Friedrich Merz
kommentar

Migrationskurs der Union Merz stellt Wahlkampf über demokratische Werte

Stand: 30.01.2025 14:20 Uhr

Mit ihrem Verhalten im Bundestag hat die Union einen demokratischen Tabubruch begangen. Falsch sind nicht nur die teils rechtswidrigen Forderungen, falsch ist auch die entmenschlichende Sprache von Parteichef Merz.

Ein Kommentar von Max Bauer, ARD-Rechtsredaktion

"Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen. Sie bleibt richtig", sagte CDU-Chef Friedrich Merz vor der Abstimmung über den Fünf-Punkte-Plan der Union zum Asylrecht im Bundestag. In anderen Worten: Diese Asylpolitik ist richtig, auch wenn die falschen Freunde von der AfD sie ebenfalls richtig finden. Mit diesem Falsch-Richtig-Schema rechtfertigt die Union, dass sie gemeinsam mit der rechtsradikalen AfD gestimmt hat.

Die Union sucht also, was der moderne Mensch immer sucht: das richtige Leben im falschen. Und leider ist es wie so oft: Wer das Falsche und das Richtige zu sehr vermengt, macht es am Ende doppelt falsch.

Strategie der Kompromisslosigkeit

Falsch und ein klarer demokratischer Tabubruch ist es, dass die Union ihre Pläne auch mit den Stimmen der AfD umsetzen will. Hinterhältig falsch ist es, dass sie die Existenz einer rechtsradikalen Partei im Bundestag dafür nutzt, die anderen Parteien unter Druck zu setzen. Damit stellt sie den Wahlkampf über demokratische Werte und versteigt sich in eine Strategie der Kompromisslosigkeit, die bisher das Markenzeichen von Donald Trump, Viktor Orban und Co. ist.

Falsch ist es aber nicht nur, andere politisch zu erpressen und rechtsradikale Verfassungsfeinde salonfähig zu machen. Falsch ist vor allem das, was Friedrich Merz inhaltlich fordert. Und falsch ist seine Sprache. Denn sein Vorschlag, die deutschen Grenzen dicht zu machen und Geflüchtete ohne Prüfung einfach zurückzuschicken, verletzt deutsches, europäisches und internationales Recht.

Gegen den Grundgedanken des Flüchtlingsrechts

Es ist ein Grundgedanke des Flüchtlingsrechts, dass jeder, der an eine europäische Grenze kommt, ein Recht darauf hat, dass sein Fall zumindest geprüft wird. Geprüft, ob ein anderer Staat im Dublin-System zuständig ist. Geprüft, ob bei einer Zurückweisung eventuell Menschenrechtsverletzungen drohen. Das Asylrecht ist ein Recht für den Einzelfall. Der Einzelne, der vor Verhältnissen flieht, die ihn als Menschen gefährden. Dieser Einzelne hat Rechte.

Und es ist vor allem die Sprache von Friedrich Merz, die zeigt, dass seine Politik dieses Grundverständnis angreift. Die Geflüchteten werden hier statt zur Rechtsperson zur Masse, die abgewehrt werden muss - mit einem "Zustrombegrenzungsgesetz".

"Kompromisse" seien bei "diesen Themen nicht mehr möglich". Und überhaupt sei "das, was im Monat abgeschoben wird, in drei Tagen wieder da". "Das", was da abgeschoben wird, sagt Merz - und meint wohlgemerkt Menschen. Mit einer solchen kompromisslosen Sprache der Entmenschlichung hat auch die AfD angefangen.

Doppelte Gefahr für die Demokratie

Die Frage ist nun: Was steckt hinter diesem gefährlichen Sprachspiel? Ist Friedrich Merz einfach der Trump-Aktivismus zu Kopf gestiegen, nach dem Motto: Das will ich auch mal, mit einem Federstrich die Probleme einer Nation lösen - ganz egal, wie platt und unseriös die eigenen Rezepte sind? Oder besteht die Gefahr, dass aus der gemeinsamen inhumanen Sprache gleiche Taten folgen - nicht nur einmal, sondern öfter? Denn die Zustimmung der Falschen von der AfD ist ja scheinbar kein Problem mehr, wenn man die gleiche militant-kompromisslose Sprache spricht.

Das jedoch ist nicht nur doppelt falsch, sondern doppelt gefährlich für die Demokratie. Denn wir haben es dann nicht mehr nur mit rechtsradikalen Verfassungsfeinden zu tun, sondern mit bürgerlichen Politikern, die den Verfassungsfeinden die Demokratie ausliefern.

Redaktioneller Hinweis
Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin wieder und nicht die der Redaktion.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 30. Januar 2025 um 15:00 Uhr.