Bundeswehr-Sondervermögen Nur ein kurzer Ausstieg aus dem Jammertal?
Der erste Teil des Kanzler-Versprechens ist mit dem Bundeswehr-Sonderfonds eingelöst. Doch der zweite Teil fehlt noch. Zudem benötigt die Truppe Reformen. Sonst ist der Abstieg ins Jammertal programmiert.
Teil eins des "Zeitenwende-Versprechens" ist eingelöst: Die materiell ausgetrocknete Bundeswehr bekommt ihren dringend notwendigen 100-Milliarden-Geldregen. Und das Signal einer breiten Mehrheit im Bundestag obendrein, dass sie hinter ihrer Truppe steht. Das ist viel wert. Lautet doch die bittere Lehre dieser Zeitenwende-Zeiten: Wer sich gegen den skrupellosen Kreml-Herrscher Wladimir Putin wappnen will - der nichts mehr fürchtet als funktionierende, liberale Demokratien - der kommt um gut ausgestattete, gut ausgerüstete - kurz: ernstzunehmende und abschreckende - Streitkräfte leider nicht herum.
Teil zwei des Versprechens fehlt noch
Die 100-Milliarden-Euro-Frage mag also geklärt sein, doch dafür sind andere weiter offen: Ja, Kanzler Olaf Scholz hat seinen wahrlich historischen Worten im Parlament Ende Februar mit Blick auf die Bundeswehr nun Taten folgen lassen. Doch damit ist eben nur Teil eins des "Zeitenwende-Versprechens" eingelöst.
Teil zwei harrt weiter der Umsetzung: Lautete dieser doch, die Ukraine so wirkungsvoll zu unterstützen, dass sie sich gegen den russischen Vernichtungsfeldzug auch wirklich zur Wehr setzen kann.
Noch sind keine schweren Waffen da
Seit dieser Woche nun sind weitere, schwere, von der Ukraine dringend benötigte Waffen zugesagt. Doch auch wenn bei den im Grunde täglichen Debatten über Haubitzen, Geparden und nun auch Cobras ein anderer Eindruck aufkommen kann und die Ampel den NATO-Ringtausch-Lösungen vorantreibt: Noch ist kein einziges in die Kategorie "schwere Waffen" fallendes System aus deutschen Beständen im Kriegsgebiet angekommen. Viel - für die Ukraine existenzielle - Zeit wurde vergeudet. Trotz Zeitenwende.
Keine Pleiten-Pech-und-Panzer-Geschichte mehr
Gleichzeitig ist es längst eine Binse geworden, dass 100 Milliarden Euro allein der Bundeswehr zwar kurzfristig aus dem Ausrüstungs-Jammertal helfen werden. Ein erneuter Abstieg in ebenjenes Tal aber ist ohne tiefgreifende Reformen programmiert: Das gilt für den Beschaffungswesen-Koloss ebenso wie für die Bundeswehr insgesamt.
Geschichten wie die vom Schützenpanzer Puma, bei dem zwischen erstem Projektvertrag und Auslieferung der letzten Modelle zwanzig Jahre vergingen oder die vom Transportflieger A400M, bei dem auch ein Jahrzehnt nach der ersten Bestellung noch Maschinen wegen lockerer Schrauben zurück ins Werk geschickt wurden, dürfen sich nicht wiederholen. Die Pleiten-Pech-und-Panzer-Geschichte der letzten Jahre und Jahrzehnte einfach weiter zu spinnen, wäre ein großer Fehler.
Reform der Truppe notwendig
In der Tat geht das nur, indem man - wie jetzt beim F-35-Tarnkappenjet oder dem Chinook-Transporthubschrauber - mehr erprobtes Material von der Stange kauft. Und zumindest eine Schneise in das Beschaffungswesen-Gestrüpp schlägt.
Es geht aber auch nur dann, wenn man der notorisch "kopflastigen" Bundeswehr die Füße stärkt. Sprich: Die von der Vorgängerregierung angestoßene Reform der Truppe vorantreibt. Dass dies alles wirklich mit dem notwendigen Ehrgeiz angepackt wird, dafür bleibt Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bislang den Beweis schuldig. Passiert das aber nicht, droht die Wirkung der historischen "Zeitenwende-Versprechen" allzu schnell zu verpuffen. Zum Vorteil des Demokratie-Verächters Putin.
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