Stiftung des Ex-Verfassungsschutzchefs Maaßens Atlantis
Ex-Inlandsgeheimdienst-Chef Maaßen hat eine Stiftung im Schweizer Steuerparadies Zug gegründet. Er will damit gegen "Totalitarismus und zeitgenössischen Sozialismus" arbeiten.
Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat ein öffentlich bisher unbekanntes Nebenamt: Der umstrittene Politiker und neue Chef der rechtskonservativen "WerteUnion" ist Gründer und Präsident einer Stiftung in der Schweiz, im idyllischen Steuerparadies Zug. Die Stiftung hat den sagenumwobenen Namen: "Atlantis", wie das verschollene mythische Inselreich.
WDR, NDR, "Süddeutsche Zeitung" (SZ) und der Schweizer Tamedia liegen Stiftungsunterlagen vor. Die Stiftung und die Spuren, die von ihr ausgehen, werfen viele Fragen auf. Die wichtigste: Was haben zwei vermögende Unternehmer mit dem ehemaligen Verfassungsschutz-Chef in einer Schweizer Stiftung vor?
Gründung bereits 2021
Den Dokumenten zufolge erschienen Maaßen und einer seiner beiden deutschen Co-Vorstände Anfang Juli 2021 bei einem Notar in Zug. Maaßen und ein deutscher, in der Schweiz lebender und vermögender Finanzmanager aus einer Industriellendynastie im Westfälischen, legten einen Beleg für das rechtlich benötigte Stiftungskapital vor.
50.000 Schweizer Franken waren auf ein Konto bei der Credit Suisse kurz zuvor eingezahlt worden, so heißt es. Als Stifter ist dort Hans-Georg Maaßen selbst benannt, der auch Präsident sei.
Eine wichtige Aufgabe der Atlantis-Stiftung soll es laut Stiftungszweck sein, weiteres Geld einzusammeln, durch Zustiftungen etwa. Geld, über das der Stiftungsvorstand, insbesondere dessen Präsident Maaßen, verfügen kann. "Die Interpretation des ... niedergelegten Stifterwillens obliegt dem Stiftungsrat", heißt es in der Stiftungsurkunde.
"Dem freiheitlichen Gedanken verpflichtet"
Beim Stiftungszweck geht es um gesellschaftliche und politische Fragen. Wirken soll die Stiftung, die offenbar als eine Art Thinktank konzipiert ist, nicht nur in der Schweiz. Die Allgemeinheit solle "auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos" gefördert werden. "Atlantis" solle sich der Vermittlung von demokratischer Kultur und Maßnahmen "gegen Extremismus und Totalitarismus" zum Anliegen machen.
Er gründete die Stiftung in einem erstaunlichen Moment: Im Sommer 2021 trat er als Direktkandidat der CDU in Südthüringen zur Bundestagswahl an und erfuhr keine finanzielle Unterstützung von der Partei.
Bisher sei die Stiftung noch im Aufbau, erklärte Maaßen auf Anfrage. Wer die Stiftung finanziert und wie hoch deren finanzielle Mittel sind, lässt er unbeantwortet. Veröffentlichen muss die Stiftung bisher nichts. Hans-Georg Maaßen versichert, die Stiftung habe ihn nicht im Wahlkampf unterstützt. Sie habe auch nichts mit der Werteunion zu tun, unterstütze keine Parteien, er selbst arbeite ehrenamtlich.
Vorwürfe an Medien, Universitäten und die meisten Parteien
Maaßen erklärt zudem, er habe mit der Stiftung "ein lang gehegtes Projekt verwirklicht, eine "bürgerliche Stiftung zu gründen, die dem freiheitlichen Gedanken verpflichtet ist". In der Schweiz habe er sie wegen des einfacheren Stiftungsrechts gegründet. Seiner Antwort fügt Maaßen einen Flyer der Stiftung bei. In diesem ist die Rede, dass Atlantis "politische Initiativen" unterstütze und sich gegen "Totalitarismus und zeitgenössischem Sozialismus" richte.
Was er damit meint, wird auch deutlich: "Extremisten fordern wieder ganz offen den Vorrang ihrer Ideologie gegenüber der freiheitlichen Demokratie. Auch Medien, Universitäten, gesellschaftliche Gruppen und die meisten Parteien vertreten inzwischen ähnliche Positionen", heißt es in dem Flyer.
Büroadresse, aber keine Website
Im Internet findet sich nicht einmal eine Homepage der Stiftung. Doch es gibt sehr wohl eine Adresse und dort auch ein Türschild, in einem mehrstöckigen weißen Bürohaus in Zug gelegen. Die Atlantis-Stiftung sitzt in einem Businesscenter, mit derzeit mehr als 40 Firmen.
Von Mitarbeitern des Businesscenters erfuhren WDR, NDR, SZ und Tamedia, dass es sich angeblich keineswegs um reine Briefkastenadressen handele, obwohl bei einem Besuch am Wochentag keine Mitarbeiter eines Unternehmens anzutreffen waren. Von der Atlantis-Stiftung komme regelmäßig jemand vorbei, hieß es auf Nachfrage. Wer dies sei und wer für das Center bezahle, wollten die dortigen Mitarbeiter nicht sagen.
Auffällig: Zwei von Maaßens Stiftungsvorständen haben selbst Firmenadressen im Businesscenter. Einer von ihnen ist ein älterer Finanzmanager. Er stammt aus einer Stahlbaudynastie, ist nach eigenen Angaben 2010 aus Berlin nach Luzern umgezogen. Die Mehrzahl seiner Unternehmen und Beteiligungen sitzen auf derselben Etage wie "Atlantis", er hat dort offenbar auch ein Büro.
Erster Stiftungsvorstand steigt aus
Der dritte Stiftungsvorstand, ein Mann aus der Pharmabranche, gehört zu dessen geschäftlichem Umfeld. Auf Anfrage sagte er WDR, NDR, SZ und Tamedia, dass er seinen Namen auf Wunsch seines Geschäftspartners kurzfristig zur Verfügung gestellt habe, als eine Art Freundschaftsdienst, er selbst jedoch vollkommen "apolitisch" sei. Maaßen sei ihm persönlich nicht bekannt. Mit der Stiftung selbst habe er nichts zu tun, er habe kein Geld gegeben und inzwischen darum gebeten, ihn aus dem Stiftungsvorstand zu entlassen.