Selenskyj und Saluschnyj besuchen im November 2023 einen unbekannten Armeestandort in der Ukraine
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Selenskyj gegen Saluschnyj Ein überflüssiger Machtkampf

Stand: 31.01.2024 18:11 Uhr

Der Versuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, Armeechef Saluschnyj loszuwerden, offenbart einen überflüssigen Machtkampf. Das Land kämpft ums Überleben, und Selenskyjs Motive haben wenig mit dem Krieg zu tun.

Ein Kommentar von Sabine Adler, ARD Kiew

Die Nerven liegen bei vielen blank in der Ukraine. Wem wollte man es verdenken angesichts unzähliger Angriffe jeden Tag - im Osten seit zehn, im ganzen Land seit fast zwei Jahren.

Es geht buchstäblich um Leben und Tod. Jeder Fehler kann verheerende Auswirkungen haben. Und da Menschen Fehler machen, kocht Empörung schnell hoch - wie derzeit, da Präsident Wolodymyr Selenskyj die Absetzung seines Generalstabschefs Valerij Saluschnyj erwägt. Den angebotenen Posten als Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates hat dieser abgelehnt, was Selenskyjs Absichten kaum stoppen dürfte.

Was Selenskyj nicht passt

Der Oberbefehlshaber Selenskyj rügt seinen Armeechef aber nicht etwa für die erfolglose Sommeroffensive, die dieser ohnehin nicht allein zu verantworten hätte. Sondern dem Staatsoberhaupt passt nicht, dass der beliebte General mit eigener Stimme spricht, den Stillstand an der Front eine Pattsituation nennt. Danach folgende Scharmützel, wer als erster von 500.000 Soldaten mehr für die Front gesprochen hat, richteten erste Schäden an. Die anhaltenden Gerüchte tragen ein Übriges bei.

Vor allem, weil der General nicht nur von den westlichen Partnern viel Respekt bekommt, sondern deutlich beliebter ist als der Präsident, der nach wie vor selbst aber immer noch eine so große Unterstützung genießt, dass westliche Politiker davon nur träumen könnten.

Ein unliebsamer Konkurrent

In Kiew pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass Selenskyj in dem Armeechef einen unliebsamen Konkurrenten sieht. Zum Beispiel bei einer Präsidentschaftswahl. Zu Friedenszeiten würde man von einem normalen Wettbewerb sprechen. Doch in der Ukraine geht es um das Überleben.

In Russland reibt man sich angesichts der Kiewer Ränkespiele schon die Hände. Die russische Propaganda schlachtet den Streit bereits genüsslich aus.

Es geht auch um demokratische Errungenschaften

Nicht, dass ein General an der Spitze nicht abgelöst werden dürfte, im Gegenteil, er muss, wenn es nötig ist. Doch Saluschnyj und auch der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, werden vom Präsidenten wie Wahlkampfgegner behandelt, völlig zur Unzeit. Denn gewählt wird erst nach dem Krieg - wenn er denn für die Ukraine gut ausgeht.

Bis dahin müssen alle gemeinsam verhindern, dass das Land nicht verliert, was es an demokratischen Freiheiten schon errungen hat. Immer mehr Beobachter beklagen eine neue Zentralisierung der Macht. Der Präsident samt seiner Partei "Diener des Volkes" lässt auf der politischen Bühne anderen Akteuren aus Zivilgesellschaft und Opposition kaum Raum.

Die Bürger sollen ihr Mitspracherecht bei der kommunalen Selbstverwaltung in ihren Städten und Gemeinden an Militäradministrationen abgeben, selbst wenn sie weit von der Front entfernt sind. Medien und Wirtschaft erleben immer mehr Druck.

Damit muss Schluss sein, damit der Krieg nicht auch noch die Demokratie tötet. Denn dann wäre ihr Land wie Russland, sagen viele Ukrainer. Und das wäre das Letzte, was sie wollen.

Redaktioneller Hinweis

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Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk in den Nachrichten am 31. Januar 2024 um 10:00 Uhr.