeld von Berlin nach Wien geschickt haben, um dort einen Laptop mit brisantem Inhalt abzuholen und nach Russland zu transportieren.
Seit mehreren Jahren ermittelt die österreichische Justiz bereits gegen Egisto O.. Er soll unter anderem aus Behördendatenbanken Informationen über zahlreiche Personen aus Politik, Wirtschaft und den Sicherheitsbehörden beschafft haben. Offenbar auch über jene, für die sich Moskau besonders interessiert, wie etwa den Bellingcat-Rechercheur Christo Grozev, der durch mehrere Enthüllungen zu russischen Geheimdiensten bekannt wurde.
In der vergangenen Woche nun wurde Egisto O. festgenommen und sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Gegen den Ex-Geheimdienstler sind neue Vorwürfe bekannt geworden: Laut Staatsanwaltschaft soll O. auch drei Mobiltelefone von hochrangigen Beamten des österreichischen Innenministeriums an den russischen Geheimdienst weitergegeben haben - und zwar im Juni 2022, als O. schon längst im Fokus der Justiz stand.
Die Handys waren im Sommer 2017 bei einem Kanu-Ausflug in einen Fluss gefallen und sollen daraufhin zur Datensicherung beim damaligen österreichischen Inlandsnachrichtendienst BVT verwahrt worden sein. O. hatte damals offenbar Zugriff auf die Geräte, sie sollen in der Wohnung seines früheren Schwiegersohns in Wien zwischengelagert gewesen sein, der vergangene Woche ebenfalls kurzzeitig festgenommen worden war. Seine Anwälte erklärten österreichischen Medien, dass er nichts von der Weitergabe der Geräte an den russischen Geheimdienst gewusst habe.
Spionagering in Großbritannien
Die neuen Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft beruhen zum größten Teil auf Telegram-Chatnachrichten, die britische Behörden nach Österreich übermittelt haben. Sie stammen aus einem Verfahren gegen eine Gruppe Bulgaren, die im Auftrag von Marsalek für den russischen Geheimdienst spioniert haben sollen. Die Chatnachrichten legen nahe, wie der Transport der Diensthandys aus dem österreichischen Innenministerium nach Russland organisiert wurde, und dass die Übergabe möglicherweise in der Wohnung von O.s früherem Schwiegersohn in Wien stattgefunden hat.
Nicht nur die Handys sollen an Kuriere ausgehändigt worden sein: Im November 2022 soll nach Bezahlung von 20.000 Euro auch ein sogenannter SINA-Laptop übergeben worden sein. Dabei handelt es sich um einen Laptop, der mit einem speziellen Verschlüsselungsprogramm ausgestattet ist. In Deutschland ist es vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sogar für die Speicherung und Übertragung von Daten mit dem höchsten Einstufungsgrad "Streng Geheim" zugelassen.
Aus Chatnachrichten zwischen Marsalek und Orlin Roussev, einem der in Großbritannien inzwischen angeklagten Bulgaren, geht hervor, dass wohl in Berlin über dubiose Quellen das Geld beschafft wurde, das letztendlich in Wien für den besonders geschützten Laptop bezahlt worden sein soll. Die "Wäsche Jungs", so soll Marsalek geschrieben haben, würden die 20.000 Euro abholen und in Berlin zur Verfügung stellen.
Laptop nach Moskau gebracht
Mehrere Kuriere, die offenbar mit gefälschten Reisepässen unterwegs waren, sollen dann im Auftrag Marsaleks mit dem Geld aus Berlin nach Wien gereist sein. Sie nahmen dort offenbar den Krypto-Laptop mit und sollen ihn über Istanbul nach Moskau gebracht haben.
Das Gerät, so soll Marsalek später in Chats geschrieben haben, soll ohne Probleme nach "Lubyanka" gebracht worden sein - eine Bezeichnung für den Hauptsitz des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB im Zentrum Moskaus.
Die österreichischen Ermittler vermerkten nach Recherchen von WDR, "Süddeutscher Zeitung" und "Profil", dass vermutet werden müsse, dass auf dem SINA-Laptop geheime Daten gespeichert waren, an denen die Russische Föderation ein Interesse gehabt habe. An anderer Stelle heißt es, es bestehe der Verdacht, dass der Laptop geheime behördliche Daten eines EU-Staates enthalten habe, die für den russischen Nachrichtendienst von Interesse gewesen seien.
In mehr als 30 Ländern im Einsatz
Woher der verschlüsselte Laptop stammt, der im November 2022 in Wien an die Mittelsmänner von Marsalek übergeben worden sein soll, ist bislang unklar. Nach Angaben der Herstellerfirma sollen SINA-Systeme in mehr als 30 Ländern weltweit im Einsatz sein. Unter anderem verfügen in Deutschland die Bundeswehr und Sicherheitsbehörden wie das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das Bundeskriminalamt (BKA) oder der Bundesnachrichtendienst (BND) über solche Laptops.
Egisto O. hatte in der Vergangenheit stets bestritten, dienstliche Geheimnisse verraten oder gar an den russischen Geheimdienst verkauft zu haben. Er behauptete, das Opfer einer Intrige innerhalb der österreichischen Sicherheitsbehörden zu sein.