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Bundesregierung Ampel will 758 zusätzliche Beamtenstellen

Stand: 26.04.2022 05:00 Uhr

Die Bundesregierung plant erneut einen massiven Stellenzuwachs im Vergleich zur Ära Merkel. Das ergibt eine Auswertung der Personallisten im Haushaltsentwurf 2022 durch das ARD-Magazin Report Mainz.

Im Bundeskanzleramt herrscht Büromangel. Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, dass es schon heute einer der größten Regierungssitze der Welt ist. Und doch ist es für die ständig wachsende Zahl an Mitarbeitern zu klein. Ein Erweiterungsbau mit 400 neuen Büros soll nun Abhilfe schaffen. Für Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, ist das Ausdruck einer massiven Fehlentwicklung: "Das Kanzleramt ist symbolisch dafür, dass einiges schiefläuft. Aber schon seit Jahren, seitdem die Bundesregierung nach Berlin umgezogen ist, hat sich die Mitarbeiterzahl im Kanzleramt verdoppelt. Das ist weder sparsam noch nachhaltig."

Der Ministerialapparat wächst und wächst

Schon seit Jahren genehmigt der Bundestag dem Kanzleramt und den Bundesministerien immer mehr Personal, allein in der vergangenen Legislaturperiode kamen 2500 Stellen dazu. Darüber hatte das ARD-Politikmagazin Report Mainz im Oktober 2021 berichtet. Damals kritisierten Haushaltspolitiker von den Grünen und der FDP den Personalzuwachs scharf: Sven-Christian Kindler von den Grünen prangerte die Versorgungsmentalität der Merkel-Regierung an und erklärte: "Die Große Koalition ist häufig sehr großzügig, vor allem zu sich selbst." Otto Fricke (FDP) forderte weniger Beamtenstellen, um das Aufblähen der Ministerien zu beenden. Was ist aus diesen guten Vorsätzen geworden?

Auswertung der Personallisten im Haushaltsentwurf 2022

Eine aktuelle Auswertung des Haushaltsentwurfs 2022 zeigt: Es sollen weitere 758 Beamtenstellen in den Bundesministerien geschaffen werden. So kommt es erneut zu einem massiven Stellenzuwachs im Vergleich zum Ende der Ära Merkel. Da die Zahl der Angestellten um 54 reduziert werden soll, steigt die geplante Mitarbeiterzahl insgesamt um 704 Stellen. Die aktuelle Auswertung der Personalübersichten zeigt auch, dass alle Ministerinnen und Minister mehr Personal fordern.

Besonders viele zusätzliche Stellen wollen SPD- und Grün-geführte Ministerien: Bundeskanzler Olaf Scholz will 75 Stellen für das Kanzleramt. Wirtschaftsminister Robert Habeck möchte 101 Stellen für sein Ministerium zusätzlich. Selbst das Innenministerium will weitere 103 Mitarbeiter, obwohl für den Bereich Bauen und Wohnen ein eigenes Ministerium aufgebaut wird; Bauministerin Klara Geywitz beansprucht 104 neue Planstellen. Auf Nachfrage von Report Mainz begründen die Ministerien den Stellenzuwachs mit der Bewältigung neuer Aufgaben, die sich aus dem Koalitionsvertrag ergäben.

Immer mehr hochbezahlte Spitzenbeamte

Laut Personalübersicht des Haushaltsentwurfs sind auch 128 hochbezahlte Beamtenposten vorgesehen, die sogenannten B-Stellen mit einem Gehalt bis zu 15.000 Euro monatlich. Aus den Besoldungsgruppen der Planstellen ergeben sich zusätzliche Personalkosten von rund 60 Millionen Euro pro Jahr. Dazu zählen auch die Staatssekretäre. Mit insgesamt 71 parlamentarischen und beamteten Staatssekretären beschäftigt die Ampelregierung so viele wie noch keine Regierung vor ihr. Vor 20 Jahren unter der Regierung Schröder waren es noch 48. Jeder parlamentarische Staatssekretär löst eine Kaskade an Zusatzkosten aus: Persönliches Jahreseinkommen, Kosten für Sekretariatspersonal, Dienstwagen und Fahrer summieren sich auf rund 500.000 Euro jährlich.

32 hohe Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt

Teuer sind auch die Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand. Eine Abfrage unter allen Bundesministerien ergab, dass 32 Beamte nach dem Regierungswechsel in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurden. Alle sind hochbezahlte Beamte der Besoldungsgruppen B11 und B9 gewesen, die jetzt einen Anspruch auf Ruhegehalt haben.

"Kein objektiver Personalbedarf"

Immer mehr Personal in den Ministerien sei nicht nur teuer, es behindere auch die Effizienz der Verwaltung, kritisiert der Experte für öffentliche Haushalte Prof. René Geißler von der TH Wildau: "Die Bundesministerien haben keinen objektiven Personalbedarf. Es sind politische Behörden, die nicht besser funktionieren, wenn sie mehr Personal haben. Im Gegenteil. Sie werden noch größer, noch mehr Hierarchien, noch mehr Referate, die letztlich im Alltag gar keine Rolle spielen. Von daher es ist hochgradig dysfunktional."

Auch Reiner Holznagel findet die Anzahl neuer Stellen "erschreckend hoch". Im Interview mit Report Mainz sagt er: "Unterm Strich sehen wir einen gigantischen Aufwuchs. Insofern hält die Regierung nicht, was sie verspricht, nämlich Prioritäten setzen und sparsam sein." Kritik kommt auch von der Opposition. Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher der CDU, wirft der Ampel-Koalition vor, das Geld mit vollen Händen rauszuwerfen: "Diese Regierung hat überhaupt kein Verhältnis zum Geld. Hier wird Personal auf Schulden finanziert."

"Kluges Personal ist Macht"

Report Mainz hat Sven-Christian Kindler und Otto Fricke um eine Stellungnahme zu den Recherchen gebeten. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Kristian Kindler, wollte sich dazu nicht äußern.

Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der FDP, beteuert im Interview, er habe in den Koalitionsverhandlungen versucht, befristete Beschäftigungsverhältnisse durchzusetzen. Das hätten Politiker anderer Ressorts durch die Bank abgelehnt: "Das Lächeln war sehr groß. Nach dem Motto, das haben wir noch nie gemacht, wo kommen wir denn da hin. Dafür gab es keine Mehrheit." Auf die Frage, warum so viel neues Personal gefordert wird, erklärt er: "Kluges Personal ist Macht und mehr Macht zu haben heißt natürlich an der Stelle auch, mehr auf Politik Einfluss nehmen zu können."

Monika Anthes, Monika Anthes, SWR, 26.04.2022 07:02 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Report Mainz im Ersten am 26. April 2022 um 22:00 Uhr.