
Einigung auf Finanzpaket Wer so verhandelt, wird so behandelt
Deutschland bekommt ein großes Investitionsprogramm - das ist eine gute Nachricht. Doch das Verhandlungsgeschick des voraussichtlich neuen Kanzlers Merz wirft kein gutes Licht auf die Koalitionsgespräche.
Wer nicht hören will, muss fühlen. Der möglicherweise Bald-Schon-Kanzler Friedrich Merz hat das in den vergangenen Stunden ziemlich drastisch erleben müssen. Wer so verhandelt, wird so behandelt. Mit sehr kalter Präzision haben die Grünen in der vergangenen Nacht dem Sondierungs- und Regierungsneuling Friedrich Merz gezeigt, wie so was geht.
Die gute Nachricht des Tages: Deutschland bekommt vermutlich das größte Investitionsprogramm in Infrastruktur und Klimaschutz aller Zeiten. Weil eine Partei wie die Grünen, die ja die Wahl verlor, Verantwortung übernommen hat für Land und Klima. Die zweite gute Nachricht: Inmitten einer sich auflösenden Gewissheit, dass die Sicherheit Europas von den USA gewährleistet, die NATO es schon irgendwie richten werde, übernimmt Deutschland jetzt große Verantwortung.
Mehr Geld, sehr viel mehr Geld für die Verteidigung und die Ukraine, wird fließen können, weil es fließen muss. Weil in Washington ein - freundlich formuliert - irrlichternder US-Präsident Unberechenbarkeit stündlich neu definiert. Weil in Russland ein Diktator unbeirrt versucht, die Ukraine zu zerstören und das Europa, wie wir es kannten, gleich mit.
In der Sache notwendig, in der Form eine Vollkatastrophe
Insofern war das Ringen um Milliarden, um Schuldenbremsen und Sondervermögen in der Sache notwendig, in der Form allerdings die erste Vollkatastrophe in einer Kanzlerschaft von Friedrich Merz, die noch nicht einmal begonnen hat.
Wo hat der Mann verhandeln gelernt? Das fragen sich zur Stunde nicht nur die Grünen. Das fragen sich Unionsleute und das fragt sich eine SPD, die kopfschüttelnd mit ansah, wie CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Merz die Grünen bis zum letzten Wahlkampftag und sogar noch darüber hinaus als "Spinner" und "Dilettanten" verunglimpften.
Ein Vorgeschmack auf das Verhandlungsgeschick von Merz?
Und das ist die schlechte Nachricht dieses Tages: Wenn das Schauspiel der vergangenen Tage ein Vorgeschmack auf Stil und Verhandlungsgeschick des Kanzlers Friedrich Merz auf der Weltbühne gewesen ist, dann dürfen wir alle eher ängstlich auf das schauen, was demnächst passiert.
Wer Verhandlungsangebote per Mailboxnachricht hinterlässt, wer 50 Milliarden Euro für den Klimaschutz als Spontan-Angebot live im Bundestag an überraschte Grüne rüber reicht, wer dann wie Friedrich Merz - der zur sehr kurzen Zündschnur zu neigen scheint - den Grünen, die er brauchte, auch noch hinterherruft: Was wollt ihr denn noch? Der muss sich nicht wundern, wenn aus dem Bundestag die treffende Antwort zurückschallt: Wir wollen einen integren Kanzler.
"Sie können es nicht. Sie sind ein Klempner der Macht", hat dieser sehr selbstbewusste Merz einst Kanzler Olaf Scholz zugerufen. Aber kann Friedrich Merz Kanzler?
Der Ton der Koalitionsverhandlungen wird rau werden
Eins steht fest: Wenn jetzt der Bundestag am Dienstag das Milliardenpaket absegnet, ist zwar die Grundlage, auf der Union und SPD ihre künftige Regierung aufbauen wollen, gelegt.
Der Ton der Koalitionsverhandlungen aber wird rau werden. Denn diese SPD dürfte schwerst genervten Unionsleuten gegenübersitzen, die nach all den Kröten, die sie auch dank eines Friedrich Merz heute schlucken mussten, sagen: Jetzt brauchen wir auch was für unsere Leute.
Dann verhandelt mal schön. Drei Tage nach Ostern will Merz sich zum Kanzler wählen lassen. "Glück auf" würden Sozialdemokraten wohl sagen.