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Mobilfunkanbieter-Daten Klagewelle wegen Schufa?

Stand: 25.09.2023 10:36 Uhr

Nach einem Urteil drohen Mobilfunkanbietern offenbar Klagen, weil sie Vertragsdaten jahrelang unrechtmäßig an die Schufa gegeben haben sollen. Auch dies könnte schon bald von einer Klagewelle erfasst werden.

Von Peter Hornung, NDR

Deutschen Mobilfunkanbietern droht eine Klagewelle, weil sie Vertragsdaten ihrer Kunden über Jahre hinweg unrechtmäßig an die Schufa gegeben haben sollen. Zwei Verbraucherkanzleien wollen nach NDR-Informationen für Betroffene Schadenersatz einklagen und berufen sich dabei auf ein jüngst ergangenes Gerichtsurteil. Demnach hätten sich die Unternehmen die Einwilligung der Kunden holen müssen, bevor sie Daten an Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa weitergeben.

Den beteiligten Kanzleien zufolge könnte Verbrauchern bis zu 5.000 Euro pro Fall zugesprochen werden. "Das sind Schadenersatzzahlungen, die etliche Gerichte in der Vergangenheit bei illegalen Schufa-Einträgen auch genau so ausgeurteilt haben", sagt Christian Solmecke von der Kölner Kanzlei WBS.

Offenbar 100.000 Verbraucher gemeldet

Bisher hätten sich bei den beiden beteiligten Kanzleien 100.000 Verbraucher gemeldet, so Andreas Quauke von der ebenfalls beteiligten Kanzlei Legalbird. "Wir haben bereits über 15.000 Schufa-Auszüge für unsere Mandanten angefordert und nach den ersten 3.500 Datensätzen festgestellt, dass jeder dritte Mobilfunkvertrag tatsächlich auch betroffen ist".

Die ersten Klagen werde man in dieser Woche auf den Weg bringen. "Tausende weitere Klageverfahren folgen dann in den nächsten Monaten", so Quauke. Der NDR konnte eine der Klagen einsehen und wird eine mögliche Klagewelle weiter beobachten.

Zusammen mit der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) hatte der NDR im November 2021 enthüllt, dass Schufa und andere Wirtschaftsauskunfteien die Handyvertragsdaten von Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern speicherten, ohne deren Einwilligung eingeholt zu haben. Diese Weitergabe und Speicherung ist jedoch nach Ansicht der in der Datenschutzkonferenz (DSK) organisierten Aufsichtsbehörden der Länder und des Bundes unzulässig.

Das Landgericht München urteilte im April dieses Jahres, dass der Münchner Mobilfunkanbieter Telefónica O2 Vertragsdaten eines Kunden nicht ohne dessen Zustimmung an die Schufa hätte übermitteln dürfen. Der O2-Kunde hatte mit Unterstützung des Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen geklagt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Verband hält Datenübermittlung für zulässig

Der Mobilfunkanbieter-Branchenverband VATM hatte wiederholt erklärt, man halte die Übermittlung solcher Vertragsdaten aufgrund der Gesetzeslage für zulässig. Sie sei notwendig zur Betrugsprävention, weil die Daten Auskunfteien wie der Schufa eine genauere Einschätzung der Zahlungsfähigkeit von Verbrauchern ermögliche. "Die Erfahrung der vergangenen 20 Jahre hat gezeigt, dass sich Betrugsrisiken so entscheidend verringern", hieß es in einer früheren VATM-Stellungnahme.

Die bei Auskunfteien gespeicherten Vertragsdaten trügen auch dazu bei, Verbraucherinnen und Verbraucher vor Identitätsmissbrauch zu schützen. Verbraucherschützer hatten jedoch kritisiert, dass die Daten im Rahmen des sogenannten Scorings, also von Verbraucherbewertungen, auch zu Lasten der Kunden genutzt werden könnten. Wie die Handyvertragsdaten ausgewertet würden, sei zudem höchst intransparent, so der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV).

Auch die Schufa selbst könnte schon bald von einer Klagewelle erfasst werden. Nach NDR-Informationen bringt sich ein Prozessfinanzierer aus Bayern im Vorfeld eines für den Herbst erwarteten Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Stellung, um im Namen von Verbrauchern gegen die Wiesbadener Wirtschaftsauskunftei vorzugehen.

EuGH-Verfahren seit 2021

Der EuGH soll in einem seit 2021 anhängigen Verfahren die Frage klären, ob der Schufa-Score über das Zustandekommen eines Vertrags entscheiden darf oder nicht. Bereits im März hatte der Generalanwalt am EuGH festgestellt, dass Schufa-Scores nicht maßgeblich bei Vertragsentscheidungen sein dürfen. Bisher folgte der Gerichtshof in seinen Urteilen in der weit überwiegenden Zahl der Fälle dem Generalanwalt.

Der bayerische Prozessfinanzierer EuGD bietet seit vergangener Woche Betroffenen auf seiner Webseite die kostenlose Prüfung von Ansprüchen gegen die Schufa an. Man wolle zusammen mit der Leipziger Anwaltskanzlei Spirit Legal Schadenersatz für die Kläger erwirken, so ein Unternehmenssprecher. Man gehe aufgrund vergleichbarer Urteile von bis zu 2.500 Euro pro Fall aus.

Im Erfolgsfall sollen Kläger dann 25 Prozent von der erstrittenen Summe an EuGD zahlen - ein Geschäftsmodell, wie es man es schon aus dem Luftfahrtsektor von Unternehmen wie Flightright kennt.

Welche Bedeutung hat der Schufa-Score?

NDR und SZ hatten im August berichtet, dass die Schufa im Vorfeld des EuGH-Urteils Unternehmenskunden gebeten hatte, zu bestätigen, dass der Schufa-Score nicht über das Zustandekommen von Verträgen entscheide. Man gehe zwar "nach aktuellem Kenntnisstand davon aus, dass der Score in aller Regel nicht maßgeblich für die Entscheidungsfindung ist", so das Unternehmen Ende August in einer Stellungnahme.

Die Abfrage bei den Vertragsunternehmen sei dennoch wichtig, um festzustellen, "ob der Score tatsächlich in aller Regel nicht maßgeblich ist, wie wir aus Gesprächen mit Kunden entnehmen, oder ob es ggf. doch spezifische Fälle gibt, in denen er es ist." Wenn das tatsächlich der Fall sei, müssten womöglich "Prozesse angepasst werden". Sollte sich durch das Urteil die Rechtsgrundlage ändern, werde "sich das Handeln der Schufa selbstverständlich den neuen Gegebenheiten anpassen".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 05. September 2023 um 12:15 Uhr.