Ärger um EU-Ratsvorsitz Orbans Rechnung geht auf
Viktor Orban hat als EU-Ratsvorsitzender in kürzester Zeit maximalen Schaden für Europas Außenpolitik angerichtet - zu seinem eigenen Vorteil. Über die bisher angekündigten Strafen kann der Ungar jedoch nur lachen.
Nicht mal drei Wochen ist Viktor Orban Ratsvorsitzender in der EU, der Posten ging am 1. Juli an ihn über. Turnusmäßig. Aber Orban hat den bisher nicht besonders aufsehenerregenden Posten erfolgreich genutzt, um in kürzester Zeit maximalen Schaden für Europas Außenpolitik anzurichten.
Der Ungar biedert sich bei Putin an, als Gegner jeder Hilfe für die Ukraine. Er hofiert die Machthaber in Peking. Und gerade macht er sich auch noch zum Lautsprecher für Donald Trump - der Mann habe fundierte Pläne für eine Friedenslösung mit Russland in der Schublade, schreibt Orban über seine jüngsten Reiseerlebnisse den EU-Spitzen nach Brüssel.
Diplomatische Zurückhaltung ist Pflicht
Nun hat natürlich jeder Regierungschef in der Europäischen Union das Recht zu reisen und eigene außenpolitische Ziele zu verfolgen. Das gilt aber nicht für den Ratsvorsitz. Auf diesem Posten ist diplomatische Zurückhaltung oberste Politiker-Pflicht, sechs Monate lang. Es geht darum, ein unparteilicher Mittler zu sein und loyal die gemeinsamen Ziele der EU zu vertreten.
Stattdessen nutzt Ungarns Premier den Ratsvorsitz ausnahmslos für seine ganz persönlichen Ziele. Es geht ihm darum, Bande von Moskau über Peking bis zu Donald Trump zu knüpfen, er will ein Netzwerk der Demokratiefeinde und Rechtsstaatsgegner aufbauen. Mit ihm selbst als Vorposten in Europa. Schließlich hat er nicht nur Begriff der illiberalen Demokratie erfunden, er ist dem Idealziel einer Ein-Mann-Demokratie im eigenen Land über die Jahre auch schon recht nahegekommen
Es gäbe wirkungsvolle Maßnahmen
Kein Wunder, dass so etwas die anderen Regierungschefs auf die Palme bringt. Ganz oben auf der Palme sitzt schon die Brüsseler EU-Kommission. Man will keine Kommissare mehr nach Budapest zu den üblichen Ministertreffen schicken, eventuell sogar zeitgleich Gegenveranstaltungen ausrichten - das ist als ultimative Strafe im Gespräch.
Orban wird es verschmerzen können. Und vermutlich drüber lachen, weil seine Rechnung wieder aufgeht: Europa ist gespalten und vor einer echten, schmerzhaften Abschreckung schrecken die anderen zurück. Der Entzug des Ratsvorsitzes wäre eine wirkungsvollere Maßnahme gewesen. Oder der Entzug des Stimmrechts in der EU, ein echter Verlust für den Möchtegern-Boss aus Budapest. Machbar wäre das, bloß dafür müsste sich eine starke Mehrheit zusammenfinden.
Seit 14 Jahren gelingt es nicht, Orban zu isolieren
Seit 14 Jahren ist Orban an der Macht und seit 14 Jahren gelingt es nicht, ihn zu isolieren. Milliarden EU-Fördergelder sind in korrupten Kanälen verschwunden, Orban hat sich und seine Lieben damit regelmäßig beschenkt - vom Schwiegersohn über den Schulfreund bis hin zu verdienten Parteikumpeln.
Viel zu spät wurden die Brüsseler Überweisungen teilweise eingefroren, viel zu früh wieder frei gegeben. Und viel zu lange konnte Orban die Milliardensumme als Bestätigung seines Demokratie-Abbaus verkaufen. Mit anderen Worten: Es war das Geld von Europas Steuerzahlern, das den Aufstieg von Orban befördert hat. Und es war die frühere Kanzlerin Angela Merkel, die stets ihre schützende Hand über Orban gehalten hat, er konnte wachsen und gedeihen im warmen Nest der christdemokratischen Parteienfamilie Europas.
Der autoritäre Nationalismus findet schon Nachahmer
Dass der Ungar seine Karriere als antikommunistischer Freiheitskämpfer begann, brachte ihm Sympathien der Konservativen ein. Dass er heute ein offen bekennender Putin-Fan ist, blieb bisher für ihn ohne Strafe. Im Gegenteil: Sein autoritärer Nationalismus hat schon Nachahmer in anderen osteuropäischen Mitgliedsländern gefunden, das große Beispiel aus Budapest ist einfach zu ermutigend.
Wenn der Rest der EU jetzt nur mit Konferenzboykott auf die Paktiererei mit Moskau, Peking und Trump reagiert, dann wird das Orban nicht beeindrucken. Er wird die fünf Monate, die ihm im Ratsvorsitz noch bleiben, kreativ nutzen, um weiter maximalen Schaden für die EU anzurichten.
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